22.| J a s o n
Es sind Stunden vergangen, seit sie mir gesagt haben, dass sie tot ist.
Ich kann das Wort kaum über meine Lippen bringen, weil es so fremd klingt.
So unrealistisch und falsch.
Als mein Dad damals einfach abgehauen ist, hat es sich nicht wirklich wie ein Verlust angefühlt.
Ich weiß, dass ich anders denken sollte, aber es war eher eine Erleichterung.
Endlich ist meine Mutter frei gewesen und musste sich nicht mehr schlagen lassen.
Ich war damals zu klein um einzugreifen, oder zu verstehen dass das was mein Vater getan hat, falsch war.
Vielleicht hätte ich ihr schon da helfen sollen. Vielleicht hätte sie nicht zum Alkohol gegriffen, wäre nicht in dieses Auto gestiegen und gestorben.
Ihr Leben hätte nicht so enden müssen.
In meinem Kopf schwirren tausende Gedanken, und das einzige was mir einfällt um sie zum schweigen zu bringen, ist eine zu rauchen.
Ich weiß, dass ich eigentlich die Finger von dem Zeug lassen sollte, aber heute kann ich nicht anders.
Meine zittrigen Finger durchsuchen die Schubladen unsere Küche, den meine Mutter hat sowieso nie gekocht.
Sie hätte die Zigaretten nie gefunden, und wenn doch wäre es ihr ziemlich egal gewesen.
"Verflucht." , schimpfe ich und schmeiße die erste Schublade wieder zu.
Ich kann die Zigaretten nicht finden, und werfe mich aufgebracht auf die dreckige Couch in unserem Wohnzimmer.
Sie ist aus altem, ausgewetzten Leder und riecht nach Rauch und Wodka.
Ziemlich widerlich, denke ich und greife nach meinem Handy.
Ich habe einige verpasste Anrufe und eine neue Nachricht.
Sie ist von meiner Therapeutin, und als ich ihre Nummer auf dem Display aufleuchten sehe, wandern meine Gedanken augenblicklich zu der gestrigen Nacht.
Ich kann es nicht genau beschreiben, aber diese Nacht war verrückt.
Ich habe eine neue Person in meinem Leben dazugewonnen, und eine andere verloren.
Es ist so widersprüchlich, dass ich lachen muss.
Ich sehe mir die Nachricht an. Sie will sich treffen, und als ich verstehe, dass sie außerhalb der Therapiezeiten meint, macht mein Herz einen Sprung.
Ich weiß, dass es eigentlich falsch ist, aber vielleicht ist es genau deswegen so fesselnd.
"Ich kann vorbei kommen." , schreibe ich ihr zurück und werfe mein Handy neben mich, auf das alte Sofa.
Es vergeht keine Minute, da beginnt es erneut zu vibrieren. Eine neue Nachricht.
Ich sehe auf den Display, und muss grinsen.
Dann stehe ich auf und gehe ins Badezimmer.
Ich style meine dunklen Haare ordentlich nach hinten und schenke meinem Spiegelbild ein freches Grinsen, ehe ich mir meine Lederjacke überwerfe und mich auf den Weg mache.
Ich muss mein Motorrad nehmen, den unser einziges Auto befindet sich in der Schrottpresse.
Viel ist nicht mehr von ihm übrig geblieben, und aus irgendeinem Grund bin ich unheimlich froh darüber.
Ich kann mir nicht vorstellen, mit einem Auto zu fahren, in dem eine andere Person verunglückt ist.
So viel Gefühl der Moral besitze ich noch, und bin selbst überrascht davon.
Ich fahre so schnell ich kann, denn am besten wäre es, nicht gesehen zu werden.
So weit ich weiß, kann es schwere Konsequenzen geben wenn man eine Affäre mit seiner Therapeutin eingeht.
Ich weiß, dass es welche gibt, nur welche ist mir schleierhaft.
Vielleicht ist es besser so, denn ich denke wenn ich es wüsste, würde ich diese ganze Aktion schnell wieder vergessen.
Ich habe auch so schon genug Schwierigkeiten. Mehr brauche ich momentan wirklich nicht.
Das Haus meiner Therapeutin, liegt relativ abgelegen, und ich beeile mich mein Motorrad zu parken und schnell zur Türe zu eilen.
Immer wieder sehe ich mich um, als wäre ich in einem Film und die Mafia hinter mir her.
Überraschender Weise ist sie das nicht.
