Kapitel 19
Am folgenden Dienstag fanden sich die zwölf Schüler erneut im Raum der Wünsche ein, in welchem sich der Wald nicht zu verändert haben schien.
"Guten Abend und willkommen zur letzten Februar-Stunde! Heute werdet ihr, Rose, Frank, Alice, Peter, Dorcas und James, euch im Wald verstecken, während wir euch suchen. Zu toppen ist die Zeit von Remus und Marlene, die es ganze zweieinhalb Stunden geschafft haben. Wie beim letzten Mal werden auch heute die Signale eine halbe Stunde nach Beginn sowie nach drei Stunden ertönen. Viel Erfolg!", sagte Sirius enthusiastisch und die drei Teams machten sich sofort auf den Weg.
"Also: wir bleiben immer zusammen und werden uns nur auf mein Kommando hin in die bekannten Zweierpaare aufteilen, ja? Das wird erst passieren, wenn wir, so wie am Donnerstag, nach zwei Stunden noch mehr als ein Team suchen müssen. Die verbleibende Zeit, bis wir uns desillusionieren und uns auf den Weg in den Wald begeben, können wir jetzt aber nutzen, um die nächsten Stunden zu besprechen. Ich habe mit den anderen schon einmal eine Liste erstellt."
Während er das sagte, faltete Sirius ein Stück Pergament auseinander und breitete es auf dem dunklen Holztisch aus. Sofort beugten sich seine Schüler darüber, um die elegante Handschrift zu entziffern.
Angriffszauber
Sprengzauber & -flüche
+ Reductor
+ Expulso
- Deprimo
- Defodio
+ Confringo
+ Bombarda
- Bombarda Maxima
ungefährliche (amüsante) Zauber:
+ Tarantallegra
+ Rictusempra
- Titillando
- Obscuro
+ Furunculus
+ Confundo
- Langlock
+ Locomotor Mortis
Zauber zum Unschädlichmachen
+ Pertrificus Totalus
+ Levicorpus
+ Incendio
+ Incarcerus
- Impedimenta
+ Immobilus
+ Expelliarmus
+ Flipendo
- Glacius
- Everte Statum
+ Stupor
Heraufbeschwörungen
- Oppugno
- Flederwichtsfluch
weitere Angriffszauber
+ Depulso
- Aqua Eructo
+ Wingardium Leviosa
nützliche Zauber im Kampf
+ Ascendio
- Relaschio
"Passt das so für euch oder beherrscht ihr einen der mit einem Plus gekennzeichneten Zauber noch nicht? Dann kann ich das schnell ändern!"
Erwartungsvoll blickte der Professor in die Runde, doch niemand erhob Einspruch.
"Sehr gut. In der nächsten Stunde werden wir uns noch einem ganz besonderen Schutzzauber widmen und danach beginnen wir mit den Angriffszaubern. Natürlich werden wir zunächst alle Bekannten mithilfe von Trainingspuppen wiederholen und uns erst danach Schritt für Schritt die bislang unbekannten Zauber erarbeiten. Alles klar?"
Alle Jugendlichen nickten zur Antwort und so ließ Sirius die Liste mit einem zufriedenen Lächeln wieder unter seinem Umhang verschwinden.
Knapp zwei Stunden später fanden sich schließlich alle in ein heftiges Duell mit Hermine und Frank verwickelt wieder. Dafür, dass das Team zu zweit gegen sechs Gegner - der ältere Sirius wollte sich so lange wie möglich heraushalten - kämpfte, schlugen sie sich hervorragend und hielten auch eine ganze Weile durch. Ihre Taktik bestand darin, sich Rücken an Rücken vor eine heraufbeschworene Wand zu stellen, sodass sie sich nicht um dreihundertsechzig Grad verteidigen mussten. Zudem waren sie selbst neben ihrem Schutzort ebenfalls durch verschiedenste Schilde geschützt, sodass ihre Mitschüler eine Weile brauchten, um den Kampf überhaupt richtig zu beginnen.
Letztenendes gelang es Lily, Frank zu entwaffnen, während Marlene ihn gleich darauf schockte. Nur wenig später taten Remus und Sirius das Gleiche bei Hermine.
