
Dunkle Farben
I'm alive
♛
"Wieso bist du nicht im Ballsaal?" In den Gängen des Schlosses ist es gemütlich warm. "Das gleiche könnte ich dich auch fragen", kommt meine Antwort prompt.
Er schweigt einen Moment, während unsere Schritte von den Wänden widerhallen. Ich komme nicht umhin, ihm immer wieder verstohlene Blicke aus den Augenwinkeln zuzuwerfen. Draußen in der Dunkelheit konnte ich geradeso sein Gesicht sehen. Alles andere war in Schwärze gehüllt. Doch dann waren wir in das beleuchtete Innere des Palastes getreten und ich wäre fast über die Tür Schwelle gestolpert, als er sich kurz zu mir umgedreht hatte. Der elegante schwarze Anzug schien das Licht aus dem Raum zu absorbieren. Offenbar hatte er auch meine Gehirnzellen geschluckt, denn für einen Moment hatte in meinem Kopf erschreckende Leere geherrscht.
Einige Zofen kreuzen unseren Weg und knicksen eifrig, so als könne Aleksanders Missfallen sie auf ein Schafott bringen- was natürlich vollkommener Blödsinn ist, in diesem Jahrhundert werden einem eher die Anzugträger mit diesen ausdrucks- und lieblosen Mienen auf den Hals gehetzt, sollte man den Fehler begehen und einem Mitglied der Königsfamilie missfallen. Doch Aleksander nickt nur abwesend- vollkommen desinteressiert aber dennoch so höflich, das es keiner der Zofen aufzufallen scheint, als sie ihren Weg fortsetzen.
Welches Bild mögen wir wohl abgeben? So vollends von dem Regen durchnässt.
Ich höre noch wie eine der fünf ihrer Nachbarin etwas zuflüstert. Die Worte die sie dabei spricht sind eindeutig Kretäisch.
"Das ist sie oder? Nach Vesta's Schwärmerei von ihr hätte ich gedacht sie wäre um einiges hübscher..nicht so mittelmäßig."
Bitte was?
Als ich abrupt stehen bleibe, ist mein Kopf mit einem Mal völlig leer. Doch als ich mich umdrehe und bereits den Mund öffne, sehe ich die fünf Mädchen um eine Ecke verschwinden.
"Das lohnt sich nicht", dringt Aleksanders angenehm ruhige Stimme zu mir, als ich gerade einen Schritt in die Richtung mache, in die sie verschwunden sind.
Er hat seine Hand auf meinen Ellenbogen gelegt.
Widerworte liegen mir auf der Zunge und mein Stolz will das ich sie ausspreche. Stattdessen beiße ich fest die Zähne zusammen und reiße mich von ihm los, mache jedoch keine Anstalten den Zofen zu folgen.
"Ich hatte nicht erwartet, dass Ihnen die Meinung anderer derart wichtig ist."
Ich halte meinen Blick auf die Wand hinter ihm gerichtet. Dort ziehen sich feine Risse wie Spinnennetze durch den Stein.
"Soll ich es also einfach ignorieren? Es ohne weiteres hinnehmen?"
"Etwas sagt mir, dass Sie im Ignorieren gehässiger Kommentare nicht gerade ungeübt sind." Ich blinzle, dann verstehe ich. Widerstrebend richte ich den Blick auf sein Gesicht.
"Meine Eltern sind für mich keine moralische Instanz." Aleksander nickt nur bestätigend und kurz meine ich etwas wie Verständnis in seinen Augen aufblitzen zu sehen. Damit ist dieses Gespräch beendet. Zumindest was mich angeht. Doch Aleksander hat offenbar nicht vor, mich alleine hier stehen zu lassen. Stattdessen antwortet er, auf meine Frage nach dem Weg mit einem einfachen: "Auf mein Zimmer."
Natürlich hebe ich sofort eine Augenbraue. "Sie wollen das ich mit Ihnen in ihre...Gemächer gehe?"
Da verdreht er die Augen. Tatsächlich, er rollt mit den Augen! Fast wäre ich stehengeblieben.
