ᴋᴀᴘɪᴛᴇʟ 34 - ᴅɪᴇ ғᴀʟʟᴇ
Nora hatte sich durch den kleinen Garten zur Hintertür geschlichen, welche sie direkt in die Küche des Hauses führte. Dunkelheit schlug ihr entgegen, als sie die Tür leise hinter sich schloss. Ebenso wie der derbe Geruch von Pomade. Sie verzog das Gesicht.
»Du weißt schon, dass man dieses widerliche Zeug Kilometer gegen den Wind riecht?«, fragte sie in die Dunkelheit.
Ein gedämpftes Schnauben drang ihr entgegen.
Sie lief durch die Küche und trat in das Wohnzimmer, welches ebenfalls in völliger Dunkelheit lag. Nur das wenige Licht der untergehenden Sonne, welches durch den schmalen Spalt der dicken Vorhänge dran, gab die sitzende Gestalt vor ihr frei.
Finn sah über die Schulter und grinste Nora an.
»Was verschafft mir die Ehre?«
Nora winkte ab und trat näher.
»Ich ertrag dieses Nichtstun nicht mehr. Jaxon läuft wie ein Tiger im Käfig auf und ab und auch der Rest der Jungs ist angespannt bis zum Umfallen.«
Sie stellte sich neben ihn und sah vorsichtig durch den Spalt auf das Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
»Gibt es was Neues?«
Finn rieb sich über seine müden Augen und gähnte.
»Nein, die einzige Bewegung, die es gab, war Aaron. Vor knapp zwei Stunden. Ich nehme an, dass er sich auf den Weg zur Party gemacht hat.«
Nora ließ von dem Fenster ab und sah zu Finn, der einen Schluck aus seiner Bierdose nahm.
»Sonst nichts?«
»Nein, seit gestern Abend nichts anderes und wenn du mich fragst, ist auch keiner zu Hause. Gestern Abend war ab und an mal noch Bewegung zu sehen, aber seit Aaron das Haus verlassen hat, wirkt es völlig leer.«
Nora ließ sich in einen der Sessel neben Finn fallen.
»Also ist es verlassen?«
Finn zuckte mit den Schultern.
»Ich würde nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, aber ich denke ja.«
Sich auf die Unterlippe beißend sah sich Nora um.
»Ich habe kein gutes Gefühl dabei.«
»Das sind wir ja schon zwei«, gab Finn seufzend von sich.
Nora sah durch den Raum. Ein Foto, welches sanft beleuchtet war, ließ sie innehalten.
»Was ist mit den Bewohnern dieses Hauses?«
Finn sah zu ihr.
»Urlaub«, erwiderte er knapp und streckte sich.
Finn saß seit dem Abend zuvor in dieser Wohnung und starrte auf das Haus von Aaron. Plötzlich sprang Nora auf und lief auf und ab.
»Was ist los?«, fragte Finn irritiert.
Nora sah ihn an.
»Kommt dir das nicht auch alles komisch vor? Ein Ire taucht auf und versucht uns ans Bein zu pissen. Seine Handlanger belügt er. Lässt sie Anschläge auf uns verüben, in den Glauben, dass er unser nicht vorhandenes Drogenbusiness übernehmen will. Gleichzeitig setzt er seinen Sohn auf Freya an. Warum? Wo liegt denn da der Sinn dahinter?«
Finn schwieg, denn Nora sprach das aus, was ihn ebenfalls seit Tagen durch den Kopf ging.
»Und dann ist es alles so stümperhaft. Was will er wirklich?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Finn und sah mit betrübter Miene zu dem Haus.
»Was sagt Freya dazu?«, wollte er wissen.
Nora hielt inne.
»Sie hat ein übles Gefühl bei der Sache.«
»Und was sagt dir dein Gefühl?«, fragte Finn angespannt.
»Dasselbe«, knurrte Nora.
Ein Schauer durchfuhr Finn. Zwei Shields, die ein schlechtes Gefühl in sich trugen, war eine beschissene Ausgangslage.
»Und was schlägst du vor?«, fragte er.
Nora trat neben ihn.
»Ich weiß es nicht, aber etwas sagt mir, dass die Antworten direkt vor unserer Nase liegen.«
»Was weißt du noch über Killian?«, fragte sie plötzlich.
Finn rieb sich die Schläfen.
»Nicht mehr als Jaxon. Er kam kurz, bevor wir gegangen sind. Irische Armee. Collin war davon überzeugt, dass er ein guter Ersatz werden könnte. Aber er stand damals am Anfang des Zyklus.«
Nora starrte aus dem Fenster.
»Glaubst du daran, dass Collin die Wahrheit gesagt hat? Das er ihn niemals aufgenommen hat?«
»Wer weiß das schon? Aber warum sollte Collin lügen?«
Nora starrte Finn an und erkannte seine Ratlosigkeit.
»Ich weiß es nicht«, gestand sie schließlich.
Aber dieses Gefühl, dass irgendwas nicht stimmte, fraß sich tief in ihre Seele und verankerte sich. Schlimmer noch. Es löste Angst aus.
»Nein«, gab sie plötzlich von sich und machte sich daran, das Wohnzimmer zu verlassen.
»Was hast du vor?«, fragte Finn irritiert und sah ihr nach.
»Ich hole mir Antworten«, raunte sie und krachte die Tür hinter sich zu.
Von Angst getrieben lief sie zu ihrem Wagen, als Finn in der Deckung der eintretenden Dunkelheit hinter ihr auftauchte.
