Die Ruhe vor dem Sturm
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"Wenn du jetzt nicht aufstehst kommen wir zu spät zum Essen Avery!"
Gerade noch war alles friedlich und warm, dann- von einem Moment auf den anderen- verschwindet diese Wärme von jetzt auf gleich und ich öffne verwirrt meine Augen.
Das helle Licht blendet mich und ich halte die Hand vor meine Augen. Das Zimmer mit den rosa gestrichenen Wänden erinnert mich daran wo ich bin.
Ellory steht im Raum und betrachtet mich schmunzelnd. Sie sieht umwerfend schön aus, während ich vermutlich verschlafen, mit in alle Richtungen abstehenden Haaren zu ihr aufblicke.
Ich seufze.
Nach einem schnellen Bad, für das ich eigentlich keine Zeit hatte, stehe ich mit Vivian vor meinem Kleiderschrank. Die Gedanken an meine Eltern habe ich bis jetzt erfolgreich verdrängen können, doch nun fange ich unbewusst an, darüber nachzudenken welches der Kleider meine Mutter gutheißen würde.
Mein Blick gleitet über die zahlreichen Kleider, alles Kleidung, die ich noch nie zuvor getragen habe. Kleider, die eigens von unseren Zofen angefertigt worden sind. Damit wir sie einen Tag tragen.
Schließlich entscheide ich mich für ein graues Kleid mit Ärmeln aus hauchzartem, eng anliegendem Tüll.
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"Mir ist zu Ohren gekommen das unsere Eltern den Palast etwa bis zur Mittagsstunde erreichen sollten."
Würden meine Eltern tatsächlich eine der Kutschen nehmen, wenn sie die einzigen im Dorf sind, die ein Auto besitzen?
Vermutlich nicht.
Wir sitzen gemeinsam am Esstisch und beenden gerade das Frühstück, als Cordelia eintritt und uns überraschender Weise ein Lächeln schenkt.
"Da Ihre Eltern heute anreisen werden, ist es meine Aufgabe Ihnen hiermit nochmals in Erinnerung zu rufen wo- und in wessen Gesellschaft- Sie sich derzeit befinden, zwar werden Ihre Majestäten nicht anwesend sein, der Prinz dagegen sehr wohl."
Sie lässt den Blick über uns gleiten und fährt schließlich fort: "Ihre Eltern werden drei Tage bleiben, morgen Abend wird es einen Ball geben. Nach der Abreise Ihrer Eltern werden Sie sich wieder Ihrem Unterricht widmen. Nachdem Sie bereits im ersten Test schlechtere Ergebnisse als erwartet hatten, werden wir einzelne Kandidatinnen besonders beobachten und lassen Sie sich nicht täuschen, auch wenn es der Prinz ist, der letzen Endes seine Frau wählt, liegt seine Wahl doch auch zu großen Teilen an Ihrem Benehmen und Ihrer Klugheit."
Mit diesem Worten ist sie wieder genau wie davor und das Lächeln, welches gerade noch ihr Gesicht erhellt hat, ist einem Ausdruck von Stolz gewichen. Ob es Stolz auf ihr Land oder sich ist selbst ist, kann ich nicht sagen.
Nach dem Frühstück betreten wir den Damensalon, welcher uns stets zur Verfügung stand, wir aber auf Grund von Cordelias nerviger vierundzwanzig Stunden Betreuung noch nie genutzt haben. Natürlich ist es auch sie selbst gewesen, die den Aufenthalt hier zur Sprache gebracht hat.
Dabei schwafelte sie etwas davon wie wichtig lukrative Freundschaften doch seien und wie außerordentlich nützlich diese im Bezug auf unser weiteres Leben seien.
Leider scheint es, als wären die meisten Frauen in diesem Raum gerade einmal dazu fähig, hirnverbrannt zu Lächeln oder sinnlose Floskeln von sich zu geben.
Mag sein das ich etwas übertreibe.
Aber das ändert wohl kaum etwas an der Wahrheit.
"Hi, du bist Avery oder?"
