11. Kapitel
Dravens POV
Ich liege lange Zeit auf dem kühlen Steinboden und starre an die Backsteinwand. Es ist eisigkalt, die Dunkelheit streckt ihre Arme nach mir aus und greift nach mir. Ich kann mich kaum bewegen, bin in meiner Bewegung eingeschränkt. Und das habe ich nur meiner geliebten Mutter zu verdanken. Dass Eve es sich traut und wagt mich einfach so aufzusuchen. Dass sie hierher kommt...
Sie sollte tot sein, nicht mehr unter uns verweilen. Wie konnte sie das überleben? Hat sie mich nicht hintergangen? Mit meinem Bruder? Der, der eigentlich ihr wahrer Gefährte ist? Sie hätte sterben und mich meinen Trumpf auskosten lassen sollen. Stattdessen kommt sie hierher und bittet mich, ich solle zu mir kommen und wieder der Alte werden. Ich bin der Alte. Ich bin immer noch dasselbe Monster wie zuvor. Das Monster, welches mein Vater mir austreiben wollte und woran er kläglich gescheitert ist. Keine Sterbliche kann mich verändern. Ich kann es ja noch nicht einmal selbst. Ich wüsste auch nicht wie. Es ist nicht zu leugnen, dass Eve mir wichtig ist, dass ich sie liebe und ich mir damals bei ihrer Verwandlung Sorgen um sie gemacht hatte. Doch in erster Linie, ist es mir wichtig gewesen sie nicht sterben zu lassen. Vorerst. Sie sollte zum richtigen Zeitpunkt sterben. Sie sollte sterben, wenn Gabriel dabei zusehen musste. Mein Plan ist gescheitert.
Nun sitze ich meine Strafe in dieser Zelle ab, in dem Wissen, dass mich das keineswegs verändern wird. Irgendwann höre ich Schritte, die an den Wänden des Kerkers zurückgeworfen werden und kann meinen Kopf kaum heben. Es ist mir nicht möglich. Meine Mutter, verflucht sei sie, hat mich in die Knie gezwungen. Kaum denke ich über sie nach, steht sie auch schon vor mir. Völlig in weiß gekleidet und wunderschön. Sie ist so rein, ganz anders als ich. Ich bin verdorben, doch es stört mich nicht. Nicht im Geringsten. »Was willst du hier?«, seufze ich und möchte sie nicht ansehen. Ihre Liebe zu mir, die in ihren Augen strahlt, halte ich nicht aus. Ich kann sie nicht ertragen. »Ich möchte nach dir sehen«, sagt sie sanft und kniet sich zu mir herunter. Aus Reflex zucke ich zusammen, denn ich kann ihre Aura, ihre Gutmütigkeit geradezu fühlen. Es bringt mich beinahe um. Sie fährt mir über das dunkle Haar und summt eine leise Melodie, die mich um so viele Jahrhunderte zurückversetzt. Als ich noch nicht ganz so verdorben und boshaft gewesen bin. Als ich noch ihr Liebling gewesen bin.
Ich halte es nicht aus und ich wünschte, sie würde aufhören mich so zu quälen. Sie soll aufhören mich ändern zu wollen, sie alle sollen aufhören mich zu verändern. Ich will es nicht. Ich habe es nicht einmal verdient. »Hör auf«, schreie ich irgendwann gequält, will mich winden und mich erheben, doch sie gewährt es mir nicht. Diese miese Schlange. »Aber mein Liebling, du hast dir immer gewünscht, dass ich dir dieses Lied singe. Du hast dich danach besser gefühlt, du hast dich danach doch immer stark und mutig gefühlt«, meint sie sanft, streicht weiterhin zaghaft über mein Haar. Ich packe ihr Gesicht und bewege meinen Arm. Die einzige Bewegung, die mir gestattet ist. »Ich will, dass du aufhörst!«, brülle ich sie wütend und unter Schmerzen an. Ich kann ihre sanften Gesichtszüge nicht länger ertragen. Ich kann sie nicht mehr ertragen. Ich bohre meine Hand in ihre Brust, umfange ihr pochendes Herz und sage fies grinsend zu ihr, während sie mich noch immer mit sanftmütigem Blick mustert: »Es war ein Fehler zurückzukehren...«
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro