Kapitel 2
Ich blinzle hektisch und will anfangen zu schreien, doch irgendetwas schnürt mir die Luft ab, lässt keinen Ton über meine Lippen entweichen und das heftige Hämmern meines Herzens gegen meinen Brustkorb presst mir sämtlichen Sauerstoff aus den Lungen. Mit zittriger Hand taste ich eilig nach meinem Nachtschränkchen und knipse die kleine Lampe an. Helles Licht erfüllt den Raum, doch nichts ist zu sehen. Das Zimmer ist leer. Nichts außer der unausgeräumten Kisten, welche an die Wand geschoben sind stehen da. Die Wände sind kahl, schreien beinahe vor Leere, weshalb meine Panik wieder verfliegt und ich mich abermals entspanne.
Achselzuckend schwinge ich die Beine über die Bettkante und laufe auf die Zimmertür zu. Der große Flur liegt in völliger Dunkelheit, an welche sich meine Augen erst einmal gewöhnen müssen. Leise tapse ich die Treppen herunter, erschrecke als ich über die letzte Stufe laufe, die laut anfängt zu knarren und schüttle über mich selbst leise kichernd den Kopf. Manchmal bin ich echt ein kleiner Angsthase.
In der Küche angekommen, taste ich nach dem Lichtschalter. Auch hier ist bisher noch alles recht leer und unpersönlich. Keine einzige der gestapelten Kisten ist ausgeräumt. Meine Eltern und ich sind erst gestern hier eingezogen. In das große Herrenhaus, am Rande der Stadt, in der ich nicht sein will. Aber wer fragt mich schon nach meiner Meinung? Leise wühle ich in einer der Kisten und suche nach einem Glas. Nach wenigen Sekunden werde ich fündig, befreie das Glas von dem Zeitungspapier, welches ganz offensichtlich mein grobmotorischer Vater eingepackt hat und schenke mir Wasser ein. Wenigstens haben wir schon Wasseranschluss. Hinter mir höre ich das Schlurfen von Hausschuhen und ich sehe wenige Augenblicke später meinen verschlafenen Vater im Türrahmen erscheinen. Sein blauer Pyjama ist ihm viel zu groß. Die Hose hat er ziemlich weit über seinen kleinen Bauch nach oben gezogen, die Ärmel bedecken seine Hände und unten schleift der Saum seiner Hosenbeine auf dem Boden. Sein braunes Haar steht ihm wirr vom Kopf ab. Müde reibt er sich über die Augen.
»Eve...was machst du hier?«, krächzt er verschlafen, taumelt auf mich zu, nimmt mir das Glas aus der Hand und trinkt selbst daraus.
»Nun, eigentlich wollte ich etwas trinken, aber ein blaues Etwas kam mir zuvor!«, kichere ich und stemme die Hände in die Hüften. Erschrocken reißt mein Vater die Augen auf, den Blick zwischen mir und dem Glas herwandernd.
»Oh...es tut mir leid«, lacht er leise auf und reicht mir mein nun leeres Glas. Mit einem Kuss auf die Stirn, verlässt er die Küche und ich höre, wie auch unter ihm die erste Stufe knarzt.
━━━━━━⊱✿⊰━━━━━━
Aufgeregt trommle ich mit dem Finger auf dem Lenkrad meines Wagens herum und rede mir aufmunternd zu, dass ich das schaffe, dass ich nicht aufgeregt zu sein brauche. Ich kann sehen, wie eine Horde Schüler in das Gebäude strömt. Ich greife nach meiner Tasche, die auf dem Beifahrersitz liegt, öffne die Tür und schließe mich mit rasendem Herzen dem Schülerstrom an und gehe somit in diesem unsichtbar unter.
Im Gebäude angelangt, frage ich höflich ein paar nett aussehende Schüler, wo ich das Sekretariat finden kann. Die Jugendlichen weisen mir den Weg und ich bedanke mich. Kurz bevor ich das Sekretariat betreten kann, stürmt ein hochgewachsener Junge aus der Tür und rennt mich beinahe um.
»Pass doch auf!«, fährt der Kerl mich sogleich unhöflich an. Mit seinem Blick metzelt er mich geradezu nieder. Seine Augen haben eine seltsame Farbe. Sie sind fast schwarz und haben einen eigenartigen orange farbenen Schimmer rund um die Iris. Mich schaudert es, auf meinen Armen bildet sich eine Gänsehaut und in meinem Hals bildet sich ein dicker Kloß, der mich daran hindert vernünftig atmen zu können. Sein Blick bereitet mir Unbehagen und ich senke eilig den Kopf, um seinem Blick auszuweichen.
»Verzeihung«, murmle ich leise mit weiterhin gesenktem Kopf, lasse ihn dann an mir vorbeigehen und betrete, nachdem ich diesem seltsamen Jungen hinterher gesehen habe, das Sekretariat.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro