49.| Grace
Ich bin unheimlich froh darüber, dass Lilly und ich erneut zueinander gefunden haben. Sie war es die mir die Hand gereicht hat. Hätte Grace nicht den ersten Schritt gemacht, wäre es mit uns vermutlich für immer vorbei gewesen.
Das erste mal nach Wochen fühlt es sich wieder so an, als würde ich nach Hause kommen. An einen Ort, an dem ich genau so sein kann wie ich wirklich bin. Lilly schaut mich an, und als ihre Augen mich mustern, kann ich sehen, dass ich mich in ihnen spiegele. Ein riesiges Lächeln ist auf meinen Lippen zu erkennen.
Bis jetzt sind alle im Camp angekommen und verteilen sich wieder auf ihre Zelte. Ich finde es merkwürdig, dass jeder so tut als wäre nichts passiert. Als würde Abby nicht gerade um ihr Leben kämpfen.
Ich sehe, wie alle Teilnehmer miteinander reden, andere sind vollkommen still und versuchen sich den Umständen anzupassen.
Noah steht ganz am Rand und es fühlt sich schrecklich an, dass er gesehen haben muss wie wir uns erneut geküsst haben. Niemals hätte ich ihn so verletzen dürfen.
Noah kommt auf mich zu, und Lilly schaut mich verwundert an. Ich darf nicht erneut zulassen, dass Lilly das Vertrauen in mich verliert. Alles was Noah mit mir besprechen möchte, soll er vor Lilly tun.
"Hey", begrüße ich ihn leise und Noahs Gesichtszüge spannen sich augenblicklich an. Er sieht nicht wütend aus, aber seine Augen schreien mir nur so ins Gesicht dass er enttäuscht ist.
Es ist nicht so, dass ich ihn nicht mehr in meinem Leben haben möchte, ich kann ihn nur nicht mehr lieben und vielleicht habe ich das auch nie getan.
Vielleicht habe ich mich auf all das eingelassen, weil ich jemand gebraucht habe der mich hält wenn ich falle.
Für einen Augenblick sagt niemand von uns ein Wort, und beinahe wird diese Stille unerträglich, bis Noah seine Sprache wiederfindet.
"Grace. Können wir kurz?", fragt Noah und deutet mir seiner Hand auf eine Stelle des Platzes, die etwas abgelegener ist.
Ich schüttele mit dem Kopf und sehe Lilly an. Sie zuckt mit den Schultern und ergreift dann das Wort: "Geh ruhig", sagt sie und erneut fällt ein Stein von meinem Herzen. Nervös gehe ich mit Noah mit, in der Angst dass ich mich erneut erklären muss.
Wie sagt man einer Person dass man keine Gefühle für sie hat? Ich habe keine Ahnung.
Noah scheint ebenfalls deutlich nervös, denn er fährt sich immer wieder durch seine Haare, auch wenn sie nicht im Weg sind. Als ich auf seine Hände schaue, bemerke ich das sie, fast panisch zittern.
"Alles okay?", frage ich ihn und für einen Augenblick antwortet er nicht, ehe er mich beinahe wütend ansieht.
"Grace, wie kannst du so etwas fragen?", will er wissen und streicht sich erneut ein paar Strähnen aus der Stirn. Wir stehen sehr nah am See, und ich habe das Gefühl dass die kleinen Wellen immer stärker und lauter werden, genau wie seine Stimme.
"Noah du kannst jetzt nicht mein Leben lang hinter mir her laufen!", schreie ich und bemerke langsam wie sich die Wut in meinem ganzen Körper ausbreitet.
"Ich liebe dich", flüstert Noah und ich weiß nicht wie ich auf seine Worte regieren soll. Ich kenne ihn vielleicht ein paar Wochen und er meint er kann wissen dass er solche Gefühle für mich hat? Ich denke nicht das das möglich ist.
"Nein wir sollten beide unsere alten Leben weiterleben, so wie früher", sage ich dann und sehe zu Boden. Noah scheint immer noch nicht zufrieden zu sein, und langsam wird mir das Gespräch unangenehm. Wieso versteht er nicht, dass das mit uns vorbei war, bevor es überhaupt begonnen hat?
"Nichts ist mehr wie früher", erwidert er und schüttelt den Kopf, als würde ich absolut keine Ahnung davon haben wovon ich spreche.
"Ich gehe jetzt", sage ich und sehe ihn noch einmal an, bevor ich mich umdrehe und zu Lilly zurückkehre. Sie fragt nicht worüber wir gesprochen haben, und sie verlangt auch keine Erklärung von mir. Sie akzeptiert einfach, dass ich nicht darüber reden möchte.
Dana scheint sich in der Zwischenzeit etwas beruhigt zu haben, denn sie ist es die uns einige Minuten später zum Essen ruft. Ich gehe zusammen mit Lilly in das Gemeinschaftszelt, und das erste was mir auffällt ist der stämmige Mann der ganz vorne am Tisch Platz genommen hat und nun alle Teilnehmer genau beobachtet.
Ich sehe zu Lilly, doch sie scheint nicht bemerkt zu haben, dass dieser Typ uns beobachtet. Dana stellt sich vor uns und langsam beruhigen sich auch die anderen und Stille kehrt ein.
"Hört bitte zu!", ruft Dana in die Runde und augenblicklich richten sich alle Augenpaare auf eine noch immer vollkommen niedergeschlagene Dana.
"Das ist Inspector Brown. Er wird sich mit Abbys Fall beschäftigen, da wir gerade eben die Nachricht erhalten haben, dass Abby...", beginnt sie und mein Herz schlägt auf einmal doppelt so schnell wie noch vor ein paar Sekunden.
Ich kann genau erkennen, wie sehr sich zusammenreißen muss, um nicht erneut in Tränen auszubrechen.
"Sie ist heute verstorben", beendet Dana ihren Satz, kurz bevor ihr Stimme bricht. Für einen Moment ist es still und ich versuche für mich, die eben gesagten Worte zu verstehen aber sie wollen einfach nicht in meinen Kopf.
Wie kann eine Person in so jungen Jahren ihr Leben verlieren? Wie kann so etwas zugelassen werden? Erst jetzt fällt mir ein, wieso dieser Mann hier ist. Sein Blick ist starr und kalt und ich bin mir sicher, dass er von der Polizei kommt.
In einer Ermittlung verwickelt zu sein, kommt mir unreal vor und ich hebe meine Hand um mich zu Wort zu melden. Ich muss irgendetwas sagen. Ich kann nicht einfach zulassen, dass niemand etwas von sich gibt.
"Grace", fordert Dana mich auf und schenkt mir ein leichtes Lächeln welches ich augenblicklich erwidere.
"Ich kann nicht glauben dass ein so junger Mensch sein Leben verloren hat, weil jemand anderes seine Wut auslassen musste. Wer immer ihr das angetan hat, soll sich verdammt nochmal seiner Schuld bewusst sein und es zugeben!" , rufe ich laut und komme mir selbst dämlich dabei vor.
Ich weiß genau, dass niemand der so weit gehen würde, einfach freiwillig gestehen würde Abby einfach so das Leben genommen zu haben. Alle sehen mich an, und ich setze mich wieder stumm. Nur aus dem Augenwinkel kann ich das Nicken von Inspektor Brown erkennen.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro