Spekulationen
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Zur Überraschung meiner Mutter schlüpfe ich an ihr vorbei, sobald wir den Raum betreten und gehe ohne einen Blick zurück zu Ellory hinüber.
Sie verabschiedet sich gerade von Henry, welcher wohl tatsächlich die ganze Zeit über ausschließlich mit meiner Freundin geredet hat und sieht mich rechtzeitig, weshalb sie sich bei ihrer Familie entschuldigt und mir auf halbem Weg entgegen kommt.
Ich nehme mir vor Ellory heute Abend nach Henry zu fragen, mein schlechtes Gewissen welches meinem fehlenden Interesse an Ellorys Aufenthalt hier gilt, meldet sich zu Wort.
Wir treffen uns an einem der langen Tische, wo das Essen überwiegend unberührt angerichtet ist.
Ihr Lächeln wirkt eine Spur besorgt als sie meinen immer noch versteinerten Gesichtsausdruck erblickt.
"Avery, ist etwas passiert?", ihr Tonfall ist in Sorge getränkt und sie streckt eine Hand aus und legt sie auf meine Schulter.
Ich verziehe den Mund, überlege wie viel ich ihr anvertrauen kann ohne- nein. Ellory ist meine Freundin, sie würde nie Informationen ohne mein Wissen weitergeben, geschweige denn mich verurteilen.
Also erzähle ich ihr wie wir Harrison Connery getroffen haben, lasse jedoch den Teil, in dem er meine Mutter angesehen hat, als wäre sie eine Mitwissende in einem von ihnen geplanten Komplott aus und springe zu dem Teil in dem Eddie aufgetaucht ist. Schnell fasse ich auch mein erstes Treffen mit der weißhaarigen Schönheit zusammen, während der Gesichtsausdruck meines Gegenübers immer fassungsloser wird.
"Ich denke Eddie könnte noch Probleme machen", schließe ich letzten Endes und greife dann kurz entschlossen nach einem Glas Punsch, alkoholfrei versteht sich, und nippe unschlüssig daran.
Ich kann nicht anders als einen unauffälligen Blick in Aleksanders Richtung zu wagen. Abelyn hat die Hand auf seinen Arm gelegt und ihr Mund bewegt sich unablässig während sie ihren Eltern etwas erzählt. Der aufmerksame Blick ihrer Mutter, eine blonde Frau, die ein perlenbesetztes, schwer wirkendes Collier um den Hals trägt, wandert zwischen ihrer Tochter und Aleksander hin und her.
Ich betrachte Aleksander. Sieht er glücklich aus? Nicht wirklich.
Seine Miene ist verschlossen aber höflich. Er wirkt abwesend, nickt ab und zu und lässt zwischen durch ein paar einzelne Bemerkungen fallen, vermutlich Antworten auf ihre Fragen.
Dann verschränkt er die Hände hinter dem Rücken sodass Abelyn's Hand ins Leere greift als sie das nächste mal nach ihm langt. Irritiert dreht diese den Kopf betrachtet einen Moment verständnislos seinen Arm und redet dann ungerührt weiter.
Als meine Augen wieder zurück zu Ellory wandern, betrachtet diese mich mit wissendem Blick.
Als ich nicht darauf reagiere, sondern nur wortlos an meinem Punsch nippe, lächelt sie leicht.
"Aleksander scheint nicht sonderlich erpicht darauf zu sein, sich weiter Abelyn's ichbezogenes Geschwafel zu widmen", überlegt Ellory nach einem kurzen, prüfenden Blick in Aleksanders Richtung. "Vielleicht würde er andere Gesellschaft eher schätzen."
Es dauert eine Weile bis bei mir der Groschen fällt.
Überrascht hebe ich eine Augenbraue.
Ellory hebt ihrerseits eine perfekte Braue.
"Keinem der Mädchen hier entgehen die schmachtenden Blicke die ihr euch ständig zuwerft, wenn einer von euch denkt, dass der andere ihn nicht sehen würde."
"Oh tatsächlich? Ach Avery, das ist ja großartig!"
Ich verschlucke mich an meinen Punsch.
Die Stimme meiner Mutter ertönt so unerwartet wie ein Donnerschlag und ich zucke zusammen. Es ist, als hätte jemand einen Kübel Eiswasser über meinem Kopf entleert.
"Welcher der Männer ist denn der glückliche?" Es liegt kaum verhohlenes Interesse in der Frage und Ellory schenkt ihr ein strahlendes Lächeln.
Scheiße.
"Oh, die Rede ist natürlich von-"
Weiter kommt sie nicht denn ich unterbreche sie augenblicklich.
"Mutter, wolltest du dich nicht vorher Frischmachen?" Mein Tonfall ist zuckersüß. Sie reckt nur das Kinn und fixiert Ellory, ich muss meiner Freundin zugutehalten, dass sie den Blick meiner Mutter ungerührt erwidert und milde lächelt, bevor sie sich entschuldigt um sich wieder zu ihrer Familie zu stellen.
"Es ist der mit den dichten schwarzen Haaren und den schlagfertigen Argumenten habe ich Recht?"
Ich starre sie an. "Ich-"
Doch meine Mutter wedelt nur leicht ungeduldig mit der Hand und deutet dann drohend mit einem ihrer grazilen Fingern auf mich. "Wage es ja nicht das jetzt abzustreiten."
Ein müdes Seufzen entringt sich meiner Kehle und ich will gerade dennoch den Fehler begehen es zu leugnen, als Cordelia durch die offenen Türen schreitet.
Die Miene meiner Mutter glättet sich von einem Moment auf den anderen. Ein weiteres Mal wechselt sie so schnell, dass ich einen Moment innehalten muss um mich zu sammeln, bevor ich meine Aufmerksamkeit auf die Frau mit den orangenen Haaren und den wachsamen Augen lenke.
Ich sehe zu, wie sie mit einem einzigen Blick die Situation einschätzt und ein routiniertes Lächeln auf ihren Lippen erscheint.
Der Großteil der Menschen hier ist weder ehrlich, noch besonders erpicht darauf eine andere Meinung als die eigene zu hören.
Sie verhalten sich selbstbezogen und vor allem überheblich, vollends überzeugt von dem Erfolg ihres eigenen Kindes. Wie verblendet durch die Aussicht auf Ruhm und Einfluss.
Okay, zugegeben, ich kann das Ganze nicht vollkommen unvoreingenommen betrachten.
"Ihre Gemächer sind nun bezugsfertig, dort werden Sie auch jeweils eine Ihnen zugeteilte Zofe antreffen, die Sie für den heutigen Ball ankleiden und Ihnen alle weiteren Fragen beantworten wird. Sie haben bereits bei ihrer Ankunft ihre Zimmernummer erhalten."
Für den Bruchteil einer Sekunde sehe ich in der Miene meiner Mutter Widerwillen. Ob es wegen den spärlichen Informationen von Cordelia oder aufgrund der kurzen Zeit, die sie für das durchlöchern der drei Männer hatte, weiß ich nicht.
Jedoch denke ich, dass eher letztes der Grund sein muss.
"Weiterhin bitte ich nun alle Kandidatinnen sich ebenfalls in Ihre Räumlichkeiten zu begeben, ihre Zofen stehen sicherlich bereits mit einem Kleid für jede von Ihnen bereit."
Mit diesen Worten verbeugt sie sich vor Henry, Aleksander und Jasper und verlässt den Raum.
Danke für 20tsd omg i love y'all
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