00. Prolog
Die Frau saß aufrecht in einem braunen Ledersessel. Ihre verschränkten Beine waren von einem langen, weinroten Rock umhüllt. Ihr Oberkörper wurde von einer weißen Bluse bedeckt. Sie lehnte sich zurück, während sie einen tiefen Zug von ihrer Zigarette nahm. Den Blick behielt sie fest auf der geschlossenen Tür gerichtet.
Das Büro, in dem sie sich befand, war ordentlich. Zettel stapelten sich in dem einem Eck des Schreibtisches und die Füllfedern auf der anderen Seite. Der Aschenbecher vor ihr war unbenützt.
Laute Worte drangen gedämpft durch die Tür, aber keine der Stimmen näherten sich. Die eisblauen Augen der Frau hafteten unbewegt auf der Tür. Sie schien, auf jemanden zu warten.
Schritte wurden lauter, dann drehte sich der goldene Türgriff und die Tür wurde aufgestoßen. Für einige Sekunden füllten die angeregten Stimmen, der Besucher des unteren Stockwerkes den Raum. Dann wurde die Tür wieder zugestoßen und die Geräusche der Gäste erneut ausgesperrt.
Der Mann, dessen schwarzes Haar bereits von silbergrauen Strähnen durchzogen wurde, wandte sich mit einem leisen Aufseufzen um. Seine Augen weiteten sich und er zuckte kaum merklich zusammen, als sein Blick auf die junge Frau fiel.
,,Was machen Sie in meinem Büro?", wollte er mit harter Stimme wissen, während seine Augen durch das ganze Zimmer huschten und er sich sichtlich bemühte, die Situation zu erfassen. Bevor die Frau antworten konnte, fügte er verwirrt hinzu: ,,Kenne ich Sie? Ich kann mich nicht erinnern, Sie eingeladen zu haben."
Die Frau stieß seelenruhig den Rauch aus, bevor sie sich vorbeugte und die freie Hand auf dem Schreibtisch platzierte. Beim genaueren hinsehen, konnte sie die tiefen Augenringe im Gesicht des Mannes und seine bleiche Haut erkennen. Sie wusste, was der Grund für seine Sorgen war.
,,Nein, wir hatten noch nicht das Vergnügen, Signor Romero", erwiderte sie. Sie konnte nicht einschätzen, ob die Falten in seinem Gesicht, altersbedingt waren oder von der Last stammten, die er auf den Schultern trug.
,,Wer sind Sie?", wollte der Mann wissen. Obwohl er versuchte seiner Stimme einen festen Klang zu geben, verrieten seine Augen, die unruhig durch den Raum wanderten, seine Unsicherheit. Es hatte den Anschein, als glaube er der Frau nicht, dass sie alleine war.
,,Das ist unwichtig", die Frau setzte erneut die Zigarette an ihre roten Lippen, bevor sie den Rauch langsam in die Luft ausstieß. Furcht flackerte über das Gesicht des Mannes.
,,Sie gehören zu denen, oder? Ihr habt meine Tochter geholt und jetzt wollt ihr auch noch mich", seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter, während er langsam zurückwich.
,,Nein, im Gegenteil. Ich will ihnen helfen, Ihre Tochter zu befreien", meinte die Frau kühl. Sie mochte es nicht, verdächtigt zu werden, ausgerechnet mit der Gruppe gemeinsam Sache zu machen, die sie abgrundtief verabscheute.
,,Sie-Was?", die Augen des Mannes weiteten sich. Dann tat er etwas, mit dem die Frau nicht gerechnet hatte: Er brach in schallendes Gelächter aus.
,,Sie wollen mir helfen? Ausgerechnet eine Frau will mir helfen, mein Kind aus den Fängen der Mafia zu befreien?", er lachte erneut auf. Sein Lachen wurde immer schriller, nahm einen verzweifelten Ton an, bis es an Wahnsinn grenzte. Seine Augen waren gerötet und die Frau war sich bei einer Sache sicher: Hätte er nicht gelacht, wäre er im Tränen ausgebrochen.
,,Wie es aussieht ist diese Frau Ihre einzige Möglichkeit. Sie wissen doch bestimmt, dass die Polizei schon lange nicht mehr verlässlich arbeitet", entgegnete die Frau mit einem kaum bemerkbaren giftigen Unterton. Sie musste sich bemühen, ihre Gleichgültigkeit beizubehalten. Wie sehr sie es hasste, von den Männern unterschätzt zu werden. Trotzdem fügte sie gelassen hinzu: ,,Die Mafia hat die Polizei in den Händen. So wie fast ganz Sizilien." Aber der Mann brauchte ohnehin keine weiteren Erklärungen. Er war sich der Tatsachen ebenso bewusst.
