ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 36 - ᴀʟʟᴇs ғüʀ ᴅɪᴇ ғᴀᴍɪʟɪᴇ
»Irischer Hurensohn«, murmelte Liam kaum hörbar und richtete seinen Blick sofort auf Freya.
Killian trat näher an die Gitterstäbe und musterte Liam.
»Möchtest du deine Worte wiederholen? Ich glaube, ich habe sie missverstanden.«
Doch Liam reagierte nicht auf seine Provokation. Ebenso wenig, wie Freya. Die Geschwister hingen sich gegenüber und hatten ihre Blicke fest aufeinander gerichtet. Ein leichtes Zucken huschte über Killians Mundwinkel. Er hasste nichts mehr als Ignoranz. Doch so leicht würde er sich nicht aus der Ruhe bringen lassen.
»Derek«, schnauzte er durch die Scheune und schon trat sein Handlanger hinter ihn.
Freya und Liam rührten sich nicht. Die Blicke fest ineinander geworben begannen sie damit ihre Umgebung auszublenden.
»Nun, ihr müsst sicher eine Menge Fragen haben. Ich bin gewillt einige davon zu beantworten«, gab Killian großspurig von sich.
Schweigen.
Mit geballten Fäusten trat Killian so nah an das Gitter, dass seine Nase beinahe das kalte Eisen berührte. Sein Puls schoss bereits jetzt unkontrolliert in die Höhe und zu schnell verstand er, dass sein Plan in der Realität schwieriger werden konnte als gehofft.
Er hielt den Impuls, gegen die Gitter zu schlagen, stand und trat einige Schritte zurück.
»Ihr wollt also nicht reden. Das werdet ihr noch, aber dazu später. Solange ihr euch in sinnloses Schweigen hüllt, könnt ihr meiner lieblichen Stimme lauschen.«
Er stoppte erneut. Doch nichts passierte. Liam und Freya schienen nicht mal mehr zu blinzeln. Angesäuert räusperte er sich und setzte zum nächsten Versuch an.
»Ich denke, ihr wisst bereits, dass es hierbei eigentlich nicht um euch persönlich geht und auch nicht um eure Erzeuger.«
Sein Blick wanderte zu Freya, während er seine Hände hinter dem Rücken verschränkte und langsam durch den dunklen Gang auf und ab schritt.
»Ich habe mehr Interesse an euren Großvater. Dem sagenumwobenen Collin Shield.«
Eine theatralische Pause folgte. Killian war sich sicher, dass er mit dieser Information eine Reaktion der beiden hervorrufen würde, doch er bekam nicht mal ein Zucken geschenkt.
Zähneknirschend stellte er sich wieder zwischen die beiden Zellen und sah von Liam zu Freya.
»Gut. Kommen wir also direkt zu dem interessanten Thema. Ich hätte gern die Telefonnummer eures Großvaters.«
Schweigen.
Derek trat an Killian heran und flüsterte ihm etwas zu, was Killian nur genervt aufstöhnen und abwinken ließ. Er hielt einen weiteren Augenblick inne. Er war ihnen überlegen, aber er hatte es hier immerhin mit Sprösslingen der Shields zu tun.
Ein gehässiges Lächeln schoss ihn über die Lippen.
»Nun gut. Ich muss schon sagen, ihr habt mich überrascht. Die Augenzeugen so schnell zu finden und dann auch noch verschwinden zu lassen. Respekt. Ich hätte wissen müssen, dass ich es euch zu einfach gemacht habe. Deswegen musste ich Aaron mit ins Spiel holen.«
Killian drehte sich zu Freya und starrte sie direkt an.
»Du musst nicht sauer auf Aaron sein. Er hat deinen Hass nicht verdient. Er konnte nicht anders und er hat auch nicht gelogen. Sein Wissen um mein Handeln, war praktisch nicht vorhanden. Er wusste auch nicht, dass Derek bereits bei der Party auf euch gewartet hat. Ihr mögt euch, oder?«
Killian lachte auf und sah im Augenwinkel zu Aaron, der immer noch in der hintersten Ecke seiner Zelle stand.