"Ich locke Sie bestimmt nicht dort hinein um über sie herzufallen."
Die selben Worte, die auch ich ihm sozusagen an den Kopf geworfen habe. Jetzt bin ich an der Reihe mit den Augen zu rollen.
Doch dieses Mal beginnt mein ganzer Körper bei diesen Worten zu kribbeln.
Kurz meine ich, ein Zucken seiner Mundwinkel zu sehen.
Er fährt sich mit einer Hand durch die schwarzen Haare, während wir in einen anderen Flur einbiegen und uns dann gleich wieder nach links wenden.
Als wir letzten Endes vor einer dunklen Tür aus, wenn ich mich nicht irre, askelischem Nussbaumholz- die Farbe des Holzes ist einfach zu dunkel, um aus herkömmlicher Akazie zu bestehen- zum Stehen kommen, bewegt sich Aleksander langsam- fast zögerlich- auf die Tür zu. So als wäre er, jetzt, da wir wirklich davor stehen, nicht mehr überzeugt, was das offenbar spontane Angebot betrifft, mir sein Zimmer zu zeigen. So als würde er mit sich ringen, ob er nicht einfach kehrt machen und mich hier zurücklassen soll.
"Wir..wir müssen das nicht tun, weißt du? Ich kann auch wieder zurück in den Ballsaal-", weiter komme ich nicht denn Aleksander schneidet mir in einem ungläubigen, fast spöttischen Tonfall das Wort ab: "Weil es Ihnen dort ja so sehr gefallen hat, dass sie sich in den Garten flüchten mussten."
Als er meinen bestürzten Gesichtsausdruck sieht, hebt er eine Augenbraue. "Ach komm schon! Andere mögen euch ja vielleicht die Geschichte der kleinen glücklichen Familie abkaufen, aber hast du tatsächlich gedacht ich würde nicht bemerken, wie deine Mutter dich wie eine armselige Marionette, ein dummes Kind behandelt, das ohne ihre Führung vermutlich über seine eigenen Beine stolpern, und aus reiner Unbeholfenheit dabei auch noch etwas, das ihr gerade lieb und teuer ist kaputt machen würde?"
Ich will etwas sagen doch er redet ungerührt weiter.
"Oder wie dein offenbar , so scheint es mir, bitte korrigiere mich, sollte ich mich irren, nutzloser Vater, der es so wahnsinnig gut versteht einfach nur dazustehen und es seiner Frau überlässt, nach Herzenslust zu plappern."
"So ist das nicht!", versuche ich zu protestieren und schiebe in einem Anflug von Trotz das Kinn vor und blicke ihm entgegen.
"Meine Eltern sind bloß...", während ich nach den richtigen Worten suche, verschränkt Aleksander die Arme vor der Brust und sieht mich abwartend an.
"...besorgt", schließe ich letzten Endes wenig überzeugend.
Einen Moment muss ich die Augen schließen.
"Sie sind nur besorgt", sage ich erneut, so als würde das Gesagte, wenn ich es nur oft genug wiederholen würde, Wirklichkeit werden.
Aleksander schweigt.
Er schweigt so lange, dass ich nach einem Moment die Augen öffne und ihn ansehe.
Sein schönes Gesicht ist ein Bild der Verwüstung. Und es überrascht mich.
Noch nie habe ich so viele unterschiedliche Gefühle auf seinem Gesicht gesehen.
Er hat mir noch nie gestattet, eine derartige Fülle an Emotionen in seinem Gesicht zu beobachten.
Schließlich muss ich den Blick abwenden.
Ich spüre wie meine Wangen heiß werden und drehe mich schließlich ganz zur Tür.
Kurz entschlossen, strecke ich die Hand aus und lege sie auf den Türgriff. Als Aleksander keinerlei Anstalten macht mich aufzuhalten, drücke ich ihn nach unten und betrete, die Hand immer noch auf dem kühlen schwarzen Metall der Klinke, sein Reich.
Ich spüre Aleksander hinter mir doch ich bin gänzlich damit beschäftigt den Anblick, der sich mir bietet in mich aufzunehmen.
