4. Kapitel
Das Erste, was ich wahrnehme ist der weiche, seidige Stoff, der mich umhüllt und mich warm hält. Schwerfällig öffne ich die Augen und werde von hellem Licht geblendet. Aus Reflex kneife ich sie jedoch wieder zusammen und genieße für eine Weile die Dunkelheit. Um mich herum herrscht Ruhe, nur das leise Ticken einer Uhr ist zu hören und ich vernehme leise die Geräusche, die von draußen zu mir durchdringen. Mein neues Gehör, meine neuen Instinkte lassen mich so vieles hören, was ich jedoch in diesem Moment angestrengt auszublenden versuche. Erneut öffne ich die Augen, gewöhne mich schnell an das Licht und fahre mir einmal leise seufzend über das Gesicht. Überraschenderweise befinde ich mich in meinem Zimmer und bin allein. Die Sonne strahlt durch das Fenster, denn die Gardinen sind weit aufgerissen und wirft mein Zimmer in ein helles Licht. Seufzend fasse ich mir an die Stirn, da diese schmerzhaft pocht und fühle mich seltsamerweise ausgelaugt und erschöpft. Mein Schädel brummt, droht beinahe zu Platzen und ich habe keine Ahnung, weshalb. Ich dachte die Unsterblichkeit würde mich vor solchen körperlichen Anstrengungen bewahren. »Du bist wach...«, erschreckt mich plötzlich seine Stimme und Raphael manifestiert sich im nächsten Moment neben mir auf der Bettkante nieder. »Du hast mich erschreckt«, werfe ich ihm leicht lächelnd vor und erhalte von ihm ebenfalls nur ein tröstliches Lächeln.
»Wie geht es dir?«, erkundigt er sich und sofort schießen visuelle Frequenzen von Draven und mir durch den Kopf. Bilder, in denen ich beinahe sterbe und in denen er mich unter fürchterlichen Schmerzen, die unmenschlich gewesen sind sterben lässt. Gnadenlos. Ich schlucke hart auf und beginne schlagartig zu frösteln. Raphael rückt näher an mich heran und legt schützend einen seiner starken Arme um mich. Er spendet mir gerade tröstende Wärme, die ich in diesem Moment so sehr benötige. »Hey...es ist alles gut. Du bist in Sicherheit«, versucht Raphael mich besorgt zu beruhigen, doch ich bin völlig panisch und spüre, wie mir das Herz, welches nur durch die Liebe zu Draven auf ewig schlägt heftig gegen den Brustkorb hämmert. Wie es sich vor Schmerzen zusammenzieht...
»Wie kann ich jemals in Sicherheit sein? Draven will mich tot sehen...und das wird er...ich bin ihm untreu gewesen. Und er hat alles recht der Welt mich zu hassen...« , keuche ich krächzend und spüre, wie sich in meinem Hals ein dicker Kloß verhindert, dass ich richtig atmen kann. »Sag das nicht! Dazu hat er kein Recht. Nimm ihn nicht in Schutz. Er hätte dich sterben lassen, wäre...«, unterbricht er sich und spricht auf einmal nicht mehr weiter. Misstrauisch sehe ich ihn an und lege den Kopf fragend schräg. »Wäre was, Raphael?«, dränge ich ihn zu einer Antwort und umklammere verzweifelt seine Hand. Ich fühle mich so allein gelassen, so ins kalte Wasser geworfen, da ich eine solche Wahrheit erfahren habe und keine Ahnung habe, was tatsächlich richtig ist und was nicht.
»Wäre Gabriel nicht gewesen wärst du jetzt tot!«, meint er dann doch ergeben und versetzt mich somit in unsicheres Schweigen. Gabriel hat mir das Leben gerettet? Wie? Und wieso? Wieso hat er mich nicht einfach sterben lassen? »Aber...wie ist das möglich? Ich hätte sterben müssen...wie konnte er meinem Schicksal entgegen treten?«, möchte ich neugierig und vollkommen überfordert wissen. »Eve...bitte...ich kann nicht«, seufzt er bittend und sieht mich beinahe flehend an. »Er hat mich gezwungen dir nichts zu sagen. Sollte ich es doch tun, reißt er mir das Herz heraus.« Er verdreht bei dieser Aussage kichernd die Augen, denn er nimmt die Drohung seines Bruders nicht wirklich ernst. Was ist nur während meiner mentalen Abwesenheit vorgefallen? Wo ist Draven? Bereut er was er getan hat? Ist er wieder zur Besinnung gekommen? Hat unsere Liebe eine Chance? Kann ich Gabriel vollends vergessen?
»Eve...hörst du mir zu?« Raphael wedelt mit seiner Hand vor meinem Gesicht herum und bittet somit um meine Aufmerksamkeit. Ich schiebe meine Gedanken rasch beiseite und verdränge die Erinnerungen an Draven, in denen er so grausam zu mir ist. »Ja...natürlich.« Ich nicke und bemerke, wie er mich skeptisch mustert und begleitend seine perfekte Augenbraue in die Höhe hebt. Ehe er anfängt zu sprechen seufzt er einmal tief und scheint zu überlegen, wie er mir am besten eine Erklärung geben kann. »Gabriel hat dir sein Blut gegeben«, meint er da auf einmal und ich reiße überrascht die Augen auf. Mir stockt der Atem, sämtlicher Sauerstoff wird aus meinen Lungen gepresst und ich starre Raphael ungläubig an. Was?
»Nur so konntest du das überleben.« Gabriel hat mir sein Blut gegeben, nur damit ich nicht sterben muss? Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mit dieser Information umgehen soll. Was macht das mit meinen Gefühlen ihm gegenüber? Hätte ich gewusst zu was für einem Preis und was das alles für Konsequenzen mit sich ziehen wird, wäre ich lieber gestorben...
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