Ich klingele und wenige Sekunden später öffnet mir Sophie auch schon.
Sie trägt ein enges Kleid, und ihre Haare hat sie aufwendig zu einem Dutt hochgebunden.
Ich fühle mich augenblicklich fehl am Platz, denn ich habe nichts anderes an, als Jogginghose und Shirt.
"Hi." , sage ich als würden mir diese Umstände nichts ausmachen.
Sophie lächelt strahlend und winkt mich herein.
"Komm rein.", sagt sie und greif nach meinem Arm um mich in ihre Wohnung zu ziehen.
So weit ich weiß, lebt sie alleine und konzentriert sich auf ihre Arbeit.
"Schön dich wieder zu sehen...", beginne ich, doch Sophie beginnt bereits, mich zu küssen.
Ihre Lippen sind weich und obwohl das ganze hier so verdammt verboten ist, kommt es mir aus irgendeinem Grund richtig vor.
Sophie verhält sich ruhig, doch ich bin mir sicher dass sie das Ganze nur vortäuscht, denn eigentlich macht auch sie sich Sorgen.
"Wir können auch einfach..." , sage ich doch bevor ich meinen Satz beenden kann, klingelt es an der Türe und ich zucke augenblicklich zusammen.
Ich weiß nicht warum, aber ich habe direkt die schlimmsten Szenarien vor meinen Augen, Polizisten die uns verhaften.
Ich eile in eines der freistehenden Zimmer, und versuche zu verstehen mit wem Sophie spricht.
Ich höre eine Stimme, und dann meine Therapeutin, die irgendetwas erwidert.
Sie sprechen leise, beinahe flüsternd.
"Sophie ? Alles okay?" , rufe ich und hoffe darauf, dass mir das später keine Probleme bereiten wird.
Es wird still, und für einen Augenblick habe ich das Gefühl, die Zeit wäre stehen geblieben.
"Klar." , höre ich Sophies Stimme, doch sie klingt panisch.
Ich bin mir sicher, dass irgendetwas nicht stimmt und komme aus dem Zimmer heraus, um nach Sophie zu sehen.
Sie steht im Türrahmen gelehnt, vor ihr ein kräftiger Typ.
Er ist stämmig und seine braunen Haare fallen ihm locker in die Stirn.
Ich sehe gut aus, doch ich war mir nicht dessen bewusst, dass in London jemand rumläuft, der besser aussieht als ich.
"Wer ist das?" , fragt er nun und zieht eine Augenbraue perfekt nach oben.
Es sieht in keinem Fall merkwürdig aus, sondern lässt ihn noch perfekter wirken.
"Nicht so wichtig." , flüstert Sophie und lächelt angespannt.
Anscheinend ist es das doch, denn der Typ der sich als "Kyle" vorstellt, kommt nun auf mich zu.
Er sieht mich an, als würde er mich jede Sekunde zerquetschen, ohne sich auch nur anstrengen zu müssen.
"Hi. Keinen Stress, okay?" , sage ich locker, doch es klingt eher wie eine jämmerliche Bitte.
"Lass gut sein, Ky." , wendet Soph ein, und in ihrer Stimme schwingt Angst mit, die sich auch langsam in mir ausbreitet.
"Wer ist das?" , wiederholt Kyle erneut und macht sich noch größer. Er überragt mich um ein gewaltiges Stück.
"Mein Patient." , sagt Sophie und fügt ein schüchternes "bitte geh." , hinzu.
"Er ist lächerlich." , sagt Kyle und sieht mich abwertend an.
Ich fahre mir nur locker mit den Fingern durch mein Haar, schenke dem Musketier jedoch keine Aufmerksamkeit.
Dann sehe ich meine Therapeutin an, die sich klein gemacht hat, und in einer Ecke der Türe steht.
Fast sieht es so aus, als würde sie zittern.
"Wer bist du denn?" , frage ich nun und versuche, meine Stimme möglichst entspannt klingen zu lassen.
"Ich bin ihr Freund." , sagt Kyle nun und ich schlucke schwer.
Verdammt. Eine Minute früher und er hätte und gesehen.
Ich will mir nicht vorstellen, was dann passiert wäre.
"Cool." , sage ich trocken und zucke mit den Schultern, ehe ich aus der Türe verschwinde.
Ich bin hier nicht wirklich erwünscht.
"Wir sehen uns." , rufe ich Sophie zu und werfe die Türe hinter mir zu.
Dann verschwinde ich nach Hause.
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