Kapitel 29
"Flipendo!", rief Ron und ein weiterer Lichtblitz schoss auf Remus zu, dem dieser jedoch elegant auswich.
"Ungesagte Zauber, Ron", erwiderte er ungerührt und der Rotschopf gab einen wütenden Laut von sich, ehe er sich besann und zu konzentrieren versuchte.
Keiner der beiden wusste, wie lange sie schon kämpften.
Es kam Ron vor wie eine Ewigkeit, in der er immer wieder Höhen und Tiefen hatte.
Doch es sollte endlich vorbei sein - er hatte Hunger und war müde.
Mit all der Konzentration, die er aufbringen konnte, dachte er: Stupor!
Und während er selbst einem Incendio seitens Remus ausweichen musste, sah er gebannt zu, wie der Strahl aus rotem Licht aus der Spitze seines Zauberstabes hervorbrach - schnell und präzise zischte er durch die heiße Sommerluft und - er traf sein Ziel.
"JA! Endlich!", jubelte Ron und erlöste seinen Mentor mit einem Schlenker seines Zauberstabes.
"Sehr gut, Ron. Du wirst immer besser", lobte dieser ihn und Ron grinste.
"Danke, Remus. Werden wir nachher noch an der Verwandlung arbeiten?", fragte er voller Hoffnung - er wollte endlich seine Animagusgestalt verwirklichen.
"Das können wir machen. Erstmal müssen wir uns aber ein wenig stärken."
"Natürlich, sonst verhungere ich noch", grinste der Viertklässler und Remus lächelte in sich hinein.
Wie sehr Ron ihn doch an Sirius erinnerte.
Sirius.
Wie es ihm, Harry und Hermine wohl ging?
Natürlich wusste Remus, dass es ihnen gut ging, aber dennoch ließen ihn die Zweifel, die Sorgen, nicht in Ruhe.
"Kommst du, Remus?"
Fragend stand Ron in der Tür zum Fuchsbau.
"Ja, ich komme", sagte der Werwolf und schüttelte den Kopf, um sich von diesen lästigen Gedanken zu befreien, ehe er seinem Schüler ins Haus folgte.
Die Drei würden schon wohlbehalten wieder zurückkommen.
》》》》》
"Herzlich Willkommen zu einer neuen Zusatzstunde! In den letzten zwei Stunden haben wir uns mit den Erste-Hilfe-Techniken der Muggel beschäftigt, die durchaus nützlich sein können, sollte man gerade in einem Kampf keinen Zauberstab zur Hand haben. Heute beginnen wir jedoch mit der Magie des Heilens. Kommt bitte her zu mir, damit ich euch die Liste zeigen kann", begrüßte Sirius seine Schüler knapp eine Woche nach Marlenes Geburtstag.
Zauber
+ Anapneo
- Episkey
+ Ferula
- Schockzauber-Therapie
+ Rennervate
- Zauber zur Herzdruckmassage
Tränke
+ Abschwell-Trank
- Alraune-Wiederbelebungs-Trank
- Aufpäppel-Trank
- Blutbildender Trank
+ Diptam
- Murtlap-Essenz
+ Heiltrank gegen Furunkel
+ Phönixtränen
- Trunk des Friedens
"Was? Wir müssen Zaubertränke brauen?", fragte der jüngere Sirius geschockt und dessen älteres Selbst grinste in sich hinein.
"Ja, Sirius, das müsst ihr. Und das ist eigentlich nur zu eurem Vorteil, denn ihr lernt einerseits, diese Tränke richtig zu brauen sowie einzusetzen und ihr dürft sie andererseits danach behalten und habt sie für Notfälle hoffentlich immer bei euch. Ist das genug Ansporn?"
Verlegen nickte Sirius und auch Alice, Peter, Harry und Dorcas, die anfangs ebenso wenig begeistert schienen wie Sirius, wirkten nun zufriedener.
"Also, dann lasst uns heute mit dem Episkey und dem Zauber zur Herzdruckmassage beziehungsweise der Schockzauber-Therapie beginnen. Lily, weißt du, wozu Letzteres dient?"