Als ich den Kopf drehe, steht ein Mädchen mit wunderschönen, nahezu weißen Haaren vor mir und lächelt mich an.
"Ich bin Eddlyn, aber du kannst mich Eddie nennen", sie betrachtet mich aufmerksam und mir fällt auf, dass sie ganz still steht. Wie eine Statue. Und dennoch spüre ich mit zunehmendem Unbehagen wie sie jegliche meiner Bewegungen bemerkt und registriert.
Nicht schlecht für so ein unschuldig und liebreizend aussehendes Mädchen.
Sie kneift die Augen leicht zusammen und ich bemerke das ich noch nichts gesagt habe.
"Avery."
Zum Glück gibt meine Miene nichts preis als ich ihr ungerührt zunicke.
"Also Avery, denken Sie, das mit der wahren Liebe, kann bei einem derart durchgeplanten Ereignis wie diesem Casting klappen oder nehmen Sie sich die Freiheit diesen Wettbewerb doch etwas pragmatischer zu betrachten?"
Etwas überrascht von solch einer offenen Frage lege ich leicht den Kopf schräg.
"Denken Sie es denn?"
Einen kurzen Augenblick kann ich so etwas wie Wiederwillen in ihrer Miene erkennen, doch es geht so schnell, dass ich nicht mit Sicherheit sagen kann ob es nicht nur ein Produkt meiner Fantasie gewesen ist.
"Ich denke durchaus das die Chance besteht."
Ich weiß nicht ob sie will, dass ich nachfrage und es absichtlich derart schwammig formuliert oder ob sie mich einfach verwirren will, deshalb beschließe ich das Gespräch auf ein unverfängliches Terrain zu lenken.
"Freuen Sie sich schon Ihre Eltern heute wiederzusehen Eddie?"
Naja hoffentlich ist es für sie unverfänglich..
"Ich habe keine Eltern mehr", als sie das sagt, klingt ihre Stimme fast so frostig wie die Farbe ihrer Haare.
Na super.
"Nun, das tut mir leid." Sie zuckt mit Schultern.
"Wieso bist du auf mich zugekommen?", frage ich schließlich, da ich sie immer noch nicht einschätzen kann.
Sie zögert einen Moment lang, bevor sie nach einem erneuten Schulterzucken erwidert: "Du wirkst auf mich nicht wie die andren."
Als ich die Stirn runzle fährt sie etwas genervt fort: "Du lächelst nicht sobald ein Mitglied der Königsfamilie den Raum betritt, du scheinst sogar den Prinzen offen und ehrlich deine Meinung zu sagen. Es wirkt als hättest du wirklich etwas zu erzählen."
Entsetzt starre ich sie an.
"Außerdem wirkst du zu perfekt auf mich um nicht ein paar Leichen im Keller zu haben." Der Ausdruck auf ihrem Gesicht verheißt nichts gutes. Sie sieht aus als hätte sie soeben ein außerordentlich spannendes Rätsel entdeckt. Wie ein Hai der Blut wittert.
Ich schnaube, zwar leise, aber laut genug das sie es gehört haben muss, doch sie grinst nur.
Gerade als ich endlich eine der wesentlichen Fragen stellen will, öffnen sich die beiden dunklen Flügeltüren und Cordelia betritt den Saal, draußen vor den Türen kann ich überraschender Weise vier Wachen ausmachen, die gerade ihren Posten an der gegenüberliegenden Wand verlassen.
Offenbar wurden wir bewacht, ich frage mich ob dies zu unsrem Schutz ist oder ob es die Ungestörtheit der Königsfamilie garantieren soll, damit sie sich nicht unseren neugierigen Blicken unterziehen muss.
Im Raum herrscht eine allgegenwärtige Anspannung, obwohl niemand ein Wort sagt. Es wirkt wie die Ruhe vor dem Sturm. Etwas zu ruhig, um nicht misstrauisch zu werden.
"Ihre Eltern werden in Kürze eintreffen, bitte folgen Sie mir."
Cordelia, wie immer elegant, bedeutet uns mit einer Handbewegung ihr zu folgen.
School is killing me.
60. Chapter yey
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