Der ältere Sirius lief fröhlich und mit beschwingten Schritten auf seine Schüler zu.
"Großartig!", rief er und löste die Schockzauber von Hermine und Frank, um auch ihnen ein großes Lob aussprechen zu können.
Anschließend machte sich der "Suchtrupp" auf den Weg, um James und Dorcas zum Abschluss der Stunde ebenfalls zu besiegen.
"Puhh, das war anstrengend!"
Mit einem Seufzer ließ Sirius sich in seinen bequemen Lieblingssessel fallen, während Harry und Hermine auf dem Sofa in ihrem Wohnzimmer Platz nahmen.
Obwohl er in diesem Moment gerne einfach seine Augen geschlossen hätte, um zu schlafen, bemerkte er, dass seine Schützlinge etwas bedrückt wirkten.
Also richtete Sirius sich mit einem unterdrückten Seufzer wieder auf.
"Was ist los? Ihr habt irgendwas auf dem Herzen, das sehe ich doch. Spuckt es schon aus, so schlimm wird's ja nicht sein", meinte er aufmunternd.
"Naja, es ist so... Wir haben uns gefragt, warum Dorcas in unserer Zeit nicht mehr lebt. Denn wir schützen sie doch mit dem Tutela ab Occisio, oder?"
Sofort wünschte sich der Black, niemals gefragt zu haben und ließ sich mit einem leisen Stöhnen wieder zurück in die weichen Polster sinken.
Wären sie noch im Raum der Wünsche gewesen, hätte sich in diesem Moment vermutlich das Loch vor Sirius aufgetan, welches er sich nun sehnlichst herbeiwünschte.
Gerade schien es, als wolle Hermine noch etwas sagen, da hob Sirius seine Hand. "Sag nichts, Hermine. Ich möchte es euch erzählen und finde es toll, dass ihr euch mit diesen Themen so auseinandersetzt. Dorcas ist im Spätsommer 1981 ermordet worden, höchstwahrscheinlich von Voldemort selbst..."
- September 1981 -
Gedankenverloren sah Sirius aus dem Fenster, direkt auf den Garten in Godric's Hollow. Die vielen, bunten Blumen vor dem Haus wurden vom goldenen Licht der spätsommerlichen Sonne beschienen und sprühten geradezu vor Lebensfreude, Glück und Fröhlichkeit.
Doch in Sirius war alles leer.
Seit Marlene nicht ganz zwei Monate zuvor ermordet worden war, hatte er kaum einen Fuß vor die Tür des Hauses der Potters gesetzt - er brachte es noch immer nicht über sich, seine gemeinsame Wohnung mit Marlene zu besuchen und so stand er wie beinahe jeden Tag im Wohnzimmer vor der Front aus Glas und grübelte, was Marlene wohl in diesem Moment tun würde. Ob ihr gemeinsames Kind wohl gut wachsen würde? Ob man die Rundung mittlerweile deutlich wahrnehmen würde? Er wusste, er würde nie eine Antwort auf diese Frage erhalten.
Lily, James und Harry waren bei Frank und Alice zu Besuch und so war der Black völlig alleine. Doch es machte ihm nichts aus, denn dadurch konnte er die ungestörte Ruhe genießen.
Plötzlich wurde er von einer Kugel aus hellem Licht aus seinem Trübsal gerissen.
"Sirius, bitte komme unverzüglich ins Hauptquartier", bat die Stimme des Schulleiters der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei, ehe der edle Phönix verpuffte.
Ein Seufzer verließ Sirius' Lippen, während er seinen Umhang überzog, einen Zettel für Lily und James zurückließ und dann aus dem Haus trat.
Mit wachen Augen blickte er sich um, ob ihm jemand auflauern würde, sobald er den Schutz des Fidelius-Zaubers übertrat.
Niemand war zu sehen.
Bedächtig ging er einige Schritte. Sobald die Appariergrenze überschritten war, verschwand er mit einem leisen Plopp und tauchte nur wenige Sekunden später vor einem Haus mitten in London wieder auf, in welchem Emmeline lebte. Doch Muggel würden die türkise Fassade vermutlich nicht einmal sehen, denn natürlich war das gesamte Grundstück von Schilden umgeben.
