Kapitel 26 - Antworten
Tamo sah Alice an, die schon genervt den ersten Schluck Tequila in sich hinein kippte. Milano und Silas hatten es sich ebenfalls bequem gemacht und öffneten sich gerade jeder ein Bier. Silas bot auch Tamo eins an, welches er dankend annahm. Alice lehnte sich entspannt zurück und sah zu Tamo.
»Na dann ... fangen wir mit den sinnlosen Fragen Part 800 an«, murmelte sie und kippte den nächsten Shot hinter.
Milano und Silas grinsten und Tamo, der schien mal wieder nach Worten zu suchen oder vielleicht wusste er auch einfach nicht, womit er anfangen sollte. Doch genau in dem Moment kam Narcos vorbeigelaufen. Tamo sah auf und sah zwischen Alice und Narcos hin und her.
»Könnt ihr mit den Tieren kommunizieren?«
Alice nahm diesmal gleich einen Schluck aus der Flasche, aber so wie sich der Tequila seinen Weg in ihren Magen gebahnt hatte, begann sie zu sprechen.
»Na ja, sie verstehen uns.«
Und genau in dem Moment stieg Narcos auf die Bank und ließ seufzend seinen Kopf auf Alices Schoß fallen. Sie stöhnte auf und versuchte ihn wegzuschieben, doch er rührte sich keinen Millimeter.
»Himmel, hau ab, Narcos. Du weißt, dass ich es hasse, wenn du mir die Klamotten voll sabberst«, maulte sie vor sich hin.
Narcos zog eine Lefze nach oben und gab ein leises Grunzen von sich.
»Scheint ja super zu funktionieren«, sagt Tamo und schmunzelte dabei.
Alice rollte genervt die Augen und gab es auf. Narcos gähnte und kuschelte sich noch etwas tiefer in ihren Schoß.
»Ich sagte, sie verstehen uns, nicht, dass sie auf uns hören«, erwiderte Alice.
Milano lachte auf und sah zu Alice.
»Du meinst, sie hören nicht auf dich«, berichtigte er sie.
Alice streckte ihm die Zunge entgegen und da diese schon den fragenden Blick von Tamo spürte, sprach sie direkt darauf los.
»Also, es ist nicht so, dass wir Gespräche mit ihnen führen können. Wobei? Ach, verflucht«, stotterte sie.
Silas sprang ein, denn so langsam hatte er das Gefühl, dass Alice alles nur noch schlimmer machte. Na ja und außerdem steckte er vor Jahren in derselben Situation wie Tamo. Er wurde aus seinen Leben gerissen und musste alles neu überdenken. Er lehnte sich nach vorn.
»Sie verstehen uns und antworten auch, indem sie das machen, was wir ihnen sagen oder ...«, er sah zu Narcos.
»Oder indem sie es machen, wie der faule Sack da. Wobei Narcos tatsächlich nur auf Skàdi hört und den Rest mehr oder minder ignoriert.«
Milano lachte schon wieder.
»Und vergiss nicht die Tatsache, dass Alice einfach kein Händchen für Tiere hat«, fügte er hinzu.
Alice nahm erneut einen Schluck und zuckte mit den Schultern. Tamo nickte und sah zu Narcos.
»Skàdi hat ihn gerettet?«
Alice nickte.
»Ja, so ein Pisser hatte ihn gerade abgestochen. Den Typ hat sie getötet und Narcos gerettet oder wieder zurückgeholt. Wie auch immer.«
Tamo sah Alice und Milano an. Langsam erkannte er ein Muster.
»Ihr seid auch mit ihr verbunden?«, fragte er weiter.
Milano und Alice sahen sich an, dann zu Silas.
»Hallo?«, fragte Tamo ungeduldig.
Milano seufzte und rieb sich über den Nacken.
»Ja, auch wir verdanken ihr unser Leben.«
Ja, das hatte Tamo bereits vermutet, aber er wartete gar nicht erst lange und schon die nächste Frage nach.
»Wie lange kennt ihr Skàdi schon?«
Wieder tauschten die drei Blicke aus, scheinbar waren sie sich nicht sicher, was und wie viel sie ihm erzählen sollten. Silas sah ihn an.
»Milano und Alice kennen Skàdi seit vier Jahren. Ich wesentlich länger und bevor du fragst. Ja, Skàdi und ich waren verdammt gute Freunde bis vor wenigen Jahren.«
Tamo vernahm die Trauer in seiner Stimme und als sich ihre Blicke trafen, sah er auch die Angst und den Zorn.
»Warum? Also ...«, fing Tamo an, aber Silas unterbrach ihn kopfschüttelnd.
»Du hast doch bei unserem Streit schon genug gehört, mehr als genug«, sagte er leise.
Natürlich gab Tamo sich mit der Antwort nicht zufrieden. Er wollte es wissen, und zwar alles.
