Kapitel 27
Ich werde von den Strahlen der Sonne geweckt und öffne deshalb langsam grummelnd die Augen. Wohlig seufzend die Sonne auf meiner Hat genießend, recke ich mich, schwinge dann die Beine über die Kante, verharre noch einen Augenblick auf der Bettkante und fahre mir einmal durch die struppigen Haare. Mein Körper fühlt sich seltsam schwer und kraftlos an. Als hätte ich mich körperlich schwerbetätigen müssen. Seufzend stehe ich dann jedoch auf und laufe schlurfend ins Badezimmer. Ich lasse kaltes Wasser in meine Handinnenflächen laufen und spritze es mir ins Gesicht, um einigermaßen munter zu werden. Mein Haar binde ich zu einem Zopf zusammen, richte diesen dann noch und werfe einen Blick in den Spiegel über dem Waschbecken.
Ich erschrecke auf einmal. An meinem Hals prangt ein ziemlich auffälliger, blauer Fleck. Ein Knutschfleck? Erschrocken reiße ich die Augen auf, versuche diesen seltsamen Fleck wegzuwischen und hoffe, ich bilde ihn mir nur ein. Wo kommt der denn her? Valentine und ich haben uns gestern Abend ordentlich voneinander verabschiedet, ohne jeglichen Körperkontakt. Rasch öffne ich wieder meine Haare und lasse diese über den Fleck fallen, verberge ihn somit vor den neugierigen Blicken meiner Mutter.
Eilig renne ich die Treppen herunter und begegne natürlich meiner Mutter. »Guten Morgen Schatz, so früh schon wach?«, schmunzelt sie belustigt über mich, da sie weiß, ich hasse das morgendliche Aufstehen und fährt mir durch das Haar. Augenrollend versuche ich, ihr auszuweichen, denn ich hasse diese Geste. Es hat etwas Herablassendes an sich. »Oh Gott, was hast du da?«, ruft sie da plötzlich aus und greift offensichtlich aus Reflex nach meinem Arm. Sie dreht und begutachtet ihn eingehend. Mit gerunzelter Stirn versuche ich ihr meinen Arm zu entziehen.
»Mama, was ist denn? Lass das!«, fordere ich sie unwirsch auf und versuche weiterhin mich ihrem Griff zu entziehen, denn ihre Hand übt ein wenig zu viel Druck aus.
»Woher hast du die?«, möchte sie nun sichtlich besorgt wissen. Sie deutet auf ziemlich lange, rote Striemen, die meinen Arm zieren. Überrascht sehe ich auf die Wunden auf meiner Haut und bin mehr als verwirrt. Woher habe ich denn die? Mit gerunzelter Stirn denke ich an den Fleck auf meinem Hals und hoffe inständig, er ist vor den Blicken meiner Mutter sicher.
Bevor sie mich länger ihrer Befragung unterziehen kann und möglicherweise meine eigene Verwirrtheit bemerkt, sage ich: »Ich habe keine Ahnung?!«
»Bist du dir sicher?«, hakt sie nach und bleibt dabei ziemlich hartnäckig.
»Mama, komm jetzt mich bitte lass los...ich muss in die Schule«, dränge ich sie, entreiße mich ihr und verlasse schnell und ohne ein letztes Wort das Haus.
Im Auto fahre ich stirnrunzelnd mit den Fingerkuppen über die recht tiefen Schnitte und zucke leicht zurück, denn es fängt an zu schmerzen. Ich versuche mich daran zu erinnern wo ich mir diese wohl zugezogen haben könnte und versuche, der Leere in meinem Kopf, die mich seit meinem Aufstehen begleitet, einem Grund zu geben. Aber es gelingt mir nicht. Es ist als würde ich vor eine Mauer rennen, sobald mein Hirn versucht sich einen Reim auf diese Wunden zu machen. Was passiert mit mir? Was ist mit mir passiert?