»Was soll das werden?«, fragte er garstig, als er sie erreichte und am Arm packte.
Nora riss sich sofort frei und wirbelte herum.
»Was glaubst du wohl? Hilf mir oder verpiss dich!«
Finn schüttelte ungläubig den Kopf und hielt inne.
»Das ist nicht dein Ernst?«
Doch Nora hatte bereits die Tür ihres Wagens aufgerissen, griff nach einer Maske und drehte sich zu ihm.
Ihr Blick war voller Angst und Entschlossenheit. Finn wusste, dass keine Worte der Welt mehr etwas an ihrer Entscheidung ändern würden.
»Ihr Shields habt alle schön was an der Fresse!«, raunte er und zog seine Waffe.
Ein leichtes Schmunzeln legte sich auf Noras Lippen, während sie es ihm gleichtat und ihre Waffe kontrollierte.
»Auch das ist nichts Neues, mein Lieber.«
»Leider«, gab er schnaubend von sich.
Nora steckte ihre Waffe wieder ein, ebenso wie Finn.
»Du begleitest mich also?«, fragte sie nach.
Finn nickte.
»Natürlich. Jaxon reißt mir so oder so den Arsch auf. Dann aber lieber dafür, dass ich seine Anweisungen ignoriert habe, als dass ich seine Frau habe, allein losziehen lassen.«
Nora sah ihn lachend an.
»Gute Entscheidung.«
»Das wird sich noch zeigen«, flüsterte er und folgte ihr über die Nachbargärten zu Killians Haus.
Nur Minuten später hatten die beiden das Schloss der Hintertür geknackt und standen mittlerweile in der großen Eingangshalle.
»Unfassbar, wie verdreckt ein Haus sein kann«, raunte Nora, während sie die dicke Staubschicht und riesigen Spinnweben in den Ecken musterte.
Finn der hinter ihr stand schüttelte den Kopf.
»Scheiß auf den Dreck. Warum ist diese Bude nicht Alarm gesichert? Wie unantastbar, kann sich ein Mensch fühlen?«
Nora zuckte mit den Schultern und sah sich weiter um.
»Schau mal.«
Sie zeigte auf einen weißen Kasten auf der Wand.
»Fuck«, erwiderte Finn, als er die Alarmanlage sah.
Sofort entsicherten beide ihre Waffen und traten enger aneinander.
»Entweder Aaron hat sie einfach nicht aktiviert«, sagte Nora.
»Oder es ist noch jemand hier«, beendete Finn ihren Satz und sah sich nervös um.
Doch nichts außer Stille umgab sie und Nora würde jetzt auf keinen Fall einen Rückzieher machen.
»Weiter«, flüsterte sie und ging auf die große Treppe vor ihnen zu.
Irgendwas sagte ihr, dass die Antworten an deren Ende auf sie warteten.
Schleichend stiegen sie Stufe um Stufe nach oben, ohne auch nur ein Geräusch von sich zu geben. Nah an der Wand liefen sie durch den dunklen Flur und suchten Raum für Raum ab. Ihre Nerven waren bis zum Zerreißen gespannt und jedes kleinste Geräusch ließ sie die Luft anhalten.
Nora trat soeben aus Aarons Zimmer und schüttelte den Kopf.
»Nichts.«
Finn konnte die Enttäuschung in ihre Stimme vernehmen und so langsam ging diese auch auf ihn über. Er hatte nicht erwartet, etwas zu finden, und dennoch fühlte auch er langsam die Machtlosigkeit in sich aufsteigen.
Ihre Köpfe wanderten zu einer schweren Holztür. Die Letzte auf diesen Flur. Wieder sahen sie sich für einen Augenblick an, ehe Finn leise loslief und vorsichtig die Klinke nach unten drückte.
Verschlossen.
Nora schob sich an ihm vorbei.
»Halt mal«, murmelte sie und drückte ihm ihr Handy und die Waffe in die Hand.
Sie kniete sich vor die Tür und betrachtete das Schloss.
»Anfänger«, murmelte sie und Sekunden später war ein leises Klicken zu hören und die Tür öffnete sich einen Spalt.
Nora stand grinsend auf, nahm Finn ihre Waffe wieder ab und drehte sich zu der Tür.
Vorsichtig drückte er sie weiter auf und der Geruch von kaltem Qualm kroch ihnen entgegen. Leise traten die beiden in den Raum und leuchteten mit ihren Handys um sich. Hohe Regale mit Büchern ragten an den Wänden. Die Fenster waren mit bodentiefen Vorhängen verschlossen vor der Außenwelt. Der Boden unter ihnen war mit rotem Teppich ausgelegt, sodass ihre Schritte keinerlei Geräusche von sich gaben. Ein massiver Holzschreibtisch tauchte vor ihnen auf. Goldene Verzierungen funkelten ihnen entgegen.
»Komischen Geschmack, den er da hat«, wisperte Finn.
Doch Nora reagierte nicht. Er drehte sich mit fragendem Blick zu ihr.
»Nora?«
Sie stand vor einer Art Tafel und schwenkte nervös mit der Taschenlampe des Handys hin und her. Finn ließ den Blick noch einmal durch den Raum schweifen, bevor er zu ihr trat. Doch noch ehe er nah genug herangetreten war, um etwas zu erkennen, zerriss Noras panische Stimme die Stille.
»Nicht wir haben die Falle gestellt! Wir sind ungeschützt hineingelaufen!«
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