Kaum war Sirius durch diese hindurchgetreten, kam ihm schon ein nervöser Remus entgegen.
"Sirius, gut, dass du da bist. Dorcas wollte vorhin nur kurz nach Hause, um sich ein paar Bücher zu holen, aber sie ist noch immer nicht wieder da. Das alles war vor drei Stunden."
Zum Ende hin wurde seine Stimme immer leiser und brach schließlich beinahe.
Und auch, wenn Sirius den Werwolf noch so oft beschuldigte, ein Spion oder sonst etwas zu sein, in diesem Moment konnte er nicht anders, als die Person, die er zu seinen besten und engsten Freunden zählte, zu umarmen.
Als sie sich nach einigen Sekunden wieder von einander lösten, sah Sirius in Remus' Blick tiefe Dankbarkeit. Wortlos hob er seine Mundwinkel zum besten Versuch eines Lächelns, für welches seine Augen jedoch trotzdem unerreichbar blieben. Dieses Wunder hatte nicht einmal sein Patensohn vollbringen können.
Wenig später stand eine kleine Gruppe, bestehend aus Ordensmitgliedern, vor Dorcas' Wohnung.
Sie hatte auf keinen Patronus reagiert.
Zögernd klopfte Remus an der hölzernen Tür zur Wohnung seiner Freundin.
Keine Reaktion.
"Ich schätze, wir müssen sie anderweitig öffnen", sagte Albus leise und Remus trat bereitwillig zur Seite, um seinem ehemaligen Professor Platz zu machen.
Während er äußerlich gelassen wirkte, tobte in seinem Inneren jedoch ein Sturm.
Was war mit Dorcas?
Warum reagierte sie nicht?
War sie vielleicht nur eingeschlafen?
Oder waren es doch die Todesser gewesen?
Aber das konnte nicht sein, die Wohnung war gut geschützt. Und was sollten diese Menschen überhaupt von ihr wollen?
Nervös ließ der Werwolf seinen Blick über die kleine Gruppe wandern.
Außer ihm standen dort Albus, Sirius, Emmeline und die beiden Prewett-Zwillinge Fabian und Gideon.
Ein leises Quietschen zog Remus' Blick jedoch unvermittelt auf die Wohnungstür, die nun einen schmalen Spalt geöffnet war.
Ein letztes Mal wurden Blicke getauscht, so ermutigend, dass eigentlich alle hofften, eine schlafende Dorcas vorzufinden.
Doch als sie das Wohnzimmer betraten, wurde all das zunichte gemacht. Jeglicher Hoffnung wurde in diesem Moment ein Dolch in den Körper gerammt.
Fast meinte Remus, das Klirren in seiner Brust zu hören, als sein Herz auseinanderbrach und sich die millionen kleinen Splittern überall von innen in sein Fleisch bohrten.
Wie angewurzelt stand er dort, im Wohnzimmer seiner Freundin, und erblickte seinen schlimmsten Albtraum.
Dorcas war dort, doch sie schlief nicht.
Stattdessen lag sie nackt auf dem Boden, die dunklen Haare wie einen Fächer um ihren Kopf ausgebreitet, die schließlich in eine Blutlache mündeten.
Sie war fürchterlich entstellt.
Auf ihrem gesamten Körper waren die Spuren dunkler Flüche, aber auch Schnitte, die vermutlich von Messern stammten, zu erkennen. Die Wunde über ihrem Herzen war am größten und aus dieser schien das Blut auch hauptsächlich zu stammen.
Remus wurde speiübel und er musste sich zusammenreißen, nicht seinen gesamten Mageninhalt auf den Holzboden zu entleeren.
Ein unkontrolliertes Schluchzen entfuhr ihm, als er den Blick abwandte und sein Körper langsam von einem grausamen Zittern erfasst wurde.
Er wollte sich umdrehen, aus der Wohnung stürzen, am liebsten alles um sich herum vergessen, als sein Blick an der nun vor ihm liegenden, weißen Wand hängen blieb.
