"Das kannst du nicht machen, Vater!", verzweifelt blickte ich zu Thranduil auf, der gebieterisch vor mir stand. Er überragte mich um mindestens einen Kopf, aber trotzdem reckte ich trotzig das Kinn und zwang mich seinem strengen Blick standzuhalten.
"Doch, das kann ich. Ich bin der König und in diesem Moment rede ich mit meiner Untertanin", erwiderte mein Vater kalt. Seine Augen waren zwei kalte Gebirgsseen und zwangen mich, meinen Blick zu senken, sonst hätten sie mich in ihre eisigen Tiefen gestürzt. Manchmal hoffte ich in ihnen noch einen Funken Wärme zu erkennen, die mir sagte, dass er nicht vergessen hatte, dass ich seine Tochter war. Aber die Wärme war schon lange aus dem Blau seiner Augen verschwunden und ließen sie so viel leerer wirken.
"Legolas, gehe an Tauriels Seite in den Wald und nehmt die Zwerge gefangen. Sie dürfen den Erebor nicht erreichen oder es wird Krieg herrschen", wandte er sich an meinen Bruder, der mit gesenktem Blick neben mir stand. Seine Antwort bestand nur aus einem knappen Nicken. Der bittere Geschmack von Neid stieg in mir auf, als ich beobachtete, wie Legolas nach seinen Waffen griff, bevor er zwischen den Bäumen verschwand. Ich fühlte mich so nutzlos. Mein Vater ließ nicht zu, dass ich kämpfte. Aber ich wollte keine Prinzessin sein, die irgendwann den Thron besetzen würde, ohne große Taten vollbracht und ihr Volk geschützt zu haben.
"Warum lässt du Legolas gehen? Warum vertraust du ihm und mir nicht?", wollte ich wissen. Thranduil, der sich zum Gehen gewandt hatte, drehte sich wieder zu mir um. Ungeduld blitzte in seinen Augen auf.
"Legolas hat so viel mehr Erfahrung. Er weiß, wie er im Kampf siegt", erwiderte er und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Er brauchte das "Im Gegensatz zu dir" nicht aussprechen, ich wusste, dass er es dachte. Aber wie sollte ich Erfahrungen lernen, wenn ich meinen Bruder nicht begleiten durfte.
"Ich habe bereits meine Frau verloren. Ich will meine Tochter nicht auch noch verlieren", die nächsten Worte sprach mein Vater so leise aus, dass sie selbst für uns Elben kaum verständlich waren. Aber ich hörte sie und sie nahmen mir den Wind aus den Segeln. Ich erinnerte mich kaum an meine Mutter und Thranduil erwähnte sie fast nie. Sie war ein weit entfernter Geist, der in meinen Erinnerungen verblasste, aber dies machte den Verlust nicht leichter. Und die Angst, dass ich irgendwann jede Erinnerung an sie verlieren würde, schnürte mir die Luft ab.
"Ich will nur helfen", wisperte ich und fixierte den Steinboden vor meinen Füßen. Obwohl ich nicht aufsah, spürte ich den Blick meines Vaters auf mir.
"In Ordnung, ich habe eine Aufgabe für dich", ungläubig und hoffnungsvoll sah ich endlich auf und Thranduil zeigte mir mit einer kurzen Geste, ihm zu folgen.
~~
Wütend stieß ich mit dem Fuß gegen die Steinwand. Mit dieser Aufgabe hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Ich hatte mir nicht erwartet, die Zwerge bewachen zu müssen, die doch sowieso eingesperrt waren und keine Chance hatten, zu entkommen.
Seufzend hörte ich mit der Patrouille auf und lehnte mich stattdessen an die kühle Steinwand neben einer der Zellen. Die giftigen Blicke der Gefangenen durchbohrten mich und sie zeigten ihren Hass offen, als sie mir immer wieder spöttische Kommentare nachwarfen.
"Elbe, könntet Ihr uns ein Stück Brot und etwas Wasser bringen. Meine Gefährten und ich sind geschwächt", einer der Zwerge trat an das Gitter und sah mich bittend an. Sein langes weißes Haar und sein Bart ließen ihn alt wirken, seine Augen waren wach und schienen zu einem so viel jüngeren Gesicht gehören. Im Gegensatz zu seinen Kameraden schien er mir nicht ganz so abgeneigt zu sein.
