12. Kapitel
Lange mustere ich ihn, studiere jedes Merkmal seines Gesichts und seiner grenzenlosen Perfektion. Meine Finger streichen zärtlich über seine weiche, glatte Haut, über seine Kieferpartie, seine Wangenknochen und letztendlich über seine vollen Lippen. Seine Worte hallen noch immer in der Stille nach, stehen zwischen uns und lassen mich immer nervöser werden. Er erwartet sicher eine Antwort und erwartet ganz offensichtlich eine Reaktion auf sein Geständnis. Doch was soll ich ihm antworten? Dass ich dabei bin mich ebenfalls in ihn zu verlieben? Oder sogar schon heftig und unwiderruflich in ihn verliebt bin? Dass ich aber dennoch an Draven hänge, da ich die Gefühle für seinen Bruder nicht gänzlich abstellen kann? Dass ich mich nicht entscheiden kann...noch nicht? »Ich denke...ich sollte gehen«, kommt er mir einer Antwort zuvor, rollt sich von mir herunter und lässt mir keine Möglichkeit meine Gedanken zu sammeln. Ich kann seine Reaktion sogar verstehen und dennoch kann ich nicht ertragen, wenn er jetzt geht und mich zurücklässt. »W-wo willst du hin?«, frage ich panisch und greife nach seinem Handgelenk, denn ich will nicht das er geht. Ich setze mich ruckartig auf, ignoriere, dass die Decke dabei von meinem Körper rutscht und somit meine nackte Brust freilegt. Er hat mich sowieso schon so gesehen.
»Ich... weg. Ich kann das nicht. Ich weiß, das ist feige von mir. Aber so bin ich. Feige und egoistisch. Ich kann nicht bei dir bleiben und in deinen Augen die Sehnsucht nach jemanden anderem sehen. Das ertrage ich nicht, Eve«, keucht er leise und sieht mich aus seinen schönen Augen an, die nun nicht mehr so hell glühen. Als würde ich ihm die Energie nehmen. Er löst meine Finger von seinem Handgelenk, legt mir behutsam die Decke über den Körper, um diesen zu bedecken und tritt einen Schritt von meinem Bett zurück. »S-soll das bedeuten...du v-verlässt mich?«, erkundige ich mich verzweifelt und kann das hektische Pumpen meines Herzens nicht kontrollieren. Ich will nicht, dass er jetzt geht, dass er mich alleine lässt, wo ich mich doch so nach seiner Nähe sehne.
»Dich verlassen...«, stößt er leise aus und zieht sich mit einer flüssigen Bewegung seine Sachen an. »Wie kann ich dich verlassen, wenn du mir nicht einmal gehörst?«, faucht er mich hörbar verletzt an und streift sich seine Jacke über. Ich wickle mich also wieder aus der Bettdecke, lasse diese meinen nackten Körper herunterrutschen und stelle mich dicht vor ihn hin, stelle mich ihm somit in den Weg. Ich kann sehen, wie er wegen meines Anblicks schwerschluckt und mit glühendem Blick meinen nackten Körper mustert. Doch er wendet gequält, weil er denkt, er könne mich nicht haben den Blick ab und beißt sichtlich fest die Zähne zusammen. »Aber...das tue ich doch. Ich gehöre dir doch bereits von Anfang an«, hauche ich, schließe meine Augen und atme seinen unwiderstehlichen Duft ein, als ich mich ihm näher entgegen lehne. Aber er geht einen Schritt zurück.
»Eve...ich werde gehen und ich werde nicht wieder zurückkommen.«
»Wieso?« Ich reiße verzweifelt die Augen auf, gehe abermals einen Schritt auf ihn zu und umfasse sein Gesicht mit meinen zittrigen Händen.
»Ich erleichtere dir nur deine Entscheidung, Verflucht«, ruft er ebenso verzweifelt, lehnt seine Stirn erschöpft gegen meine und schließt die Augen.
»Nein, du erschwerst es mir nur. Geh nicht«, bitte ich ihn.
»Ja...geh nicht...«, höre ich da plötzlich Dravens Stimme sarkastisch seufzen und drehe mich erschrocken herum.
Als ich den Schwarzhaarigen erblicke, springt mein Herz sogleich in die Höhe und ich schlucke schwer. »Du!«, rufe ich aus und spüre, wie Gabriel sich schützend vor mich stellt. »W-wie? Wie bist du aus dem Kerker entkommen?«, frage ich perplex und fühle, wie Gabriel mir meine Decke überlegt, um mich vor den lüsternen Blicken Dravens zu schützen, doch dieser lacht bloß: »Mach dir keine Mühe, Brüderchen, nichts, was ich nicht schon von ihr gesehen habe!« Draven grinst schelmisch, hat die Hände hinter dem Rücken verschränkt und legt den Kopf schräg. »Um auf deine Frage zurückzukommen, Kleines...Meine Mutter war so gütig.« Er bewegt sich und ich kann nun sehen, was er in seiner einen Hand zum Vorschein bringt. Ich schreie entsetzt auf. Es ist ein blutiges Herz, welches in seiner Hand liegt und er dieses nun plump auf meinen Teppich fallen lässt. »Sie hat nun nichts mehr zu melden«, seufzt er lächelnd. Mir wird speiübel, ich krümme mich zusammen und versuche, mich nicht zu übergeben. »Ich hoffe, ich habe euch beiden Turteltauben nicht gestört.« Er zeigt zwischen uns beiden hin und her. Ihm scheint es nicht im Geringsten zu stören, dass er Unruhe stiftet. Er ist vollkommen gleichgültig. Emotionslos. Kalt. Ist es möglich, dass ich in einen solchen Mann verliebt war? War ich das denn jemals? »Ich wollte gerade gehen«, zischt Gabriel zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und scheint sich nur schwer zusammenreißen zu können. Beim Anblick des blutigen Herzens seiner nun toten Mutter verzieht er gequält das Gesicht, was mir einen heftigen Stich in der Magengrube versetzt. Ihn leiden zu sehen macht mich völlig fertig...
»Du wirst nirgendwo hingehen, Brüderchen. Ich habe noch viel mit dir vor.« Draven klatscht voller Vorfreude mit den Händen. »Wenn du mich umbringen willst, dann tu es doch endlich!«, fährt Gabriel ihn wütend an, was mich nur entsetzt nach Luft schnappen lässt. Das würde ich nicht zulassen!
»Oh nein, ich will dich doch nicht umbringen. Was denkst du denn von mir? Also vorerst werde ich dich nicht umbringen...aber ich lasse dich nicht ungeschoren davonkommen...alles schön der Reihe nach...«
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