Kapitel 35
Raphael stürzt sich auf Draven und holt aus. Seine Faust trifft seine Nase. Ich höre es knacken und keuche erschrocken auf. Ehe ich etwas tun kann, beginnt er zu sprechen: »Alter, tu mir sowas nie wieder an. Ehrlich, das nächste Mal breche ich dir sämtliche Knochen, dann bleibt das nicht nur bei der Nase.« Schweratmend stützt Raphael sich mit den Händen an den Knien ab und sieht zu seinem Bruder auf. Draven verharrt in derselben Position und bedeckt sich mit der einen Hand die Nase. Über sein Handrücken läuft Blut und tropft auf den Teppich.
»Es kommt nie wieder vor«, keucht Draven, stellt sich nun aufrecht seinen Bruder gegenüber.
»Das hoffe ich, Mann.« Keine Sekunde später, liegen sie sich gegenseitig in den Armen. Sprachlos beobachte ich das Ganze, ich kann kaum fassen, was sich hier soeben abspielt. Raphael klopft seinem Bruder auf die Schulter, Draven tut es ihm gleich und sie lassen peinlich berührt voneinander ab.
»Ich folge Vater. Ich will sie sehen«, meint er und vergräbt seine Hände tief in seinen Hosentaschen.
»Soll ich dich begleiten?«, bietet Draven ihm erstaunlicherweise höflich an.
Doch sein Bruder schüttelt nur den Kopf. »Ne, Mann, da muss ich alleine durch, außerdem denke ich nicht, dass sie ihren vermeintlichen Mörder sehen möchte. Bleib du mal bei deiner Flamme.« Mit diesen Worten zwinkert er mir zu und ist dann plötzlich verschwunden.
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Raphaels POV
Binnen weniger Sekunden bin ich in der Unterwelt, fasse Fuß auf dem Terrain der Residenz meines Bruders und treffe sogleich auf meinen Vater. Dieser sitzt gelangweilt auf dem Thron und sieht auf, als er mich wahrnimmt. »Das hat aber gedauert. Habt ihr endlich eure Differenzen klären können?«, möchte er neugierig wissen.
Ich zucke die Schultern und fahre mir durch die Haare. »Ja, offensichtlich.« Ich möchte jetzt keine Zeit mehr verschwenden. Ich will zu Rina.
»Das wurde aber auch Zeit. Ihr wart wirklich unausstehlich.« Er erhebt sich und kommt vom Podest herunter, direkt auf mich zugelaufen. »Du willst sie also sehen?«, fügt er hinzu und ich nicke, ich kann es kaum erwarten. Ich bin nicht einmal fähig etwas zu sagen.
Mit trockenem Hals, zittrigen Händen und stark pulsierendem Herzen folge ich ihm. Er läuft durch die langen Flure und durchquert etliche Türen. Wir besteigen einige Treppen, die uns nach unten zu den Verließen führen, die mir nicht fremd sind. Der Geruch von Verwesung und Blut liegt in der Luft, es wird kühler mit jeder Stufe, die mich weiter nach unten führt.
Plötzlich bleibt mein Vater stehen und beinahe pralle ich gegen seine Schulter. Ich komme rechtzeitig zum Stehen und folge aufgeregt seinem Blick. Vor mir liegt sie. Zusammengekauert hinter Eisenstreben. Eingesperrt. Allein und einsam.
»Du hast gesagt ihr würde es gut gehen!«, fauche ich meinen Vater an, stelle mich dicht an die Kerkertür und deute auf die Liebe meines Lebens. Ich sehe, dass sie friert, wie ihre Arme mit Gänsehaut übersät sind und ihr gesamter, schmaler Körper bebt.
»Hier ist sie sicher vor anderen Schattenwesen, die ihr schaden wollen.« Abwehrend hebt er die Arme, öffnet die Türen und lässt mich eintreten.
Sofort drängle ich mich an ihm vorbei und knie mich neben sie. Ich fasse sie sachte an der Schulter an und erschaudere, als ich sie endlich, nach all der Zeit wieder berühren kann. »Rina...Liebling...hörst du mich?«, erkundige ich mich, ziehe sie Sanft und behutsam zugleich an mich. Ihr Körper zittert heftig und ihre zarten Finger krallen sich in den Stoff meines T-Shirts. Sanft streiche ich über ihr Haar und versuche, sie zu beruhigen. Sie scheint neben sich zu sein, denn sie realisiert offensichtlich nicht, dass ich anwesend bin.
Ich nehme ihr Gesicht in meine Hände und versuche, ihren Blick einzufangen. Ihre Augen werden groß, als sie erkennt, dass ich vor ihr sitze. »Raphael «, krächzt sie mit brüchiger Stimme.
»Ja, Liebling, ich bin es«, hauche ich und küsse ihr unglaublich zart auf die Stirn.
»Wie...wo...kommst du her? Bist auch du tot?«
»Nein, Liebes. Und du bist es auch nicht. Mein Vater hat dich gerettet. Du bist am Leben.« Meine Stimme überschlägt sich beinahe vor Freude. Ich kann es kaum begreifen, dass ich sie wahrhaftig in meinen Armen halten darf. Dass ich nach all der Zeit wieder ihre Nähe spüren darf. Es ist einfach überwältigend.
»Ich...bin also nicht tot?«
»Nein, Liebling, nein. Du kannst nun endlich meine Gefährtin werden. Und mit mir bis in alle Ewigkeit leben.«
»Aber ich bin eine Sterbliche Raphael . Hast du das vergessen?« Ihr Griff wird fester und sie rückt näher an mich heran. »Er wird mich umbringen...wieder!«, keucht sie voller Panik vor meinem Bruder auf und klammert sich fest an mich.
Beschützend lege ich meine Arme um sie und murmle: »Er wird dir nichts tun, du bist in Sicherheit, er wird dir nie wieder etwas tun! Du kannst endlich mit mir leben. Zusammen. Für immer. Du musst nur unsterblich werden.«
»Ich will aber mit dir alt werden und mit dir sterben können. Wie die Natur es vorsieht.« Überrascht und auch ein wenig verdutzt sehe ich sie an.
»Aber das kann ich nicht«, erwidere ich und schüttle partout den Kopf. Ist ihr klar, was sie da sagt?
Euphorisch klammert sie sich an mir fest und ist ziemlich aufgeregt. Sie scheint von dieser Idee mehr als überzeugt. Was sie dann sagt, bringt mich aus der Fassung. »Leg deine Unsterblichkeit ab und führe mit mir ein sterbliches Leben!«
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