»Also Aaron mag dich auf jeden Fall. Sein kleines Herz scheint fast nur noch für dich zu schlagen«, säuselte Killian.
Wieder richtete er seine Aufmerksamkeit zu Freya, doch die starrte weiter ausdruckslos auf Liam.
Ein lautes Knallen ging durch den Raum, als Killian die Kontrolle über sich verlor und auf Höhe von Freyas Gesicht gegen die Eisengitter schlug.
Ein kurzes Zwinkern war ihre Antwort darauf.
Killian knurrte und schlug erneut mit der flachen Hand gegen die Streben.
»Ihr haltet euch für wahnsinnig schlau, oder? Wisst ihr. Es wäre alles viel einfacher, wenn eure verdammten Handys gesichert wären, wie bei normalen Menschen. Aber euer Großvater hat ausgezeichnete Arbeit geleistet. Fingerabdruck. Zu einfach. Der reagiert auch auf abgetrennte Finger. Ebenso die Gesichtserkennung. Der ist es egal, ob tot oder lebendig, solange die Biometrie stimmt.«
Wütend drehte er sich zu Liam.
»Nein. Ein verdammter Pin. Eine Zahlenkombination. Festgefressen in euren Schädeln.«
Killian presste die Lippen aufeinander und trat wieder zurück.
»Ihr habt jetzt die Chance zu reden.«
Freya und Liam starrten sich weiter leer an. Längst waren ihre Gedanken an einem anderen Ort und verweilten in seliger Ruhe. Die Worte von Killian liefen wie ein leises Wispern an ihnen vorbei. Sie trugen keine Bedeutung und lösten keine Emotionen in ihnen aus.
»Gut, ihr habt es nicht anders gewollt. Derek«, gab Killian mit einem kurzen Nicken von sich und wandte sich von den Zwillingen ab.
Derek lief mit einem breiten Grinsen auf die Box von Liam zu und erst, als er dessen Tor bereits geöffnet hatte, stoppte Killian ihn.
»Nein. Nimm sie!«
Derek sah seinen Boss irritiert an.
»Aber sie wird eher nachgeben, wenn sie ihren Bruder leiden sieht.«
Killians Blick wanderte ein letztes Mal zwischen den Geschwistern hin und her.
»Nein, wird sie nicht.«
Derek zögerte noch einen Moment, aber der Zorn in Killians Augen tobte und so schob er die Tür von Liams Zelle wieder zu und lief stattdessen zu Freya. Unter leisem Quietschen schob er das Tor auf und stellte sich neben sie.
»Letzte Chance zu reden, Püppchen«, raunte er, während er ein Brecheisen aus seinem Hosenbund zog.
Freyas Augen ruhten weiterhin auf Liam. Ihr Puls stieg kaum an. Liam hingegen schien wieder im Hier und Jetzt anzukommen. Sein Blick klärte sich und er erfasste Derek und das drohende Brecheisen in seiner Hand. Sofort schoss sein Blick wieder zu Freya. Sie starrte immer noch völlig emotionslos in die Leere vor sich.
Killian hatte soeben den Fehler seines Lebens begangen und hatte nicht den Hauch einer Ahnung davon.
»Den Pin«, forderte Killian.
Nichts.
Ein Nicken ließ Derek ausholen und das schwere Eisen schlug unmittelbar in Freyas Oberschenkel ein. Ein leichtes Taumeln ging durch ihren Körper, als hätte sie den Schlag kommen sehen. Ihre Beinmuskeln waren bis zum Zerreißen angespannt. Doch mehr als ein stärkeres Einatmen war nicht zu vernehmen.
»Noch mal«, ertönte Killians Stimme und schon rammte Derek das Eisen auf dieselbe Stelle.
Liam vernahm das Beben von Freyas Nasenflügeln und das leichte Zittern ihres Körpers.
»Bleib, wo du bist. Hörst du. Du schaffst das«, flüsterte Liam leise, was Killian ein leichtes Lächeln ins Gesicht trieb.
»Weiter«, forderte dieser sofort.