»Hört auf damit. Ich bin doch scheinbar derjenige, dem hier ans Bein gepisst werden soll. Dessen Leben am Arsch ist, also redet gefälligst«, fauchte er sie an.
Ja, der Zorn schoss durch seine Adern. Er wollte endlich verstehen, was hier gespielt wurde. Er wollte wissen, warum sein Leben plötzlich auf dem Spiel stand.
Milano lachte kalt auf und sah Tamo mit dunklem Blick an.
»Was denn jetzt los? Hast deine Eier wieder gefunden?«, fragte er.
Alice stöhnte auf und Silas grinste vor sich hin. Tamo hingegen fand hier gar nichts mehr lustig. Seine Hände ballten sich zu Fäusten.
»Fickt euch doch. Ich will einfach nur wissen, was genau hier los ist. Aber das scheint ja zu viel verlangt zu sein.«
Tamo ließ den anderen gar keine Möglichkeit zum Antworten, sondern sprang direkt auf und maulte weiter.
»Aber kein Thema. Ich habe es satt und hole mir die Antworten jetzt direkt von der Quelle«, raunte er und verschwand.
Silas, Milano und Alice sahen sich an.
»Ist das sein Ernst?«, fragte Silas.
Milano zuckte mit den Schultern.
»Ich würde ja eine Wette abschließen, wie lange es dauert, bis er aus dem Fenster geflogen kommt. Aber ...«, sein Blick ging zu Alice und er grinste sie wissend an.
»Aber mit dir in unserer Mitte macht das keinen Spaß.«
Alice zuckte mit den Schultern und sah zu Silas.
»Siehst du, weil er einfach nie zuhört«, erwiderte sie.
Milano sah fragend zu Alice, welche direkt lachte, denn Silas reichte ihr 10 Dollar.
»Sorry, manchmal vergesse ich, dass er dumm ist«, sagte Silas und lachte Milano an.
Der runzelte die Stirn und sah sie fragend an. Alice rollte die Augen.
»Ich kann weder bei dir noch bei Skàdi etwas brechen. Es wäre schön, wenn ich das könnte. Hätte uns einiges erspart in der Vergangenheit«, sagte sie leicht melancholisch.
Milano kratzte sich am Kopf, nickte und nahm einen Schluck von seinem Bier.
»Man kann sich halt nicht alles merken«, sagte er schließlich.
Tamo stieg angepisst und mit Wut im Bauch die Treppe nach oben. Er hatte zwar keine Ahnung, wo Skàdi war, aber irgendwo musste sie ja stecken. Als er in der obersten Etage ankam, sah er sich um. Rechts waren zwei Türen zu sehen, nach links führte ein Gang und genau diesem folgte er.
Er sah sich um und mit jeden Schritt verlor er etwas von seinem Mut. Doch bevor er sich um entscheiden konnte, tat sich vor ihm ein Wohnzimmer auf und er sah Skàdi, wie sie mit geschlossenen Augen auf der Couch saß. Er lief auf die Couch zu und schien zu überlegen, wie er das Gespräch anfangen sollte. Doch Skàdi kam ihm zuvor.
»Was willst du?«, knurrte sie.
Tamo räusperte sich. Er würde nicht weit kommen, wenn er weiter eins auf Angsthase machte, also wurde es Zeit für den alten Tamo.
»Was glaubst du wohl?«, fauchte er sie ebenso an.
Sein Ton war scharf, was Skàdi scheinbar auch aufgefallen war. Sie öffnete die Augen und drehte ihren Kopf langsam zu ihm. Der legte ein Grinsen auf und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Und lass diesen Bums mit der Kälte. Ich habe kapiert, dass du mich töten kannst, wenn du nur willst. Aber irgendwas sagt mir, dass ich hier ziemlich sicher bin«, schob er nach.
Dass ihm sein Herz dabei fast in die Hose rutschte, versuchte er gekonnt zu ignorieren. Ohne auf ihre Reaktion zu warten, ließ er sich neben sie auf die Couch fallen und starrte sie an. Skàdis Nasenflügel bebten bereits und sie schien mit dem Unterkiefer zu malmen, doch Tamo schüttelte den Kopf.
»Ach komm schon. Gib mir Antworten und ich lass dich in Ruhe. Ist doch ganz einfach, oder?«
In Skàdis Augen tobte ein Sturm. Sie hasste es. Sie hasst ihn und seine Unwissenheit.
»Nichts in meinem Leben ist einfach und jetzt verpiss dich, Arschloch«, fauchte sie.
Tamo verschränkte wieder die Arme vor der Brust und schüttelte den Kopf.
»Nein ...«, entgegnete er trotzig.
Das Knurren von Skàdi wurde immer dunkler und auch wenn Tamo innerlich mit der Angst kämpfte, versuchte er sie zu unterdrücken und sah sich um. Sein Blick fiel auf das Buch, welches auf dem Tisch lag. Ein in dunkles Leder gebundenes Buch, welches ziemlich abgenutzt aussah. Der Einband war leer, abgesehen von der goldenen fünfzig, die deutlich hervorstach.
