
𝟏𝟓│𝑪𝒐𝒍𝒊𝒏
Colin
Mit einem Nicken nehme ich den Longdrink entgegen, den die kleine Kellnerin mit dem langen rabenschwarzen Haar mir einige Sekunden zuvor über beigen Bartresen geschoben hat. Ihre interessierten Blicke sind mir dabei nicht entgangen. Unter anderen Umständen wäre ich vielleicht darauf eingegangen, aber heute passe ich ausnahmsweise mal, was ein unangenehmes Ziehen in einem ganz bestimmten Bereich meines Körpers nach sich zieht.
Über dieses Verhalten ist da unten anscheinend jemand not amused. Aber was soll man halt machen? Wenn ich ihr jetzt bedeute mir zu folgen und sie auf dem Klo vögele und jemand kriegt das mit, dann ist unsere ganze Tarnung am Arsch. Stressica hätte wieder freie Bahn und das soll auf gar keinen Fall passieren.
Außerdem treibt meine Verlobte hier irgendwo ihr Unwesen und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mir bei unserem nächsten Zusammentreffen wirklich an die Gurgel springt.
Lächelnd nippe ich an dem Drink bei dem Gedanken, wie trotzig sie die Lippen vorhin verzogen hatte und wie hilflos sie dastand, alle Hände voll zu tun.
Versteht ihr? Sie hatte nämlich wirklich alle Hände voll und zwar damit die besoffene Shakira am Zusammenklappen zu hindern.
Mann, das war ein Spaß gewesen! Ihr wisst nicht, wie einfach es mit ein paar losen Worten war Fiete, ne warte Finn, zum Trinken zu bringen. Der Typ war schneller voll, als ich »Stressica« sagen konnte!
Zugegebenermaßen war es echt ne Arschloch-Aktion sie da allein stehen zu lassen, aber ihr Anblick war es einfach wert gewesen. Oh, der Gesichtsausdruck war abgöttisch. Einfach himmlisch!
»Träume ich oder grinst sich da Colin Walker etwa einen ab?«, kommt es plötzlich von der Seite und kurz darauf blicke ich auch schon in das altbekannte Gesicht von Terrice, diesem Heuchler. Ohne ihn aufzufordern, nimmt er einfach neben mir auf einem der Barhocker Platz und bedeutet der Kellnerin ihm ebenfalls einen Drink zu machen. Dass er ihr dabei mehr als anzüglich ins Dekolleté starrt, entgeht mir nicht. Ich seufze. Dieser Typ hat sich kein bisschen verändert. Genauso schwanzgeil wie eh und je.
»Ich habe von deinem Verlobungs-Dingsda gehört. Ist das wahr?«, hakt er nach und nimmt mit einem lüsternen Zwinkern in Richtung der Angestellten sein bestelltes Getränk entgegen.
»Ja, ich bin...«
Sag es, Colin. Sprich das Wort aus.
»...verlobt«, presse ich zögernd hervor und wage es nicht ihm in die Augen zu sehen. Terrice und mich verbindet mehr als nur das familiäre Band. Er ist nicht nur mein zwei Jahre jüngerer Cousin, sondern so etwas wie mein Zusatzbruder. Man könnte sagen, dass er alle Sachen mit mir gemacht hat, für die Josh nie zu haben war; Clubs, Drogen, heiße Girls. In dieser Hinsicht waren wir uns auch immer einig: Beziehungen sind was für Loser, wir dagegen wollen einfach nur unseren Spaß haben. Und jetzt stehe ich hier und offenbare ihm, dass ich verlobt bin. Heilige Scheiße.
Wäre es andersherum, dann würde ich ihn erstmal auslachen, wie Josh vorhin mich. Doch stattdessen starrt er nur in seine glasklare Flüssigkeit und sagt: »Mann, ich dachte echt, du bist nicht so einer. Dein Bruder hatte immer einen Stock im Arsch. Du nicht. Ist sie wenigsten heiß?«
Ich grinse, weil das wirklich nur aus Terrices Mund kommen kann. Das innere Werte auch zählen, von dieser Sache hat er noch nie was gehört. Terrice bewertet seine Bekanntschaft nicht nach Köpfchen, sondern nach Brustumfang und Haarfarbe. Und um ehrlich zu sein, ich normalerweise auch. Normalerweise...
Ist sie wenigstens heiß?
Tja, ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass Kiera schlecht aussieht.
Bevor ich allerdings zu einer Antwort ansetzen kann, ertönt eine hitzige Stimme im Saal und eine kleine zierliche Silhouette erscheint im Eingang, die mit zielsicheren Schritten auf uns, mich zu steuert. Shit.
»COLIN WALKER!«
Mit ihrem Zeigefinger zeigt sie schuldig auf mich und am liebsten würde ich im Boden versinken. Vielleicht war es doch keine so gute Idee Kiera mit Finn allein zu lassen...