Kurz überlegte ich, ob mein Vater mir dies erlauben würde. Eigentlich sprach nichts dagegen, denn Thranduil hatte mir keinen Plan mitgeteilt, der besagte, dass wir die Zwerge aushungern lassen würden. Und kurz könnte ich die Gefangenen sicherlich aus den Augen lassen. Meine Entscheidung war gefallen.
Kurze Zeit später kam ich mit einem Laib Brot und etwas Wasser zurück. Mit meinem Messer, das unter meinem Mantel verborgen war, teilte ich das Brot auf und verteilte es den Zwergen. Als ich die Zelle mit dem alten Zwerg erreichte, entdeckte ich erst, dass er nicht alleine war. In der Ecke lehnte ein ungewöhnlich großer Zwerg. Einige Strähnen seines langen, dunklen Haars fielen ihm ins Gesicht. Er behielt den Blick gesenkt, als ich an das Gitter trat und seinem Gefährten ein Stück Brot reichte.
"Ihr könnt auch etwas von dem Brot haben, wir haben genügend Vorräte", meinte ich sachte, da sich der Zwerg nicht rührte. Endlich sah er auf und mir stockte der Atem, als sein Blick auf mir traf. Seine Augen waren von einem tiefen, hellen Blau, die mich an den Himmel im Frühling erinnerten. Sie wären schön gewesen, wenn der Hass in ihnen nicht mir gegolten hätte.
"Ich nehme nichts von Ihrem Volk an, Weib", zischte er. Die pure Verachtung in seinem Blick ließen mich etwas zurückweichen. Ich schluckte schwer. Er hatte Recht damit. Wir hatten ihn Gefangen genommen und ich wusste selbst nicht, ob wir das Recht dazu hatten. Thranduil wollte, dass sie den Erebor nicht erreichten. Unser Volk fürchtete, dass sie den Drachen wecken würden, aber sie waren auf dem Weg nach Hause. War es falsch, dass wir sie daran hinderten? Wir Waldelben hatten unseren Schutz, unser Zuhause. Aber die Zwerge suchten erst danach.
"Ich...", begann ich unsicher, aber der Zwerg schnitt mir das Wort ab.
"Sparen Sie sich ihre lügnerischen Worte, Elbe", seine Stimme war ebenso verachtend, wie sein Gesichtsausdruck. Er sah mich an, als sei ich wertlos und dies entfesselte den Zorn in mir.
"Zeigt der Königstochter bitte den gebührenden Respekt", erwiderte ich kühl, aber damit schien ich das Falsche gesagt zu haben. Die Zwerge wandten sich alle ungläubig mir zu. Eben hatten die Speisen sie noch besänftigt, aber nun funkelten sie mich erneut wütend an. Der Zwerg vor mir strafte mich weiterhin mit abweisenden Blicken.
"Der große Thranduil muss seine Tochter wahrlich lieben, wenn er sie zur Bewachung seiner Gefangenen einsetzt", seine höhnischen Worte hallten zwischen dem Felsen wieder. Sie versetzten meinem Herz einen Stich. Es war frustrierend die Gefangenen zu bewachen, aber hatte ich mir wirklich etwas anderes, als Hass von ihnen erwartet? Natürlich nicht, sie hatten jeden Grund mir zu misstrauen und mich zu verhöhnen.
"Aber immerhin scheint seine Tochter ein Herz zu haben. Ihr habt uns mit Speis und Trank versorgt und dafür gebührt dir mein Dank", der Zwerg mit dem weißen Haar nickte mir dankbar zu.
Die Nacht senkte sich über uns. Die Zwerge wurden still, ihre Blicke wandten sich von mir ab und sie zogen sich so weit, wie möglich, in ihrer Zelle zurückzuziehen, um sich etwas auszuruhen.
Nur der majestätische Zwerg mit dem langen Haar und dem ebenso dunklen Bart stand noch am Gitter und starrte sehnsüchtig auf die glatte Felswand vor sich, als sähe er nicht sie sondern etwas, was ihm am Herzen lag. Immer wieder streifte sein Blick mich und die Sanftheit verschwand aus seinen Augen und wurde zu Misstrauen. Als ich das Schweigen zwischen uns nicht mehr aushielt, griff ich in meine Manteltasche und holte das Brot heraus, das er geweigert hatte anzufassen.