,,Wenn Sie weiterhin ein unabhängiges Unternehmen führen wollen, lassen Sie sich auf diese Abmachung ein", fuhr die Frau fort. Ihre blauen Augen funkelten im gedämpften Licht des Zimmers. Sie war auf dem richtigen Weg.
,,Welche Abmachung?", der Mann fuhr sich mit einer müden Geste durchs zurückgegelte Haar. Eine Strähne hatte sich bereits aus der sorgfältigen Frisur gelöst. Unruhig trat er von einem Fuß auf dem anderen, schien seine eigenen Gefühle nicht mehr kontrollieren zu können. Es behagte ihm sichtlich nicht, dass die fremde Frau seinen Arbeitsplatz besetzte und Forderungen stellte, wo es doch eigentlich umgekehrt sein sollte. Trotzdem hörte er sie an. Der Druck durch die Entführung seiner einzigen Tochter und das Unternehmen, das in Gefahr stand, ließen ihn beinahe zerbrechen.
,,Geld. Ich befreie Ihre Tochter und Sie zahlen mir zwei Tickets nach Amerika als Gegenleistung. Außerdem benötige ich zusätzlich eine kleine Summe, damit wir dort überleben können", die Frau beugte sich vor und drückte ihre Zigarette in dem zuvor noch sauberen Aschenbecher aus. Ihre Körperhaltung verriet nicht die geringste Anspannung, aber innerlich hielt sie den Atem an. Alles hielt von der Antwort des Mannes ab. Doch dieser schwieg.
,,Du kennst die Forderungen der Mafia, nicht wahr? Sie haben Ihre Tochter nicht entführt, um Lösegeld zu erpressen. Sie soll einen ihrer Männer heiraten. Sie würden nicht nur Ihre Tochter verlieren, sondern müssten mindestens die Hälfte des Geldes an die Mafia weitergeben", die Frau beschloss weiter Druck auszuüben. Doch die Ruhe des Mannes zerbrach damit endgültig.
,,Schweigen Sie!", brüllte er aufgebracht, während seine Faust einige Zentimeter vor der Frau auf den Tisch prallte. Der Aschenbecher rutschte über die Kante und zerschellte mit einem leisen Klirren am Boden. Für einen Moment rechnete die Frau damit, dass sich die Tür öffnen würde und besorgte Gäste in das Büro stürzen würden. Aber die schienen sich prächtig zu amüsieren, denn alles blieb ruhig. Schwer atmend stützte sich der Mann mit der rechten Hand am Türrahmen ab, während er sich mit der anderen die Schweißtropfen von der Stirn wischte. Die Frau konnte die Emotionen des Fremden gut genug einschätzen, um zu wissen, dass es besser war zu schweigen.
Stille breitete sich aus. Jede Sekunde schien sich unerträglich in die Länge zu ziehen. Obwohl die Frau sich bemühte, ihre gleichgültige Miene beizubehalten, bereute sie es mittlerweile, ihre beruhigende Zigarette bereits ausgedrückt zu haben.
,,In Ordnung", mit einem tiefen Seufzen begann der Geschäftsführer endlich zu sprechen, ,,Sie bekommen Ihre Chance. Aber ich warne Sie, wenn Sie meine Tochter irgendwie in Gefahr bringen, dann sollten Sie keine Angst mehr vor der Mafia haben, sondern vor dem Auftragskiller, den ich Ihnen hinterherschicken werde." Die junge Frau konnte ihm nicht ansehen, ob er in der Verzweiflung bluffte oder tatsächlich ernst war. Trotzdem hatte sie gelernt, niemanden zu unterschätzen.
Sie erhob sich und griff nach dem schwarzen Mantel, der über der Stuhllehne lag. Sie zog ihn sich über und er schmiegte sich an ihren Körper wie ein dunkler Wasserfall an die Felsen. Sie drängte sich an dem Mann und öffnete die Tür. Sie wandte sich ihm ein letztes Mal zu. Ihre dunkelroten Lippen verzogen sich zu einem kühlen Lächeln.
,,Ich fürchte die Mafia nicht."
Dann war sie verschwunden.
~
Ich bin sehr froh, endlich mit einem neuen Buch wieder hier zu sein. Ich hoffe sehr, dass euch der Prolog gefallen hat und ich würde mich sehr freuen, wenn ihr der Geschichte eine Chance gibt.
Ich weiß nicht genau, wann ich update, aber werde versuchen so regelmäßig wie möglich weiterzuschreiben.
Über Feedback würde ich mich wie immer sehr freuen. Genug geredet.. viel Spaß mit meinem Buch<3
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