Einst war die Tapete in reinstes Weiß gefärbt gewesen, doch nun stand dort in roter - blutroter - Farbe etwas geschrieben.
Remus erschauderte, als er daran dachte, dass diese Worte wohl tatsächlich mit Blut geschrieben wurden.
M
it dem Blut seiner Freundin.
"Niemand, der sich mir widersetzt, wird mir jemals entkommen! Zu mächtige Gegner meiner Selbst werden sich schon bald an ihrer Seite wiederfinden. Denkt ja nicht, ihr hättet noch lange zu leben - ich bekomme euch alle!"
Ein eiskalter Schauer lief Remus' Rücken hinunter, als er diese grausamen Worte wieder und wieder las, bis es sich eindeutig in sein Gehirn einbrannte: Voldemort selbst war Schuld am Tod seiner Freundin.
Voldemort hatte sie ermordet.
Ein herzzerreißender Schrei verließ seine Kehle und er sank auf den Boden, der beim genaueren Hinsehen ebenfalls mit Blut besprenkelt war.
Doch Remus nahm nichts mehr wahr, denn unzählige Tränen verschleierten seine Sicht, während er sich auf dem Boden vor lauter unaushaltbaren, seelischen Schmerzen krümmte.
Dorcas - seine Dorcas - war tot.
Kurz darauf spürte Remus starke, warme Arme, die sich um seinen Oberkörper schlangen, ihn festhielten, um nicht auch noch das letzte Bisschen seiner Selbst zerbrechen zu lassen.
"Remus... Remus, du tust mir so unendlich leid, mein Freund", hörte er Sirius' Stimmer an seinem Ohr, doch es schien ihm, als seien mehrere Schichten dicker Watte dazwischen platziert worden. Und verstehen konnte er ebenfalls nichts.
Er verstand nicht, wieso es gerade Dorcas treffen musste, wieso gerade hier und vor allem verstand er nicht, wieso es so grausam hatte sein müssen.
Das hatte sie nicht verdient. Niemand hatte so etwas verdient, doch sie am allerwenigsten.
Auch für Sirius war die Welt, die er sich sorgsam versucht hatte, aus den durch Marlenes Tod entstandenen Scherben wieder aufzubauen, erneut ins Wanken geraten und fiel erneut beinahe in sich zusammen.
Einzig und allein der kleine Harry, Lily, James und ein wenig auch Remus könnten ihn nun noch davon abhalten, zum wiederholten Male komplett zu brechen, denn Dorcas war auch für ihn eine enge Freundin gewesen.
Remus hingegen, der sich wie ein Ertrinkender an Sirius' Körper klammerte, schien an diesem Tag endgültig in Scherben zerfallen zu sein.
Verzweifelt versuchte der Black, seinem Freund zu helfen, doch er drang nicht zu ihm durch, das war deutlich zu spüren.
Also hielt er ihn einfach weiterhin fest, ganz in der Hoffnung, ihm wenigstens so helfen zu können.
"Dieser Tag war einer der Schrecklichsten in meinem Leben. Der Anblick war kaum zu ertragen. Und selbst der Patronus hätte nicht geholfen, denn Dorcas ist nicht durch den Todefluch gestorben, sondern an ihrem zu großen Blutverlust", endete Sirius und atmete tief durch, ehe er seinen Blick, den er während seiner Erzählung stur auf seine Hände gerichtet hatte, hob.
Er sah Grauen und Entsetzen in den Augen der zwei Jugendlichen und es tat ihm unendlich leid.
"Wir werden das verhindern!", sagte Harry entschlossen, doch Sirius schüttelte den Kopf.
"Nein, Harry. Das dürfen wir nicht, so grausam es auch ist", seufzte er und eine Träne bahnte sich ihren Weg über seine Wange.
Eine Träne für all diejenigen, deren Tode sie nicht verhindern durften.
Für all die, die umsonst starben, die grausam, ungerecht und eiskalt ermordet wurden, nur, um sie aus dem Weg zu schaffen oder weil kranke Menschen sich an diesen Taten ergötzten.
Und er, Sirius, konnte nichts dagegen tun.
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