Derek zögerte nicht, doch diesmal setzte er den Schlag höher. Ein leises Knacken folgte dem dumpfen Aufschlag, als das Brecheisen auf Freyas ungeschützte Rippen traf.
Diesen Schlag konnte sie unmöglich abfangen. Ihr Körper wollte unter der Last des Einschlages nachgeben, doch ihre gefesselten Arme ließen es nicht zu. Ein reißender Schmerz schoss durch ihre Schultern und schon starrte Liam in vor Hass funkelnde Augen.
Zaghaft schüttelte er den Kopf.
»Nein. Freya, bleib hier. Sieh mich an«, raunte Liam verzweifelt.
Freyas Körper bebte. Nicht vor Schmerz. Es war der blanke Hass, der sich durch ihre Venen schob und endlich freigelassen werden wollte. Sie spürte, wie sich das Verlangen danach in ihr ausbreitete und jede Sekunde, die sie damit verbrachte Liam anzustarren, kostete sie mehr Kraft, als dem Schmerz standzuhalten.
»Bleib bei mir. Verstanden?«
Liam legte den Kopf zur Seite und drückte seinen Hals unnatürlich hervor.
»Sieh hin«, röchelte er leise.
Freya starrte auf die pulsierende Ader.
Poch ... Poch ... Poch ...
Sie versuchte sich, den Ton seines schlagenden Herzens in Erinnerung zu rufen, und nach wenigen Augenblicken, nahm das Verlangen in ihr ab. Doch ehe ihr aufsteigender Puls sich langsam beruhigen konnte, holte Derek erneut aus und das Brecheisen landete frontal in ihren Magen.
Freya krümmte sich, soweit ihre brennenden Schultern es zuließen, gleichzeitig riss sie den Kopf nach oben und Liam wusste, er hatte verloren. Im selben Atemzug schlang Freya ihre kalten Hände um die Eisenkette und zog sich mit Schwung nach oben. Die Schmerzen, die durch ihren Körper pulsierten, waren in den Schatten ihres Hasses gerutscht. Ehe Derek wusste, was vor ihm geschah, schlug Freyas Knie in seinem Kiefer ein. Er taumelte und versuchte zurückzuweichen, doch er war zu langsam. Freya hatte bereits ihr anderes Bein um seinen Nacken gelegt und ließ ein weiteres Mal ihr Knie in seinem Kiefer einschlagen.
Das Knacken seines brechenden Kiefers war nicht zu überhören und während er bewusstlos zu Boden fiel, ließ Freya ihre Beine langsam wieder auf den Boden gleiten. Ihr Puls raste. Die Schmerzen rollten wie ein Feuerball durch ihren Körper. Zu stark war die Belastung ihrer Schultern gewesen. Der Hass verschwand langsam und mit seinem Abtreten, vernahm sie das ganze Ausmaß ihres verletzten Körpers. Übelkeit stieg ihr auf, während sich der Geschmack von Blut in ihrem Mund ausbreitete. Langsam zog sie die Luft in ihre Lungen und bekam als Antwort ein Brennen, welches sich bis in ihr Mark fraß.
Schmerzverzogen richtete sie den Blick auf Liam und sofort erstarrte sie.
Killian stand in seiner Zelle und drückte ihren Bruder den Lauf einer Waffe an die Schläfe.
»Den Pin«, knurrte er ihr entgegen.
Freya schüttelte den Kopf und spukte ein Blut-Speichelgemisch auf den Boden vor sich.
»Du hattest recht damit. Mich brecht ihr nicht. Auch nicht mit einer beschissenen Waffe am Schädel meines Bruders.«
»Alles für die Familie, was?«, sagte Killian abfällig.
»Alles für die Familie«, wiederholte Liam und lächelte seine Schwester an.
Killian zuckte mit den Schultern.
»Na dann.«
Ein leises Klicken schwang durch die Scheune und zeigte, dass Killian seine Waffe entsichert hatte.
»Sag Lebewohl zu deinem Bruder!«
Freya schluckte, aber schwieg, ebenso wie Liam.
»HÖRT AUF!«, brüllte Aaron plötzlich aus der Dunkelheit.
Killian drehte sich mit zornigem Blick zu diesem. Doch ehe er etwas erwidern konnte, trat Aaron mit Tränen in den Augen an die Gitter.
»Ich ... Ich kenne ihren Pin. Bitte hör auf.«
Killian stutzte. Freya und Liam hingegen sahen sich fassungslos an.
»Du kennst also den Pin?«, fragte Killian nach.
Aaron wischte sich die Träne aus dem Augenwinkel und nickte.
»Ja. Ich hab oft genug gesehen, wie sie ihn eingegeben hat.«
Killian musterte Aaron.
»Wenn du mich anlügst, erschieße ich erst sie und dann dich.«
Aaron nickte ein weiteres Mal und atmete erleichtert aus, als Killian die Waffe von Liams Kopf nahm und aus der Box trat.
»Ich höre«, raunte Killian schroff.
»0284716.«
Killian lachte auf.
»Natürlich. Wahllos aneinander gereimte Zahlen. Bete das sie stimmen. Für dich und deine Mutter«, knurrte Killian noch und verschwand aus der Scheune.
Aaron lehnte den Kopf in den Nacken und hielt sich an den Gitterstäben fest. Er atmete einige Male tief ein und aus, ehe er seinen Kopf langsam aufrichtete. Sofort sah er in die hasserfüllten Augen von Liam und Freya.
»Ich. Ich ... hab es nur gut gemeint. Er hätte euch getötet«, stammelte Aaron sofort los.
»Du selten dämliches Arschloch. Er hätte mir vielleicht jeden Knochen gebrochen, aber er hätte keinen von uns getötet«, brummte Liam sichtlich angepisst.
»Was glaubst du? Dass dein Arschlochvater der Erste ist, der uns eine Waffe an den Kopf hält?«, fragte Freya garstig.
Aaron verstand die Welt nicht mehr. Was zur Hölle war hier eigentlich los?
»Was stimmt nicht mit euch?«, brach es plötzlich aus ihm heraus.
Freya und Liam sahen sich seufzend an und schwiegen.
Doch Aaron war nicht bereit, locker zu lassen.
»Wer seid ihr? Warum so ein Aufstand? Ihr wolltet euch für einen Pin töten lassen?«
Die Wut packte ihn und er wandte sich zu Liam.
»Und du. Wie kannst du es zulassen, dass er das mit deiner Schwester macht?«
Er wurde von einem Rascheln unterbrochen, als der wieder zu sich gekommene Derek aus Freyas Box kroch. Blut lief ihm aus dem Mund. Schwankend stand er auf und schob die Tür der Zelle wieder zu. Benommen hielt er sich an den Stäben fest und lief langsam durch den Gang. Er warf Aaron einen unleserlichen Blick zu und wischte sich das Blut vom Kinn.
»Sie gehören zur irischen Mafia«, nuschelte er kaum hörbar und ging weiter.
Aaron stockte kurz der Atem. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und alles um ihn begann sich zu drehen.
Zu viele Eindrücke schlugen auf ihn ein. Zu viele Emotionen schwemmten seinen Körper. Mit einem dumpfen Aufschlag ging er zu Boden und ließ sich in die Dunkelheit ziehen.
Liam zog eine Braue nach oben und neigte den Kopf.
»Weichei.«
Freya lachte auf, bereute es aber im selben Augenblick, als ein neuer Feuerball des Schmerzes durch ihren Körper rollte. Die Zähne fest aufeinandergepresst, stöhnte sie auf.
»Wie geht es dir?«, fragte Liam mit sorgenvollem Blick.
Freya kniff die Augen zusammen und senkte den Kopf.
»Als hätte mir jemand eins mit der Brechstange übergezogen.«
Liam schmunzelte, legte den Kopf in den Nacken und seufzte.
»Verbuchen wir es also unter beschissenen Tag!«
Freya spuckte ein weiteres Mal den blutgetränkten Speichel auf den Boden.
»Unter superbeschissen, bitte.«
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro