ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 41 - ᴅᴀs ᴇɴᴅᴇ
Aaron lehnte mit dem Kopf an der Scheibe des Wagens. Sein Körper rüttelte leicht hin und her, während sie sich den Weg über eine schlecht verarbeitete Straße bahnten. Drei Tage war es jetzt her, dass sein Leben endgültig zerbrach. Es war nicht so, als wären die letzten Jahre glanzvoll gewesen, aber in dieser Zeit musste er sich nur mit seinem eigenen Elend auseinandersetzen. Schweigend hatte er die Schläge von Killian ertragen. Seine Erpressungen und die Demütigungen, die diese mit sich brachte. Er ertrug die Eskapaden von Derek und Maik, die ihn in Kämpfe schickten oder ungeliebte Aufgaben von Killian auf ihn übertrugen.
All das für wenige Minuten der Freiheit, und um seine Mutter in Sicherheit zu wissen. Mit all der Ungerechtigkeit hatte er sich arrangiert, sich damit abgefunden. Es als erträglich erachtet. Doch jetzt, als er zusehen musste, wie das Leben von Freya und Liam vor seinen Augen zerbrach, fühlten sich die vergangenen Jahre und ihre Hürden wie Nichtigkeiten an. Er trug die Schuld. Er allein.
Hätte er sie vorab gewarnt. Ihnen einen kleinen Hinweis gegeben, dann hätten sie den Ausgang der Geschichte vielleicht verändern können.
Was taten sie gerade? Trauerten sie um ihre Eltern? Waren sie bereits auf der Jagd nach Killian? Gott, er hoffte nicht. Auch wenn er es verstehen konnte, doch das durfte nicht passieren. Killian durfte nichts passieren, denn wenn er starb, würde er auch seine Mutter verlieren. Das hatte er die letzten drei Tage mehr als deutlich gemacht.
Sie waren von der Scheune quer durch das Land gefahren. Hatten Haken geschlagen und sind schließlich in einen alten heruntergekommen Motel gestrandet. Aaron war sich sicher, dass Killian alles dafür getan hatte, seine Spuren restlos zu verwischen. Deswegen wunderte es ihn auch nicht, dass das nächste Ziel ein privater Flughafen war. Sie würden das Land verlassen. Für immer.
Aaron seufzte und richtete seinen Blick auf die Umgebung. Es war noch früh am Morgen. Es würde noch eine Weile dauern, bis die Sonne über den Horizont stieg und den Dunst der Nacht verdrängte. Das Verlangen Freya zumindest eine letzte Nachricht zu schicken, brannte in seiner Brust. Doch Killian hatte weder die Handys der Zwillinge noch sein eigenes überleben lassen. Sie zersprangen direkt noch an der Scheune unter der Last des schweren Wagens.
Er legte den Kopf in den Nacken, denn wenn er ehrlich zu sich selbst war, machte es keinen Unterschied, denn auch wenn er die Möglichkeit gehabt hätte ein letztes Mal Kontakt zu ihr aufzunehmen, wäre es vergeblich gewesen.
Sie hatte ihn nachweislich bereits in der Scheune aus ihrem Leben gelöscht und er konnte es ihr nicht mal verübeln.
Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis der Wagen vor einen kleinen Anker zum Stehen kam. Derek war mittlerweile wach und starrte immer wieder auf sein Telefon.
»Ich versteh es nicht. Warum können wir nicht warten, bis wir Mike endlich gefunden haben.«
Killian rollte die Augen. Seit drei Tagen führte er diese Diskussion. Er trat neben Derek und sah ihn dunkel an.
»Ich erkläre dir das jetzt ein letztes Mal. Er ist entweder tot oder hat sich verpisst. Bete für Ersteres anderenfalls werde ich ihn eine Kugel durch seinen verdammten Schädel jagen.«
Derek schluckte. Es war nicht so, als wüsste er nicht, dass Mike nur tot sein konnte. Er hätte ihn nicht im Stich gelassen. Sie waren Brüder. Und dennoch. Ohne die Gewissheit, über sein Verbleiben, fühlte es sich falsch an, das Land zu verlassen.
»Können wir jetzt?«, raunte Killian ihm zu.
Derek sah sich ein letztes Mal um, folgte Killian und Aaron dann aber widerwillig.
Eine junge Dame nahm sie in Empfang und führte sie in das Kleinflugzeug. Es bot Platz für zehn Personen. Also mehr als ausreichend für Aaron, Killian, Derek und dessen Bodyguard, der auch den Wagen gefahren hatte.
Aaron ging zum hinteren Ende des Flugzeuges und nahm auf einen der Sitze platz. Der Pilot hatte sie nicht beachtet, saß aber bereits im Cockpit. Die junge Dame stieg als letzte in das Flugzeug. Ihre braunen Haare legten sich sanft über ihre Schultern, als sie sich zu dem Piloten lehnte und ihm etwas zuflüsterte.
Er nickte. Ein leichtes Lächeln umspielte ihren Mund, als sie mit festen Schritten durch den Gang lief, den Blick fest auf Aaron gerichtet. Er beobachtete sie und irgendwas an ihr passte nicht. Es war nicht der erste Flug, den er hinter sich brachte. Auch war er es gewohnt, dass sie sich fernab von großen Flughäfen bewegten und trotzdem legte sich eine Anspannung auf seinen Körper und ein bitteres Gefühl prickelte durch seinen Magen.
Er sah es, doch er konnte es nicht greifen.
Erst als sie vor ihm stehen blieb und ihm zu zwinkerte, verstand er es. Sie kannte ihn, doch diese Erkenntnis kam zu spät.
»Runter«, murmelte sie.
Und schon brach das Chaos aus. Ein erster Schuss zerriss die Luft und Aaron sah noch wie der Schädel des Bodyguards durchschlagen wurde. Aaron zog den Kopf ein und suchte Schutz hinter dem Sitz.
Sekunden später drückte der Pilot seine Waffe an die Stirn von Killian und die junge Frau hielt ihre an Dereks Schläfe.
»Alles gut, Schatz?«, fragte der Pilot, während er den Knopf seines Hemdes löste.
Sein Halstattoo kam zum Vorschein. Ein schwarzer Tierschädel, hinter dem sich zwei blutrote Klingen kreuzten und von zwei Kleeblättern umrahmt wurden.
»Könnte nicht besser sein«, erwiderte die Frau.
Killians Augen funkelten vor Wut.
»Was soll das? Wer seid ihr?«
Ein dunkles Lachen ging durch den Raum.
»Dein Ernst? Du fragst, wer wir sind?«
Die Frau zog eine Braue nach oben.
»Freya hatte doch erwähnt, dass er nicht die hellste Kerze ist.«
Ehe Killian begriff, dass sie in eine Falle gelaufen waren, grinste Finn und ließ seine Waffe gegen dessen Schläfe gleiten. Ebenso, wie Franzi es bei Derek tat.
»Es tut mir leid, aber euer Flug wurde soeben storniert«, gab sie lachend von sich, bevor sie die Waffe anhob, sich herumdrehte und auf Aaron zielte.
»Blöde Idee, Schätzchen«, raunte Franzi und sofort ließ Aaron den Feuerlöscher fallen, mit welchen er sie gerade niederstrecken wollte.
Freya saß auf der Terrasse ihres Hauses. Der leichte Dampf ihres heißen Kaffees stieg ihr ins Gesicht und legte sich sanft auf ihrer Haut ab. Das Gelände vor ihr lag noch in der Stille des Morgens. Sie genoss diesen Moment, denn sie wusste, er würde nicht ewig anhalten. Sie schloss die Augen und spürte in ihren Körper. Ein dumpfer Schmerz pulsierte durch diesen, doch Tom hatte recht behalten. Sie hatte nur oberflächliche Blessuren davon getragen. Nichts, was sie in wenigen Tagen noch beeinflussen würde.
Ihre Seele hingegen hatte einen tiefen Riss davon getragen.