"Wie wollt Ihr von hier entkommen, wenn Ihr keine Kräfte sammelt?", fragte ich leise, um die anderen Zwerge nicht zu wecken, und reichte ihm das Brot. Kurz sah er mich nur an, bevor er wortlos nach dem Essen griff. Schweigend aß er. Er schien ausgehungert zu sein, denn er machte sich hastig über die Nahrung her. Ich lächelte leise, zufrieden damit, dass er meine Hilfe angenommen hatte. Aber als er mein Lächeln sah, hörte er auf zu Essen und sah mich stattdessen mit zusammengezogenen Augenbrauen grimmig an. Seine blauen Augen funkelten bedrohlich, aber aus irgendeinem Grund ließ das mein Lächeln nur breiter machen. Schließlich wandte er den Blick ab.
"Wie ist Ihr Name?", erkundigte ich mich neugierig. Ich ließ mich neben seiner Zelle nieder und lehnte mich gegen das Gitter, während ich ihn von der Seite musterte. Seine ernsten Gesichtszüge verliehen ihm etwas Edles. Seine tiefblauen Augen erinnerten mich an einen sonnigen Himmel, aber in ihnen lag eine tiefe Sehnsucht. Seine dunklen, langen Locken umrahmten sein hübsches Gesicht.
"Thorin, Thorin Eichenschild", erwiderte und Stolz schwang in seiner Stimme mit, aber ebenso tiefe Trauer, die auf seinen breiten Schultern lastete. Das erklärte einiges. Thranduil hasste Thorins Vorfahren, das war kein Geheimnis. Hatte er sie deshalb gefangen genommen? War der Grund nicht die Angst vor dem Drachen, sondern Rachsucht?
"Darf ich auch Ihren Namen erfahren?", fügte er hinzu und riss mich damit aus meinen Gedanken. Überrascht sah ich zu ihm, bevor meine Mundwinkel verdächtig zuckten, während ich versuchte ein Grinsen zu unterdrücken.
Gespielt entsetzt schlug ich die Hände vor das Gesicht.
"Versucht Ihr etwa gerade ein Gespräch mit einer Elbin zu führen?", wollte ich wissen und gab meiner Stimme einen dramatischen Klang. Thorin warf mir einen düsteren Blick zu. Ich konnte nicht mehr an mich halten und musste laut auflachen. Das hatte mein Vater mir schon immer versucht auszutreiben. Meine Gefühle konnte ich nur schwer kontrollieren und ich hatte nicht halb so viel Selbstkontrolle, wie mein Volk. Mein Vater warf mir immer zu, ich wäre so leicht zu lesen, wie ein offenes Buch.
Ich zuckte zusammen, als ich plötzlich eine raue Hand auf meinen Lippen spürte, die versuchte mein Lachen zu dämpfen. Thorin hatte seinen Arm durch das Gitter der Zelle gezwängt und hielt mir den Mund zu, während er mich erneut mit einem genervten Blick strafte.
"Meine Gefährten müssen sich ausruhen", meinte er knapp und zog erst seine Hand zurück, als er sich sicher war, dass ich nicht mehr lachte. Misstrauisch sah er mich an. Aber ich lachte nicht, sondern strich stattdessen nur mit meinen Fingerspitzen über meine Lippen, wo ich eben noch die raue Haut des Zwerges gespürt hatte, die ein leises Kribbeln hinterlassen hatte. Ich ließ meine Hand auf meinen Lippen liegen, als möchte ich das seltsame Gefühl noch für ein paar Minuten länger festhalten.
"Y/N, mein Name ist Y/N", antwortete ich endlich leise. Thorins Blick schweifte über mein Gesicht, seine blauen Augen brannten sich in meine. Der genervte Ausdruck in seinem Gesicht war verschwunden und war stattdessen einem so viel ernsteren Blick gewichen. Erneut streckte er langsam die Hand aus und fuhr sanft mit den Fingern durch mein Haar. Atemlos beobachtete ich, wie mein im gedämpften Licht beinahe silbernes Haar durch seine Finger glitt. Seine Hand sah grob aus, wie zum Arbeiten geschaffen, aber in diesem Moment hatte sie mich so unglaublich sachte berührt. Aber dieser Moment war so schnell verschwunden, wie er gekommen war und die Magie verblasste.
