51.| O l i v i a
Mein einziger Wunsch wäre es gewesen, für immer bei Jason zu bleiben. Ich hätte es gebraucht, für immer gehalten zu werden. Doch mir ist bewusst, dass man nicht immer das bekommen kann was man sich am meisten wünscht. Die Ärzte haben uns wieder getrennt, und ich bin erneut in meinem Zimmer. Mein Blick wandert an die Decke und ich atme angespannt ein und wieder aus. Das Gefühl alleine zu sein, macht mir Angst und ich muss mich bemühen nicht vollkommen durchzudrehen. In diesem Moment brauche ich jemanden an meiner Seite, doch ich bin einsam. Die Gedanken in meinem Kopf sind zu laut um sie zu ignorieren und immer wieder sehe ich Abby vor meinen Augen. Verletzt und gebrochen, durch diese verdammte Welt. Die Welt in der Menschen einfach das tun was sie wollen, ohne darüber nachzudenken welche Folgen es für andere hat.
Mein Handy klingelt und ich versuche mich auf meine Atmung zu konzentrieren. Ich darf jetzt nicht den Verstand verlieren, denn Jason braucht mich genauso sehr, wie ich ihn brauche. Meine Hände zittern, als ich das Gespräch annehme und ein leises "Hallo" flüstere. Ich warte nervös auf eine Antwort, und höre dann die gefühlslose Stimme vom Inspector, der vor ein paar Stunden noch hier war. Alles andere wäre mir lieber gewesen, als mit ihm zu sprechen aber ich versuche die dunklen Gefühle die mich wie eine Welle überkommen zu ignorieren. Es gibt keinen Grund sich Sorgen zu machen, für Abbys Tod trage ich keine Verantwortung. Ich bin es nicht Schuld, dass sie verletzt wurde.
Er stellt sich vor, und ich bin immer noch damit beschäftigt, meinen Atem zu beruhigen und mich auf seine Stimme zu konzentrieren.
"Wie geht es dir?", fragt er dann und mit dieser Frage habe ich nicht gerechnet. Bis jetzt habe ich immer gedacht dass dieser Mann keine Emotionen zulässt, und das er nach meinem Befinden fragt überrascht mich um ehrlich zu sein mehr als ich es zugegeben hätte.
"In angesichts der Tatsachen, geht es mir besser", antworte ich unsicher und kaue nervös auf meinen Nägeln. Eigentlich ist das etwas, was ich mir dringend abgewöhnen sollte, aber in einer Situation wie dieser lasse ich es zu, ohne weiter darüber nachzudenken.
"Das freut mich", reagiert er, und langsam kommt es mir so vor als würde seine Stimme weicher und freundlicher werden. Vielleicht bilde ich es mir auch einfach ein, oder er versucht nur mein Vertrauen zu erlangen um die Ermittlungen voranzubringen. Auch wenn ich keine Schuld trage, bin ich die gesamte Zeit über angespannt und habe das Gefühl etwas verbergen zu müssen. Haben wir nicht alle Geheimnisse, die nur für uns alleine bestimmt sind? Sind es nicht die Mysterien die uns einzigartig machen? Ohne sie wären wir jemand ganz anderes, als wir es eigentlich sind.
Für einen Moment ist es vollkommen still, bis der Inspector wieder das Wort ergreift und die Frage stellt, vor der ich mich die gesamte Zeit über gefürchtet habe.
"Würdest du Jason zutrauen, Abby etwas anzutun?", will er wissen und in diesem Augenblick fühlt es sich so an, als würden sich meine Lungen mit Wasser füllen. Als würde ich jede Sekunde einfach ersticken, ohne dass mich jemand davor bewahren könnte.
"Olivia?", sagt er meinen Namen und eigentlich würde ich nichts lieber tun, als zu antworten doch mein Kopf lässt es nicht zu. Er schreit wie verrückt, dass ich nichts sagen soll.
"Es tut mir leid, aber ich möchte darauf nicht antworten", flüstere ich und bereue meine Worte eine Sekunde später wieder. Wieso fällt es mir so schwer zu sagen dass Jason Abby niemals etwas antuen würde? Ich habe keine Ahnung, was der Grund für meine Zweifel sind und es frisst mich von innen auf, dass ich ihm anscheinend doch nicht vertraue. Auch wenn ich es mir so sehr wünsche.
"Das heißt, du bist dir nicht sicher?", fragt Mister Brown und ich kann mir vorstellen, wie er schadenfroh in die Hände klatsch und sich freut, mich unsicher gemacht zu haben. Ich versuche mich zusammenzureißen, und lege mir meine Worte in Gedanken zurecht. Es fällt mir schwer, aber ich kann nicht zulassen dass er denkt er hätte gewonnen. Deswegen mache ich einen neuen Versuch und ergreife das Wort.
"Jason ist ein guter Mensch. Niemals würde er jemandem so etwas antuen, egal wer es ist. Ich bin mir sicher, dass er sich selbst sogar eher verletzten würde, als jemand anderen sterben zu lassen", sage ich und es fühlt sich falsch an. Jedes verdammte Wort, den die Unsicherheit das er es getan hat, nagt immer noch an mir, auch wenn ich ihm am liebsten einfach glauben würde.
"Danke", sagt der Inspector und erneut macht sich eine unangenehme Stille zwischen uns breit.
"Haben sie noch eine Frage? Ich würde mich gerne ausruhen", bringe ich ein und ich höre wie er am anderen Ende der Leitung tief ein und ausatmet.
"Nein. Gute Besserung Olivia", antwortet er und legt auf. Es geht mir nicht mehr aus dem Kopf, wie er meinen Namen betont hat. Ich kann nicht einschätzen, wieso es sich so seltsam angehört hat, aber ich habe auch keine Kraft mir noch darüber den Kopf zu zerbrechen.
Die Gedanken in meinem Kopf werden immer lauter und langsam schwindet meine Stärke und auch mein Willen, nicht zu weinen. Die Tränen sammeln sich in meinen Augen und als ich es zulasse, laufen sie in Strömen über meine Wangen. Dieses Mädchen hat ihr Leben verloren. Für sie wird es kein morgen mehr geben, und auch ich kann nichts daran ändern. Es macht mich so verdammt wütend, zu wissen das es nicht in meiner Macht liegt.
Aus den Tränen, die ich gerade eben noch vergossen habe werden jetzt laute, verzweifelte Schreie die ich nicht unterdrücke. Ich kann nicht mehr all meine Emotionen zurückhalten. Es steht mir zu, zu weinen und ich darf schreien. Weil es so verdammt ungerecht ist, das dieses Mädchen nie wieder lachen wird. Auch wenn ich sie nie mochte, hätte sie es verdient gehabt zu leben.
Verdammt, wieso? Ich schreie diese Worte, und höre auch nicht damit auf als die Ärzte in mein Zimmer kommen. Sie können mich nicht beruhigen. Wie sollen sie es schaffen, mich zum schweigen zu bringen, wenn ich die Stimme für Abby erhebe. Wenn ich all das schreie, was sie nicht mehr konnte?
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