Nach einem Moment des Nachdenkens nickte die rothaarige Hexe und erwiderte: "Sie wird wie ein Defibrillator der Muggel verwendet, also vor allem bei Herzstillstand, und bringt das Herz durch die Schocks wieder zum Schlagen."
"Genauso ist es. Sehr gut, Lily. Zu beachten gibt es bei dieser Therapie nur, dass der Rhythmus möglichst gleichmäßig sein sollte. Die betroffene Person soll also bestenfalls im Abstand von circa dreißig Sekunden mit ungefähr fünf Zaubern geschockt werden. Zwischendurch wird auf eine Reaktion gewartet. Tritt diese nicht ein, wird mit der Herzdruckmassage begonnen. Die magische Herzdruckmassage funktioniert genauso wie die der Muggel - nur übt bei uns der Zauberstab den Druck aus und bleibt dementsprechend genauer im Rhythmus. Um den Zauber auszuführen, richtet ihr euren Zauberstab auf die entsprechende Person und sagt: Fricare cor pressum. Ihr bekommt nun Zeit, das Ganze anhand von Puppen zu üben, ehe wir uns dem Episkey widmen. Auf geht's!"
Nach dieser Stunde, als alle bis auf die Zeitreisenden den Raum der Wünsche verlassen hatten, wandte Sirius sich an Harry und Hermine.
"So, ihr zwei. Lasst uns anfangen, damit wir nicht allzu spät ins Bett kommen. Ihr wisst, was zu tun ist."
Mit diesen Worten deutete der Erwachsene auf die zwei von einer undurchsichtigen Scheibe getrennten Kissen, die auf dem Boden erschienen waren.
Nickend ließ Hermine sich nieder und Harry tat es ihr gleich. Beide schlossen die Augen und begannen, sich auf ihre jeweilige Animagusgestalt zu konzentrieren.
Wie auch die Male zuvor stellte Hermine sich vor, wie sie als Adler über den Schwarzen See flog und ihren majestätischen Körper dabei in der Spiegelung auf der glatten Oberfläche des Gewässers bewundern konnte. Sie versuchte, den Wind in ihren Federn zu spüren und die Laute der vielen verschiedenen Tiere mit ihrem guten Gehör wahrzunehmen.
Als sie ein Ziepen in ihrem rechten Arm spürte, konzentrierte sich die Hexe darauf, ihr Bild aufrechtzuerhalten. Darin bestand ihre größte Schwäche, was in den Tagen zuvor deutlich daran wurde, dass ihre Verwandlung immer wieder beim ersten Sprießen der Federn abbrach.
Doch dieses Mal schaffte Hermine es, nicht aus ihrem Gefühl zu fallen und so sprossen auch aus ihrem anderen Arm braune Federn.
Lächelnd verweilte die Viertklässlerin also in ihrer Illusion und spürte den Veränderungen an ihrem Körper nach, als urplötzlich der Schmerz eintrat.
Hermine fühlte, wie die Knochen ihres rechten Armes brachen und anders zusammenwuchsen. Erschrocken riss sie ihre Augen auf und rief nach Sirius, der schließlich dabei zusehen konnte, wie sich Hermines rechter Flügel zurück in einen Arm verwandelte.
"Wow. Das war... schmerzhaft", stieß die Hexe zwischen zusamengebissenen Zähnen hervor und Sirius legte ihr mitfühlend eine Hand auf die Schulter.
"Ich weiß, Hermine. Aber mit jedem Mal wird es weniger wehtun, glaub mir. Du hast heute einen großen Schritt in die richtige Richtung geschafft - ich bin stolz auf dich!"
Ein Lächeln zierte Hermines Mund, als sie sich bedankte und Sirius sich wieder erhob.
Dank der Zauber, die der Raum der Wünsche errichtet hatte, konnten Harry und Hermine nichts vom jeweils anderen hören - nur Sirius bekam alles mit. Und so sah er auch, wie Harrys sichtbare Körperstellen von schwarzem Fell bedeckt waren und seine Füße langsam zu Pfoten wurden.
Ein Schmerzenslaut verließ seine Kehle und als er die Augen öffnete, begegnete er Sirius' besorgtem Blick.
"Es ist alles in Ordnung", sagte er bemüht gelassen, während sein Körper sich zurückverwandelte, doch in ihm herrschte das reinste Chaos.