Hastig zog Thorin seine Hand zurück. Wortlos zog er sich tiefer zurück in die Zelle und ließ mich alleine mit meinen verwirrenden Gedanken zurück. Langsam erhob ich mich und trat an den Abgrund des Felsens. Gefangen in meinen Gedanken beobachtete ich, wie der schmale Wasserfall in die Tiefe stürzte.
Ich dachte an das Gespräch mit Legolas zurück, das bereits so viele Jahre zurücklag, aber an das ich mich immer noch erinnerte, als wäre es gestern. Ich war noch so jung und wollte wissen, wie es war sich zu verlieben. Ich fragte meinen Bruder danach. Legolas war der Meinung, es ginge schnell, schneller, als man dachte und wenn es wahre Liebe wäre, würde man mit ihr untergehen. Ich lachte bitter auf. Aber ich kannte diesen Zwerg nicht. Noch konnte ich nicht von Liebe sprechen. Aber wären wir in einer anderen Situation und hätten alle Zeit der Welt, würde ich mich verlieben? Ich wusste die Antwort nicht und würde sie wohl auch nicht erfahren.
~~
Als ich am nächsten Tag mit einem Laib Brot in den Händen wieder bei den Zwergen auftauchte, riss ich entsetzt die Augen auf. Die Zellen waren leer. Entsetzt sah ich mich um. Keine Spur von den Zwergen. Hatte ich versagt? Musste ich meinem Vater gestehen, dass die Zwerge entkommen waren?
Hoffnungslosigkeit überkam mich. Aber dann ertönte ein Stapfen. Das Geräusch von schweren Schritten. Ein Lächeln umspielte meine Lippen. Kein Elb machte einen solchen Lärm. Ich folgte den Schritten und hatte die Zwerge, die streitend und lärmend die Treppe nach unten stolperten, bald eingeholt.
"Wenn Ihr fliehen wollt, solltet ihr euch etwas leiser bewegen", riet ich ihnen. Der Trupp hielt entsetzt inne und drehte sich zu mir um. Auf ihren Gesichtern erkannte ich Enttäuschung.
"Das habe ich ihnen auch versucht zu erklären", seufzte eine frustrierte, kleine Gestalt und stemmte die Hände in die Fäuste, als er die Zwerge musterte. Als sein Blick an mir hängen blieb, verstummte er und schluckte schwer.
Ich seufzte und ließ den Blick über die Truppe schweifen. Bei Thorin hielt ich inne. Der stolze Zwerg hatte den Blick gesenkt und Frust verzerrte seine schönen Gesichtszüge. Seufzend winkte ich die Zwerge mit mir.
"Folgt mit", meinte ich und setzte mich gemeinsam mit dem Mann, der noch kleiner als die Zwerge war, an die Spitze. Wir konnten sie nicht ewig hier festhalten. Vielleicht war ich zu naiv, aber in diesem Moment siegte der Wille, den Zwergen ihre Freiheit wieder zu schenken.
Endlich erreichten wir den Ort, wo die leeren Fässer gelagert wurden. Die beiden Elben, die darauf aufpassen sollten, waren bewusstlos mit einem Krug Wein in den Händen. Nachdem der kleine Mann die Zwerge überredet hatte in die Fässer zu steigen, erklangen bereits weit entfernte, kaum hörbare Schritte und das Klappern von Schwertern.
"Y/N", ich wandte mich Thorin zu, der mich zu sich winkte. Ich kniete mich vor ihm auf den Boden, um mit ihm auf Augenhöhe zu sein.
"Ich danke Euch", er umschloss meine Hand mit der seinen und führte sie an seine Lippen. Sanft küsste er meinen Handrücken, bevor er sich von mir abwandte und seinen Gefährten folgte. Ich zwang mich aufzustehen. Ein letztes Mal warf ich einen Blick zu dem Mann, der mir kurz zunickte. In diesem Moment wurde mir bewusst, ich wollte ihn wiedersehen. Er gehörte nicht zu meinem Volk, aber ich wollte ihn unbedingt wiedersehen.
Dieses Mal wandte ich mich endgültig ab und ging den Elbenkriegern entgegen, um sie aufzuhalten. Noch wusste ich nicht, dass ich Thorin schon bald wieder über den Weg laufen würde und auch nicht, dass das Schicksal der Elben bald mit dem der Zwerge verknüpft wäre.
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tinyxfish ich hoffe dir gefällt der Oneshot <33
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