Kapitel 38
»Mama, Papa, ich gehe!«, rufe ich mit zittriger Stimme durch das Haus und hoffe, dass mir meine Eltern meine Nervosität nicht anmerken.
»Schatz, wohin willst du denn?«, möchte meine Mutter auch schon neugierig wissen. Ich stöhne innerlich auf. Ich will sie nicht direkt anlügen müssen, aber es ist nun einmal notwendig, deshalb suche ich nach einer billigen Ausrede.
»Ich treffe mich mit einer Freundin aus der Schule«, lüge ich sie an. Ich habe nicht eine einzige Freundin an der neuen Schule, was mich jedoch nicht im Geringsten stört. Draven hätte meine Eltern lieber manipulieren und sie glauben lassen sollen, ich hätte das Haus nie wirklich verlassen.
»Okay, viel Spaß, Liebling«, wünscht mir meine Mutter und kauft mir offenbar meine Lüge anstandslos ab. Erleichtert darüber schließe ich eilig die Tür hinter mir. Schnellen Schrittes laufe ich über das Pflaster und als ich in den Himmel sehe, bemerke ich über mir die langsam eintretende Nacht.
»Lauf nicht so schnell...wir haben noch ein wenig Zeit«, höre ich plötzlich Draven sprechen. Er materialisiert sich vor meinen Augen und steht kurzerhand direkt vor mir. Seine Arme schlingen sich um meine Taille und binnen weniger Sekunden befinde ich mich nicht mehr auf der Straße. Ich stehe in einer großen Eingangshalle, vermutlich in seiner Residenz. Es ist alles in roten und goldenen Tönen gehalten. Eine Wendeltreppe, mit goldenem Geländer, führt in den zweiten Stock. An den Wänden hängen Familienportraits, die ich neugierig mustere. In der Luft hängt der Geruch von Schwefel und Feuer, es riecht beinahe angenehm. »Raphael ist bereits bei Rina, er will ihr jetzt weiß machen, dass alles zu seiner Verwandlung dient. Ich hoffe, es klappt alles wie geplant«, seufzt er leise und führt mich durch eine Tür. Er führt mich in einen Raum, in dem ein prächtiger Thron steht. Sein Herrscherthron. »Ein wenig protzig, aber mir gefällt es«, schmunzelt er, als er meinen Blick richtig deutet. Er geht auf diesen zu und zieht mich auf seinen Schoß, sodass ich mich an seine breite Brust lehnen kann. »Hast du Angst?«, will er flüsternd wissen und streicht mir Sanft über das Haar.
»Ein bisschen, aber ich vertraue dir voll und ganz«, murmle ich und male gedankenverloren kleine Kreise auf seinen Unterarm, den er um mich geschlungen hat.
»Es wird alles gut«, spricht er mir, aber vor allem auch sich selbst gut zu.
»Ah, Eve, Sie sind also wirklich dazu bereit?« Dravens Vater kommt in diesem Moment durch den Raum spaziert, durchquert mit großen Schritten eben diesen. Er reicht mir seine Hand, die groß und sehr warm ist und schüttelt sie kurz. »Sehr erfreut, Sie bald in der Familie willkommen zu heißen«, lächelt er mich charmant an und wendet sich seinem Sohn zu: »Raphael ist bereits dabei seine Sterbliche zu verwandeln. Sie sind oben. Du solltest auch beginnen, ehe der Mond abnimmt.« Draven schluckt hörbar, nickt ihm zu und nimmt mich an die Hand. Jetzt ist es soweit. Es gibt nun kein Zurück mehr.
In einem kleinen Raum, im oberen Stockwerk, schließen wir hinter uns die Türe. Einige Kerzen, die aufgestellt worden sind, erhellen das Zimmer und sind somit die einzige Lichtquelle. Mitten im Raum steht ein Bett, ohne Kissen, ohne Decke. Es erinnert mich seltsamerweise an eine Opferstätte. »Bist du bereit?«, haucht er mir ins Ohr, verteilt kleine Küsse auf der Haut meines Halses und versucht mich somit zu beruhigen. Ich habe mit den verschiedensten Emotionen zu kämpfen, nicke deshalb voller Vorfreude, die von Angst vor dem Unbekannten begleitet wird. Da spüre ich, wie sich seine Zähne, die plötzlich lang und spitz sind, tief in meiner Haut versenken. Vor Schmerz schießen mir Tränen in die Augen und ich versuche krampfhaft meinen Schrei zu unterdrücken, denn ich will nicht schwach wirken und ihn somit von diesem Vorhaben abbringen. Langsam beginnt er an meinem Hals zu saugen und mit jedem Schluck mehr, den er von meinem Blut kostet, schwindet die Kraft aus meinem Körper und ich bekomme nebenbei mit, wie er mich sachte auf dem Bett niederlässt, wie er weiterhin mein Blut heraussaugt. Immer mehr Lebensenergie weicht aus meinem Körper. Die Anstrengung wach zu bleiben, gegen den Schmerz und die Qual anzukämpfen, wird immer größer. Ein unangenehmes Taubheitsgefühl befällt mich und schwarze Punkte verdecken tanzend meine Sicht, bis ich irgendwann der einladenden Dunkelheit nicht mehr widerstehen kann und mich dieser hingebe...
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