20.| N o a h
Ich parke den Wagen vor der Klinik und ziehe den Schlüssel aus dem Zündschloss.
Das Mädchen aus dem Club liegt immer noch hinten, und Grace sieht schüchtern zu Boden.
"Lass uns reingehen." , schlage ich vor und öffne die Wagentüre.
Dann laufe ich auf die andere Seite und reiche Grace die Hand, damit sie aussteigen kann.
Grace lächelt mich zurückhaltend an, greift dann aber nach meiner Hand und kommt aus dem Wagen.
Es ist lange nicht mehr düster, denn die Sonne scheint langsam aufzugehen.
Nervös sehe ich auf mein Handy. Es ist halb drei.
Ich sehe, dass Grace nach hinten geht und versucht Lilly zum Bewusstsein zu bringen, doch diese reagiert nicht.
Grace beginnt zu weinen, ihre Augen füllen sich in sekundenschnelle mit Tränen und sie bricht mitten auf dem Parkplatz zusammen.
Ohne weiter darüber nachzudenken, knie ich mich neben sie.
Meine Hand findet erneut ihre und Grace versucht ein und auszuatmen, doch selbst das scheint ihr unendlich schwer zu fallen.
"Es wird alles gut." , flüstere ich und stehe auf.
Grace bleibt auf dem Boden sitzen, verloren und gebrochen.
Ich laufe los, zum Krankenhaus auf der Suche nach Hilfe.
Noch ist es nicht zu spät, denke ich und spreche einen Pfleger an.
Ehe ich mich versehe, bricht eine unerträgliche Panik aus.
Die Menschen eilen zu meinem Wagen, zerren Lilly von der Sitzbank, in der Hoffnung sie noch retten zu können.
Das laute Geschrei und die Anweisungen, nehme ich verschwommen wahr, denn es bricht mir das Herz zu sehen, wie sehr Grace unter diesem Anblick leidet.
Ihre Augen sind rot unterlaufen, die Tränen stoppen seit Minuten nicht mehr und ihre Haare fallen ihr ungebändigt in die Stirn.
Immer wieder höre ich hilflose Schluchzer aus ihrer Lunge dringen.
Sie weint so sehr, dass man Bäche mit ihren Tränen füllen könnte.
Die Ärzte kommen auf uns zu, Lilly liegt abseits in den Armen eines Pflegers.
"Ihr Herz schlägt nicht mehr. Wir müssen versuchen sie wiederzubeleben." , sagt einer von ihnen.
Mich beunruhigt die Hoffnungslosigkeit, die in seiner Stimme mitschwingt.
Lilly wird in die Klinik gebracht, die Panik umgibt sie wie eine Mauer, undurchdringlich und überwältigend.
Auf dem Parkplatzt bleiben nur Grace und ich zurück, und unser beiden Angst.
Graces Körper bebt und zittert unter all dem Ballast, der gerade auf ihren Schultern zu lasten scheint.
Ich würde alles geben, ihr diesen Schmerz zu nehmen.
Ich kenne sie nicht, und dennoch habe ich das Gefühl, mich um sie sorgen zu müssen.
"Sie wird doch nicht..." , beginnt Grace, doch ihre Kraft reicht nicht aus um den Satz zu beenden.
Ich schüttele den Kopf, und setze mich näher zu Grace, die ängstlich zusammen zuckt, was mich aus irgendeinem Grund mitten ins Herz trifft.
"Du brauchst keine Angst zu haben." , sage ich und versuche meine Stimme stark klingen zu lassen, auch wenn ich es gerade nicht bin.
"Ich weiß. Es ist nur..." , beginnt sie doch ich unterbreche sie.
"Gut." , sage ich und greife erneut nach ihrer Hand.
Es fühlt sich richtig an, und Grace entspannt sich.
"Wirklich schön dich kennenzulernen. Grace." , sage ich und lächele.
Grace nickt.
Ich glaube sie weiß, dass sie mir bereits jetzt unheimlich viel bedeutet.
Vielleicht sogar mehr, als ich zugeben mag.
Die Sonne ist aufgegangen und die Vögel singen, als sei nie etwas gewesen.
Als würde ein junges Mädchen nicht um ihr Leben kämpfen.
Es ist ironisch und geschmackslos, aber aus irgendeinem Grund schenkt es mir Hoffnung.
Ich höre mein Handy klingeln, doch drücke den Anruf weg.
Mir fehlt die Ruhe und Geduld, jetzt zu telefonieren.
Grace und ich warten seit Stunden auf irgendeine Art von Reaktion der Ärzte.
Wir haben keine Ahnung, wie es Lilly geht oder was gerade in der Klink passiert.
Wir haben nur uns.
Und dazwischen die gesamte Angst mehrerer bedrückender Stunden.
Grace schreckt hoch, als sie einen der Ärzte aus der Klinik auf uns zu laufen sieht.
Sein Gesichtsausdruck ist vollkommen emotionslos und ich weiß nicht, was er uns nun mitteilen wird.
Er kommt auf uns zu, und reicht uns die Hand.
In einem Film würden die Darsteller nun in Tränen ausbrechen und sich umarmen.
Aber das hier ist kein Film, sondern das wahre Leben.
"Sie hat es geschafft." , sagt er und lächelt.
Er scheint genauso erleichtert, wie wir es tatsächlich sind, denn Grace bricht erneut in Tränen aus.
Diesmal sind es keine Tränen der Angst oder Panik, sondern Tränen die sie aus Freude weit.
Aus Dankbarkeit und Erleichterung.
"Sie lebt." , sagt Grace und sieht mich an.
Ihre Augen leuchten.
Sie sind hell und strahlend, und bringen meinen Herzschlag zum stolpern.
"Sie lebt." , flüstert Grace erneut.
Dann kommt sie auf mich zu, und das nächste was ich spüre, sind ihre weichen Lippen auf meinen.
Eine Sekunde später, reißt sich Grace auch schon wieder von mir los.
"Verdammt, ich wollte nicht.." , sagt sie und senkt ihren Blick.
Der Arzt ist schon längst verschwunden, dennoch fühle ich mich ertappt.
"Es ist okay." , sage ich und komme Grace näher.
Meine Augen spiegeln sich in ihren wieder und ich spüre ihren warmen Atem auf meiner Haut.
"Du bist wunderschön." , flüstere ich und küsse sie.
Grace zuckt zurück.
"Du verstehst nicht." , beginnt sie und ich schüttele den Kopf.
"Ich liebe Lilly." , sagt sie nun und mir wird klar, was ich gerade getan habe.
Ich versuche mich zusammenzureißen, aber ihre Worte werfen mich stärker aus der Bahn, als ich erwartet habe.
Ohne darüber nachzudenken, laufe ich zurück zu meinem Wagen.
Grace lasse ich alleine auf dem Parkplatz stehen.
Sie sieht mich noch ein letztes mal an, ehe sie mir ein "Es tut mir leid." , hinterher ruft.
Ich weiß nicht, was genau mich so wütend macht.
Vielleicht ist es das Gefühl der Eifersucht, dass mich zur Weißglut treibt.
Ich setzte mich in meinen Wagen und starte den Motor, ehe ich vom Parkplatz fahre, um nach Hause zu kommen.
Meine Gedanken sind laut und wütend.
Ich hätte niemals gedacht, dass mich Graces Worte so sehr aus der Fassung bringen würden.
Sie war nur ein Mädchen, die ich bis vor ein paar Stunden nicht einmal kannte.
Und dennoch hat sie etwas Besonderes an sich, dass ich nicht erklären kann.
Sie brachte mich dazu, zu fühlen.
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