Sirius, der diesen Blick sowohl von Lily als auch von James nur zu gut kannte, ahnte, dass es Harry nicht so gut ging, wie er ihn glauben machen wollte und so ließ Sirius sich erstmal neben seinem Patensohn nieder, um ihn darauf anzusprechen.
"Das war super, Harry! Und keine Sorge, es wird nicht für immer so schmerzhaft bleiben, sondern Stück für Stück weniger werden. Geht es dir gut?"
Ernst musterte der Erwachsene den Viertklässler, der nun leicht seinen Kopf schüttelte.
"Es ist alles so... so viel, weißt du? Der Unterricht, das Quidditchtraining, die Zusatzstunden und nebenbei dieser Animagus-Kram... Was, wenn ich die Verwandlung nicht rechtzeitig schaffe?"
Verwundert runzelte Sirius die Stirn. "Nicht rechtzeitig?"
"Naja, was ist, wenn ich kein Animagus bin, bis wir Dad und Mum zurückholen? Ich möchte meinen Vater doch stolz machen..."
"Ach, daher weht der Wind. Harry, pass auf. Du bist eine wundervolle Person - ganz gleich, ob du in der Lage bist, die Gestalt eines Tieres anzunehmen oder nicht. Und deine Eltern wissen das. Sie sind stolz auf dich, da bin ich mir sehr sicher. Natürlich wäre insbesondere dein Vater sehr stolz, wenn du ein Animagus wirst, aber das ist kein ausschlaggebender Faktor, sondern höchstens ein Extra, was ihn vor Stolz platzen lassen würde. Bitte, Harry, mach dir nicht zu viele Sorgen. Du musst nicht versuchen, deinen Eltern besonders zu gefallen - sie - und auch ich - lieben dich für die Person, die du schon längst bist. Mit all deinen Stärken und Schwächen. Nicht umsonst haben sie dich vor all diesen Jahren mit ihrem Leben beschützt und ihr eigenes für deins gegeben. Du bist gut so wie du bist!"
"Danke, Sirius."
Sanft schloss der Animagus seinen Schützling in die Arme und strich ihm über den Rücken.
Und wieder einmal wurde ihm bewusst, wie viel Voldemort mit seinem unnützen Krieg zerstört hatte - und es war unwiederbringlich.
》》》》》
Als Sirius zwei Tage später das leise Heulen eines Wolfes vernahm, war der Schlaf dieser Nacht für ihn gestrichen. Stattdessen stellte er sich an sein Fenster, stützte sich mit den Unterarmen auf dem Sims ab und blickte gedankenverloren auf den Verbotenen Wald, der im Licht des Vollmondes in dieser Nacht besonders mystisch wirkte.
Es war kein gewöhnliches Tier, aus dessen Kehle dieser Laut gekommen war.
Es war ein Werwolf.
Ein Werwolf, der nichts für sein grausames Schicksal konnte.
Ein Werwolf, der in Begleitung drei unterschiedlicher Tiere den Wald erkundete und am nächsten Morgen erneut keine Erinnerungen an die Nacht haben würde.
Ein Werwolf, der, im Gegensatz zu so vielen anderen, Unterstützung erfuhr und Freunde hatte, die ihn umsorgten, ihn aufpäppelten und so liebten wie er war.
Ein Werwolf, der nur wenige Jahre später dazu verdammt war, alleine durch die vollmondbeschienenen Wälder zu streifen, bis der Wolfsbanntrank entwickelt werden würde.
Ein Werwolf, den Sirius so gerne wieder in seiner Animagusgestalt unterstützen würde, sobald er wieder in seine Zeit zurückkehren würde.
Und nicht nur er würde Remus unterstützen, sondern auch Krone, Hermine und Harry. Vielleicht sogar Ron.
Und als Sirius sich im Morgengrauen zurück in sein warmes Bett legte, der Mond langsam unter den Horizont sank und die gequälten Schreie, die Remus ausstieß, immer leiser wurden, da versprach Sirius sich selbst und auch dem leidenden Remus, in der Zukunft, sobald er zurückkehren konnte, für ihn da zu sein.
Sie waren schließlich Rumtreiber - und Rumtreiber waren immer füreinander da.
Immer.
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