Er lehnte sich nach vorn und wollte gerade nach dem Buch greifen, als Skàdi ebenso nach vorn schoss und das Buch zuerst erreichte. Ihre Hand griff das Buch und wollte es geradezu sich ziehen, als Tamos Hand auf ihrer landete.
Skàdi funkelte ihn böse an und sie zog ihre Hand zurück. Irgendwas änderte sich in ihr, was selbst Tamo spürte. Kälte schlug ihm entgegen. Eisige Kälte. Er zog seine Hand zurück und schluckte, doch Skàdi war bereits auf Krawall gebürstet.
»Ich rieche deine Angst«, raunte sie ihm entgegen.
Tamo stand vorsichtig auf und sah sie an.
»Sorry, ich wollte ...«, stotterte er los, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken.
Ihr Blick war leer. Kalt. Unberechenbar. Sie wirkte von jetzt auf gleich wie ein Raubtier, was seine Beute fixiert hatte. Er vernahm das Flackern in ihren Augen. Das leuchtende Grün verschwand immer wieder für wenige Sekunden und die schwarzen Sicheln wurden sichtbar.
Jetzt machte sie ihm Angst, und zwar so richtig. Er war zu weit gegangen.
Er wich langsam zurück, doch sein Fuß blieb in der Decke hängen und er fiel im freien Fall auf den Glastisch. Unter lauten Krachen ging er zu Bruch.
Mal wieder ... also, wenn wir hier ein was lernen, dann, dass Glastische scheiße sind.
Aber sein Sturz schien Skàdi aus ihrem komischen Verhalten zu holen. Die Kälte verschwand, dafür sah sie ziemlich angepisst aus.
Tamo lag in den Scherben und stöhnte.
»Du willst mich doch verarschen. Du bist doch nur hier, um mich zu nerven, oder?«, tobte sie los.
Tamo schnaubte.
»Klar, die Erde dreht sich nur um dich«, gab er bissig zurück.
Skàdi lachte kalt und sah auf ihn herab.
»Damit hast du gar nicht so unrecht, Pisser und jetzt hau ab.«
Tamo stand langsam auf und sah sie giftig an.
»Bist du schon immer so gewesen? Ich hoffe nicht, denn das wäre eine echte Zumutung für die Menschheit!«
Skàdi lehnte sich zurück und stöhnte.
»Ich sagte, hau AB!«, schrie sie ihm entgegen.
Tamo stand vor der Couch und schüttelte den Kopf.
»Wie kannst du nur mit dir selbst leben?«, fragte er enttäuscht.
Er drehte sich ab und wollte gerade gehen, als er im Augenwinkel sah, wie Skàdi aufstand.
»Du willst Antworten? Du willst wissen, wie ich mit mir selbst leben kann?«
Tamo drehte sich herum und nickte. Skàdi sah ihn an und drehte sich ab.
»Mitkommen«, forderte sie barsch.
Sie stieg eine weitere Treppe nach oben, die Tamo vorher gar nicht aufgefallen war. Er folgte ihr schweigend und als er aufgeholt hatte, fiel sein Blick, auf ihre nackten Beine. Narben. Dieselben wie auf ihren Armen, überall auf ihren Oberschenkeln.
Was verfluchte Scheiße, war ihr passiert?
Reue überkam ihn und sofort schwang wieder Mitleid für sie durch seinen Leib.
»Skàdi ... was ...«, doch in dem Moment stieß sie eine Tür am Ende des Ganges auf und vor ihr kam ein Bücherregal zum Vorschein.
Tamo starrte auf das Regal, welches voller Bücher, mit dunklen Ledereinbänden stand. Alle nummeriert. 1-100. Sein Blick wanderte über die Bücher, alle waren da, bis auf eins. Buch 50 fehlte.
»Was ist das?«, fragte er, ohne den Blick von den Büchern zu nehmen.
»Deine Antworten, viel Spaß damit«, raunte sie.
Sie wollte gerade wieder gehen, als sie stockte und zu ihm zurücksah.
»Falls du einen empfindlichen Magen hast, setz dich vors Klo beim Lesen oder such dir einen Eimer. Egal, wie, aber kotze mir ja nicht in die Bude.«
Tamo nickte irritiert und sah zurück zu den Büchern. Skàdi verschwand und krachte die Tür hinter sich zu.
Er fragte sich, was sie wohl meint. Was sollte in den Büchern stehen, dass ihm so aus der Fassung bringen sollte? Er ließ seine Finger über die Bücher gleiten, bis er bei Teil eins ankam. Es lag eine geschlossene Staubschicht darauf, was ihm zeigte, dass sie wohl schon eine ganze Weile hier unberührt standen.
Seine Hand griff das Buch eins und zog es langsam heraus.
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