Heilung (Kili)
Die warmen Sonnenstrahlen kitzelten mein Gesicht. Die Grashalme wiegten sich in der leisen Briese. In der Ferne konnte ich das Plätschern eines Baches ausmachen. In diesem Moment war ich mir sicher, dass es nie einen friedlicheren Ort gegeben hatte. Aber dieses Gefühl verschwand schnell, wenn ich daran dachte, dass vor wenigen Tagen auf der anderen Seite des Tals noch Krieg getobt hatte. Ein Krieg, dessen Erinnerungen mir nun den Schlaf raubten.
Seufzend pflückte ich ein paar der bunten Blumen, bevor ich mich ins Gras setzte. Geschickt begannen meine Finger die Blumen zu einem Kranz zu flechten. Ich konzentrierte mich ganz auf das Flechten und wagte es nicht den Blick nochmal in Richtung des Erebor schweifen zu lassen. Noch lasteten die Erinnerungen an den vergangenen Kampf, wie bedrohliche Gewitterwolken über die friedliche Atmosphäre.
"Y/N, endlich habe ich dich gefunden", eine vertraute Stimme erklang, die mir unwillkürlich ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Der dunkelhaarige Zwerg stapfte auf mich zu. Auch er trug ein kleines Lächeln auf den Lippen, aber sein sonst so fröhliches Gesicht wurde ebenfalls von Schatten getrübt.
Kili setzte sich zu mir ins Gras. Eine Weile beobachtete er mich schweigend. Immer noch ein kleines Lächeln auf den Lippen, aus dem die Wehmut allerdings nicht verschwinden wollte. Wie sehr wünschte ich mir, dass ich ihm den Schmerz abnehmen könnte. Seit dem Tod seines Bruders war die Trauer tief in ihm verankert.
"Für dich", lächelnd knotete ich den Kranz aus Blumen zusammen, bevor ich ihn Kili aufsetzte, der leise auflachte, bevor er mich an sich zog. Ich schloss die Augen und umarmte ihn ebenfalls. In diesem Moment fiel die ganze Last der letzten Wochen ab. Die Reise zum Erebos, der Kampf mit den Orks und Thorins und Filis Tod rückten in den Hintergrund. Das erste Mal seit den schlimmen Vorfällen fühlte ich mich sicher und geborgen.
Kili strich mir einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und drückte mir einen sanften Kuss auf die Stirn, bevor er mich losließ.
"Du bist selbst für einen Hobbit ungewöhnlich klein", stellte er fest und das erste Mal erkannte ich wieder die Andeutung des ein wenig spöttischen, aber liebevollen Ausdruck in seinen dunklen Augen, der für lange Zeit von Schatten überdeckt gewesen war.
"Das entspricht absolut nicht der Wahrheit. Ich bin größer, als Bilbo", widersprach ich und verschränkte gespielt beleidigt die Arme vor meiner Brust. Wie konnte Kili mit den Blumen im Haar so unschuldig aussehen, aber sich gleichzeitig über alles lustig machen? Der erste Eindruck von dem unschuldigen Lächeln des Zwerges täuschte, aber trotzdem war Kili mir so ans Herz gewachsen, wie niemand zuvor. Er konnte charmant sein, wenn er wollte, oder aber die größte Nervensäge, die Mittelerde je gesehen hatte.
Erneut legte sich Schweigen über uns. Ich war müde. In der letzten Nacht hatte ich kaum Schlaf abbekommen. Die Erinnerungen hatten mich wachgehalten und Alpträume aus den Schlaf gerissen. Ich unterdrückte ein Gähnen.
"Versuch ein wenig zu schlafen", schlug Kili vor, leise Besorgnis schwang in seiner Stimme mit, als er mich musterte. Ich musste wahrhaftig schrecklich aussehen, mit dunklen Augenringen und mein Haar war höchstwahrscheinlich ein einziges Chaos. Manchmal würde dieses Durcheinander gerne gegen das seidige Haar der Elben eintauschen.
Ohne zu widersprechen, legte ich mich in das weiche Gras. Vorsichtig bettete Kili meinen Kopf auf seinem Schoß. Das leise Rauschen des Windes und das Plätschern des Sees ließen mich langsam zur Ruhe kommen. Bereits kurze Zeit später fielen mir die Augen zu.
~~
Als ich die Augen öffnete, blinzelte ich in grelles Licht. Nachdem ich mich an die Helligkeit gewöhnt hatte, konnte ich Kilis Umrisse ausmachen. Er saß immer noch über mich gebeugt. Mit einer Hand strich er sanft durch mein Haar, während sein Blick konzentriert auf etwas gerichtet war, das er mit seiner anderen Hand umklammert hielt.
"Du bist wach", bemerkte er erfreut, als ich mich aufrichtete. Ich musste mehrere Stunden hier gelegen sein, denn die Sonne warf bereits ihre letzten Strahlen auf die Wiese. Keine Alpträume hatten mich geweckt. Nur der rauschende Bach empfing mich und ein tiefes Gefühl von Frieden.
"Er ist nicht so hübsch geworden, wie deiner, aber ich habe es versucht", fuhr Kili fort und erst jetzt bemerkte ich, dass er in den Händen einen Blumenkranz hielt. Die weißen und gelben Blüten strahlten förmlich in der untergehenden Sonne, wie ein vom Himmel gefallener Sterne.
"Du bist so süß", stellte ich glücklich fest, als Kili mir vorsichtig den Kranz aufsetzte, der aussah, als würde er bei der kleinsten Erschütterung auseinanderfallen. Trotzdem wurde mir angesichts seiner Bemühungen warm ums Herz. Kili warf mir ein stolzes Lächeln zu, bevor er mich in eine Umarmung zog. Er drückte mir einen sanften Kuss auf die Lippen, bevor er das Gesicht an meiner Schulter vergrub. Ich spürte seinen warmen Atem auf meiner Haut, seinen gleichmäßigen Herzschlag gegen meiner Brust. In diesem Moment fühlte ich mich endlich wieder heil. Und mir wurde bewusst, dass wir gemeinsam heilen konnten. Irgendwann würde alles besser werden.
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