Seufzend fahre ich los, versuche die Grübelei vorerst in den hintersten Teil meines Hirnes zu verbannen und konzentriere mich auf die Straße. Während ich dies tue, bemerke ich, wie mein Handy auf der Mittelkonsole zu vibrieren beginnt. Mit dem Blick nach vorne auf die Straße gerichtet, greife ich danach, nehme ab und klemme mir das Handy zwischen Ohr und Schulter. »Ja hallo?«
»Hallo...süße Eve«, raunt eine mir unbekannte sehr tiefe Stimme in den Hörer.
Verwirrt runzle ich die Stirn, bekomme jedoch von der grotesken Situation eine Gänsehaut. »Wer ist denn da?«, frage ich daher perplex.
»Ach ich vergaß, ich wurde dir ja noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Raphael«, erwidert er äußerst charmant. Ich versuche mir einen Reim darauf zu machen, was sein Anliegen sein könnte und woher er überhaupt meine Nummer hat.
»Und was möchtest du von mir?«, frage ich höflich und warte recht geduldig ab, was er zu sagen hat.
»Nun, ich habe da ein kleines Problem«, seufzt er bedauernd und klingt dabei immer noch außerordentlich charmant.
»Was kann ich denn dagegen tun?« Ich bin fast an der Schule und hoffe, dass er sich beeilt und endlich zum Punkt kommt.
»Deine Mutter ist wirklich sehr nett. Schade nur, dass sie das nicht mehr lange sein wird, wenn du nicht in fünf Minuten zu Hause bist«, seufzt er erneut und geht überhaupt nicht auf meine vorherige Frage ein. Vielmehr wirft er nur noch mehr Fragen auf, die er mir ganz sicher nicht gewillt ist zu beantworten.
»D-du bist...was w-willst du von meiner Mutter?«, frage ich verwundert, kann seinen Worten keine logische Erklärung zuordnen und spüre, wie allmählich die Panik zu mir durchdringen will.
Leise beginnt er zu lachen, tief höre ich den Bass seiner Stimme in seiner Brust grollen und erschaudere. Doch es ist keine positive Reaktion. »Ich werde sie umbringen. Es sei denn du kommst, um sie vor mir zu retten.« Noch immer klingt er nett und zuvorkommend, doch ich reiße beinahe das Lenkrad herum und wäre vor Schreck beinahe von der Straße abgekommen.
»Was? Aber...wieso? Wieso tust du das?«, will ich panisch wissen und bin im Begriff meinen Wagen zu wenden.
»Fünf Minuten, Süße oder du wirst deine Mutter nicht mehr wiedersehen.« Somit ist dieses absurde Gespräch plötzlich beendet.
Panisch und getrieben vor Angst um das Leben meiner Mutter, rausche ich mit quietschenden Reifen über die Straße zurück in die Richtung nach Hause. »Fahr nicht zurück zum Haus. Das ist eine Falle«, ertönt auf einmal eine weitere tiefe Stimme hinter mir. Meinen Lippen entkommt ein erschrockener Laut, verängstigt sehe ich in den Rückspiegel und erkenne einen jungen Mann. Vor Schreck schreie ich ein weiteres Mal auf. Ich bin komplett mit meinen Nerven am Ende.
»Was-Wer bist du? Was hast du in meinem Wagen zu suchen?«, kreische ich beinahe hysterisch. Wie zur Hölle ist dieser Fremde auf meinen Rücksitz gelangt? Ohne, dass ich es bemerkt habe?
»Das ist jetzt nicht relevant! Vertrau mir einfach. Deiner Mutter geht es gut. Kehr um und fahr zur Schule!«, beschwört er mich und versucht mir einzureden meiner Mutter würde es gut gehen. Dabei hatte dieser Raphael doch etwas ganz anderes behauptet. Sein unterschwelliger, drohender Unterton und seine Forderung waren unmissverständlich. Aber wieso sollte ich diesem unheimlichen Fremden hinter mir Glauben schenken? Ich will protestieren und sehe erneut in den Spiegel. Bei einem zweiten Blick in eben diesen, erkenne ich seine erschreckende Augenfarbe. Seine Augen sind kohlrabenschwarz...
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