Verrat. Hass. Rache.
Emotionen, die ihre Gedanken benebelten. Doch heute war der Tag, an dem sie sich von diesen befreien würde, und das sorgte dafür, dass langsam Zufriedenheit in ihr aufkeimte.
Liam trat neben sie und ließ seinen Blick schweifen.
»Er stinkt«, raunte er und sah zu dem leblosen Körper, der auf der Mitte des Hofes lag.
Freya schmunzelte, als auch ihr Blick zu dem verwesenden Maik wanderte.
Der unverkennbare Geruch der Verwesung lag auf dem Gelände. Beißend, wie Benzin durchzogen mit einer süßlichen Note, die an Kakao erinnerte, fraß er sich in deren Schleimhäute.
»Ja, Doug hat schon gefragt, ob er Duftkerzen aufstellen darf.«
Liam lachte.
»Nun, er durfte wohl nicht.«
»Nein, wir wollen unseren Gästen doch einen würdigen Empfang bereiten.«
»Ist ja widerlich«, raunte Tom, der mit vorgehaltener Hand zu ihnen trat.
Freya hob die Braue und sah Tom über ihre Schulter hinweg an.
»Solltest du nicht am besten mit diesem Geruch klarkommen?«
Tom verzog das Gesicht und zündete sich schnell eine Zigarette an.
»Ich arbeite für gewöhnlich mit lebenden Menschen. Ja, die riechen auch nicht alle nach einem Blumenfeld, aber das erinnert mich an den Zyklus.«
Galle stieg ihm auf, als er an die Nacht in der Grube mit den Leichen dachte. Der für ihn wohl schlimmste Part des Ganzen.
Liam lachte auf.
»Stimmt, du hast drei Tage danach noch über der Schüssel gehangen.«
Tom rollte mit den Augen und versuchte so flach wie möglich zu atmen.
Freya schüttelte den Kopf, doch gerade als sie etwas erwidern wollte, sprang das Tor auf und ein schwarzer Van fuhr auf den Hof.
Schlagartig spannte sich Freya an. Sie stand auf, stellte ihre Kaffeetasse auf den Tisch und atmete tief ein.
»Es geht wohl los. Bereit?«, fragte Liam, dem seine plötzliche Anspannung ebenfalls anzuhören war.
»Schon seit drei Tagen.«
Tom drückte seine Zigarette aus und stellte sich neben die Zwillinge. Wie eine Mauer des Hasses standen sie auf der Terrasse und sahen dabei zu, wie Finn und Franzi aus dem Auto stiegen und ihnen zunickten.
Die drei genossen den Moment, als Finn und Franzi die Mörder ihrer Eltern aus dem Kofferraum zerrten und sie mit einer Waffe am Kopf neben den Wagen stellten. Gefesselt an Händen und Füßen mit geknebeltem Maul blieben Killian und Derek nichts anderes übrig, als mit hasserfülltem Blick auf die Terrasse zu starren.
»Was ist mit Aaron?«, fragte Liam.
Franzi rollte mit den Augen.
»Gefesselt und mit gestopftem Maul auf der Rücksitzbank. Sonst hätte ich ihm persönlich eine Kugel in seinen verdammten Schädel gejagt«, erwiderte Franzi, was Finn auflachen ließ.
»Ja, wir hatten schon entspanntere Reisen«, bestätigte Finn.
Liam sah zu seiner Schwester.
»Wird Zeit, diese Scheiße zu beenden.«
Diese nickte zustimmend und sah zu Tom.
»Kümmer dich um Aaron. Den Rest erledigen wir.«
Ohne zu zögern, sprang Tom von der Terrasse und lief auf den Wagen zu. Liam und Freya folgten diesem und blieben vor Derek und Killian stehen. Gleichzeitig nahmen sie deren Knebel ab. Freya fixierte die beiden. In ihren Augen funkelte der pure Hass. Sie neigte leicht den Kopf und ein gehässiges Grinsen legte sich in ihr Gesicht.
»Na dann willkommen zu eurem Ende.«
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