Das Zimmer ist groß, viel größer als ich erwartet habe. Wir stehen in einem einzigen riesigen Raum, zwei weitere Türen an der seitlichen Wand führen vermutlich in das Badezimmer und ein Ankleidezimmer.
Der ganze Raum wird beherrscht von dunklen Farben, dunkles Braun, einige Akzente von Dunkelblau und natürlich Schwarz. Schwarzglänzende Möbel, mehrere Schränke, ein riesiger und zugleich wunderschöner Sekretär mit vielen dutzenden von Schubladen neben dem großen Fenster mit den dunkelblauen Gardinen.
An der gegenüberliegenden Seite des Raumes, zieht sich ein dunkelbraunes, aus Askelischem Holz bestehendes, Bücherregal die komplette Wand entlang. Die vielen Regale reichen bis zur Decke und inzwischen versuche ich nicht einmal meinen bis zum Boden offen stehenden Mund zu schließen.
Das Zimmer spiegelt unheimlich präzise seinen Besitzer wieder.
Gerade mache ich den ersten Schritt in die Richtung des Regals, wie magisch von den unzähligen Büchern angezogen, da entdecke ich etwas anderes.
Etwas weiter im Raum, in der Mitte es Zimmers, steht auf einem wunderschönen schwarzen Perserteppich, ein gigantischer Flügel.
Eine Sekunde später, stehe ich vor dem Flügel, dass ich eine Hand danach ausgestreckt habe, merke ich erst als meine Finger schon die glatte, kühle Oberfläche des Klaviers berühren.
"Du spielst also auch", kommentiert Aleksander meine Gefühlsduselei.
Es ist keine Frage, dennoch nicke ich leicht.
"Also ist das Klavierspielen eines deiner zahlreichen Talente?", die Frage soll neckend sein, aber erst als ich es ausgesprochen habe merke ich, dass es sich anhört wie ein Kompliment.
Hinter mir bleibt es einen Moment still und ich drehe den Kopf nach hinten. Sein Blick ist so durchdringend, dass ich die Augen abwenden will.
Dann, von einem Moment auf den anderen ist er so nah, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurückweiche. Doch er stützt seine Arme an dem Klavier ab, sodass ich zwischen ihnen eingeschlossen bin. Bei dieser plötzlichen Nähe, hat mein Gehirn einen Kurzschluss und meine Augen wandern von alleine zu seinen vollen Lippen.
Er ist ein einziges Kunstwerk. Ein düsterer Mann in seinem dunklen Zimmer.
Verwirrt von meinem Gedanken, lege ich leicht die Stirn in Falten. Ich kann die wohlige Körperwärme, die in Wellen von Aleksander ausgeht spüren und muss schlucken.
Sein Blick, der gerade noch auf meine Augen gerichtet war, ein überhebliches Grinsen auf dem schönen Gesicht, schießt jetzt zu meiner Kehle. Sein Gesichtsausdruck verändert sich, jetzt sieht er aus, als wäre er jahrelang durch die Wüste gewandert und ich wäre der erste Wassertropfen seit Wochen.
In seinen Augen tanzen Flammen und ich stoße mit der Hüfte gegen den Deckel des Klaviers, als ich einen weiteren taumelnden Schritt zurücktrete.
Er tritt abermals einen Schritt auf mich zu und steht jetzt so nah bei mir, dass ich seinen Atem auf meinem Schlüsselbein spüren kann und meinen Kopf in den Nacken legen muss.
Ein leichtes Grinsen zupft an seinen Mundwinkeln als er schließlich erwidert: "Das Klavierspielen ist in der Tat eines meiner vielen Talente."
Ich schaffe es die Augen zu verdrehen.
Mein: "Na klar", klingt selbst in meinen Ohren viel zu atemlos.
Sorry Leute, aber ich
hatte echt gar keine Zeit.
Wie immer hoffe ich natürlich,
dass euch das Kapitel genau so gut gefällt wie mir, lasst doch gerne eure Meinung da.
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