Ihrer roten Gesichtsfarbe nach zu urteilen, wäre jetzt der Moment, wo ich mich aus dem Staub machen sollte. Aber hey! Von Finn ist keine Spur, also scheint sie ja mit ihm fertiggeworden zu sein.
Wieso habe ich trotzdem das Gefühl, dass das ihre Wut auf mich nicht runterspielen wird?
Sie stapft direkt auf uns zu, wohlgemerkt kommt sie von meiner Seite, sodass sie Terrice nicht sieht, der neben mir lungert und höchst amüsiert das anbahnende Schauspiel verfolgt.
»WIE KANNST DU ES WAGEN, MICH EINFACH DA DRAUßEN STE- «
Ich bedeute ihr mit meinen Händen Abbruch Abbruch, weil sie gerade auf gutem Wege ist, unsere komplette Tarnung auffliegen zu lassen. Zur Verdeutlichung lehne ich mich ultra weit zurück, sodass Terrice Anlitz mehr als deutlich in ihr Blickfeld rückt.
Als Kiera das begreift, bleibt sie stocksteif stehen und ihre Augen weiten sich erschrocken. Das Einzige, was sie daraufhin herausbringt, ist ein einfaches »Oh«.
Super.
Bis jetzt läuft Mission 'Turteltauben on tour', wie Kiera diese ganze Scheiße getauft hat (ich war für den Namen Mission 'imKOTZibel') mega erfolgreich.
Zu meiner Überraschung und meinem Entsetzen zugleich wandelt sich Kieras Gesichtsausdruck binnen Sekunden von bloßer Überforderung und Wut zu einem sanften fast schon zu freundlichem Lächeln. Jeglicher Zorn ist ihr wie aus dem Gesicht gewischt und ihre Bewegungen wirken harmonisch, irgendwie glückselig. Freudestrahlend faltet sie plötzlich ihre Hände zusammen und scheint auf mich zu zu schweben, insofern man ihren Gang in diesen Schuhen als »schweben« bezeichnen kann.
Aber, okayyyyy.
Sie will bestimmt unsere Tarnung wieder aufpolieren. Warum spricht sie dann anders? So hoch und überzogen und so unglaublich euphorisch?
»Schnuckiputz!«, begrüßt sie mich freudestrahlend und mir fallen beinahe die Augen raus.
SCHNUCKIPUTZ?
Was soll das? Kosenamen standen nicht auf unserer Vereinbarungsliste. Und überhaupt, warum sagt sie das? Will sie mich lächerlich machen, oder was?
Mahnend schaue ich sie an, aber sie grinst nur unschuldig.
Alles an ihr ist unschuldig. Außer die Augen. Die funkeln diabolisch.
»Ach, Schnucki, ich habe schon überall nach dir gesucht! Deine Hilfe hätte ich nämlich vorhin sehr, sehr dringend gebrauchen können«, piepst sie und obwohl sie es mit dieser lieblichen Stimme sagt, ist die Botschaft dahinter eindeutig.
Das ist also ihre Rache. Die Rache dafür, dass ich sie stehen gelassen habe, während die besoffene Shakira schnarchend in ihren Armen hing. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, mich einfach davon zu machen...
Die Konsequenzen für mein vergangenes Handeln trage ich spätestens dann, als Kieras Hand wie selbstverständlich den Weg zu meiner Wange findet, ohne dass ich es verhindern kann.
Erst streicht sich nur ein paar Mal darüber, betätschelt sie, doch dann gibt sie mir plötzlich einen stärkeren Klaps, der einen kurzzeitigen Schmerz auf meiner Haut verursacht.
What the hell?
Finster starre ich sie an. Was soll der Mist?
»Ja, ja, ich bin so verliebt in mein kleines Hummelbärchen...«
Zufrieden grinst sie und ohne dass ich sie davon abhalten kann, umwickeln ihre Hände wenig später meinen rechten Arm. Ehe ich mich versehe, hat sie sich auch schon angeblich schmachtend an meine Seite geheftet und klebt wie ein lästiges Kaugummi an mir. Theatralisch wirft sie dabei noch ihren Fuß in die Luft.
Ich bringe sie um.
»Wir kriegen gar nicht genug voneinander, stimmt's?« Ihre Augen hängen gebannt an meinen Lippen, während sie gleichzeitig mit den Wimpern so übertrieben klimpert, dass man meine könnte, sie hätte ein Insekt im Auge, das sie losbekommen möchte.
Indessen reißt mein Geduldsfaden langsam aber sicher mit jedem Klimpern, mit jedem darauffolgenden melodramatischen Seufzer ihrerseits Stück für Stück mehr.
Sie spielt nur, Colin. Sie will dich nur wütend machen, rufe ich mir ins Gedächtnis.
Oh und wie sie das schafft! Ich habe Mühe sie nicht gleich von mir wegzureißen und ihren Kopf einmal ordentlich gegen den Tresen zu knallen!
Aber ich werde nicht auf ihr dämliches Spiel reinfallen! Ich werde es einfach über mich ergehen lassen und ihr zeigen, dass sie mich nicht so schnell aus der Reserve locken kann. Soll sie nur ihr Show-Programm abziehen, das macht mir gar nichts. Morgen ist sie sowieso weg vom Fenster.
»Mmhhh«, presse ich deshalb nur hervor, signalisiere ihr, dass ich bei dem, was sie da gerade tut, nicht mitziehen werde. Zeitgleich schenke ich ihr ein genauso gekünsteltes Lächeln, woraufhin sie mich nur besorgt anschaut.
»Nicht so schüchtern, Schatz. Sonst bist du doch auch nicht so leise!«, widerspricht sie und verpasst mir wieder einen Klaps-diesmal gegen meinen Arm. Ich könnte schreien. Sie anschreien, besser gesagt.
Ruhe bewahren, Colin.
Denk daran: In der Ruhe liegt die Kraft.
Ommmmmmmmmmm.
Kiera merkt anscheinend, dass ich nicht auf ihr dummes Liebesgelabere reinfalle und lenkt demnach ihre Aufmerksamkeit von mir weg.
»Sag mal, wer ist dein Freund hier?«, fragt sie ehrlich interessiert und wendet sich an Terrice, der uns die ganze Zeit mit hochgezogenen Augenbrauen und einen argwöhnischen fast schon ungläubigen Blick beobachtet. Doch er fackelt nicht lange und zieht wie immer seine Gentleman-Masche ab.
»Terrice Prinston, Cousin vom Hummelbärchen«, antwortet er und prostet mir grinsend mit seinem Glas zu. Dass ich die nächsten Jahre jetzt von ihm nur noch mit Hummelbärchen angesprochen werde, ist schon so gut wie sicher. Geistig sehe ich schon, wie er meinen Kontaktnamen im Handy umändert und hinten dran noch so ein fettes Bienensmiley hängt.
Vielen Dank, Kiera.
»Sehr erfreut«, quiekt sie und nickt anerkennend, »Sag mal, euch macht es doch nicht aus, wenn ich jetzt wieder gehe, oder?«
Sofort schüttele ich den Kopf. Ich dachte schon, sie fragt nie.
Auch Terrice schüttelt den Kopf und zwinkert ihr zu, kombiniert mit einem anzüglichen Lächeln: »Schöne Frauen soll man nicht aufhalten.«
Zur Krönung lässt er nochmal den Blick an ihr quälend langsam herauf und herab wandern.
Finster sehe ich ihn an, als er Anstalten macht, einen Bereich im oberen Teil ihres Körpers ausführlicher und genauer betrachten zu wollen. Als er meinen Blick begegnet, rollt er mit den Augen und wendet sich wieder ab. Gut so.
Kiera, die von alldem nichts mitbekommt, dreht sich wieder zu mir.
»Na dann, Mausebärchen«, verabschiedet sie mich, knufft mir lächelnd in die Wange und tippt mir anschließend auf meine Nase als wäre ich irgendso ein verdammtes knuddelbedürftiges Kaninchen. Dann wandern ihre Hände an den Saum meines Sakkos und straffen es.
Ich ziehe scharf die Luft ein. Das Ding ist sowieso schon an meinen Schultern viel zu klein und wenn sie ein weiteres Mal daran zerrt, dann kann es vorkommen, dass es hinten reißt. Mit einem wissenden Lächeln tut sie genau das-nochmal daran zerren.
Oh, diese Hexe.
»Trink nicht zu viel und bitte bekleckere nicht dein tolles Hemd!«, weist sie mich mit einen diabolischen Grinsen an und ich würde ihr am liebsten eine reinwürgen. Nicht zuletzt, weil Terrice Blick nun an diesem Desaster von Hemd haftet und er Mühe hat, den flüssigen Inhalt in seinem Mund nicht prustend wieder auszuspucken.
Stumm presst er sich eine Hand vor den Mund, während ich Kiera mit einem höchst tödlichen ähhh liebevollen Blick ansehe. Diese winkt nur grinsend.
»Ciao, ciao.«
Im Gehen wirft sie mir noch einen verdammten Luftkuss zu und zwinkert dabei. Ein teuflisches Zwinkern.
Oh Chiara, du willst Krieg?
Fein.
Schön.
Dann kriegst du Krieg.
Kiera: 2 - Colin: 2
Ladies & Gentleman, mögen die Kriegsspiele beginnen haha😂😄
Ich finde ja, dass Kiera sich doch sehr zurück gehalten hat. Da ist definitiv noch Luft nach oben😄😌 Wer wohl den nächsten Rachefeldzug startet???
Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen💗✨
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