𝐈𝐈𝐈
Sprachlos betrachtete Luc die große, leuchtendrote Vier, die Madame Valente in ihrer geschwungenen Schrift neben das Notenfeld seiner Klausur gezeichnet hatte. Luc war Klassenbester, zumindest in den meisten Fächern. Eigentlich bekam er pausenlos nur Lob von seinen Lehrern, jedoch hatte Luc heute einen teils fragenden, teils enttäuschten Blick von seiner Lehrerin kassiert. „Bro, ich hab einen halben Punkt mehr als du!", freute sich gerade Ethan, der überrascht auf seine 25,5 Punkte starrte, „Kurz mal Einstein geworden!" Luc schnaubte. Sein bester Freund hatte selbst ebenfalls eine Vier und freute sich auch noch darüber...
Wütend ballte Luc die Hände zu Fäusten. An diesem Schlamassel war voll und ganz Aurelie Laurent Schuld, die sich gerade provokant zu ihm umdrehte und ihm ganz ausversehen ihre Zwei präsentierte. Ein selbstgefälliges Grinsen huschte über ihre Züge, so als hätte sie ihn mit ihrem Stiftgeklapper, während der Schreibphase der Klausur, absichtlich reizen wollen. Luc war sich absolut nicht sicher, ob sie es nicht wirklich geflissentlich getan hatte. Nur um ihn zu ärgern...
Das lautstarke Geräusch der Klingel riss den Blonden aus seinen tristen Gedanken. Na endlich, Schulschluss, dachte Luc, ehe er auch schon seine sieben Sachen zusammenpackte und zügig den Klassenraum verließ. Für das Warten auf Ethan hatte er jetzt wirklich keinen Nerv, weshalb er beschloss, schon einmal vorzugehen. Sie würden sich ja ohnehin an der Bushaltestelle wiedertreffen. Zügig verließ er das Schulgebäude, denn nach dieser misslungenen Klausur, wollte er einfach nur noch nach Hause, Daisy holen und zum Skatepark. Daisy war seine Labradorhündin, die er nun schon seit einigen Jahren besaß. Mit ihr spazierte er regelmäßig im nahegelegenen Park oder nahm sie zum Skaten zur Halfpipe mit. Dort konnte sich Daisy dann mit den anderen Hunden auf der Hundewiese austoben, während Luc mit seinem Lieblingsskateboard ein paar Runden auf dem Beton drehte.
Nach dem gewohnten Zwei-Minuten-Lauf erreichte Luc auch schon den Busbahnhof, der vor der Schule lag. Er wohnte eher am Rande des Viertels, in dem auch die Schule lag, weshalb er seit dem Anfang seiner Schulzeit auf den Bus angewiesen war. Zum Glück dauerte es nicht allzu lang bis dieser kam, Luc musste also kaum warten. Zusammen mit Ethan, den er wie vermutet an der Haltestelle wiedergetroffen hatte, bezog er einen der Zweier. „Bro, lass doch wegen der Arbeit nicht so den Kopf hängen! Ich hatte schon genug Vieren in meinem Leben, um zu wissen, dass deshalb nicht die Welt untergeht!", wurde Luc von seinem Sitznachbarn erinnert. „Ethan, du bist das bei deinem vierer Durchschnitt aber auch gewöhnt! Und gewohnte Dinge sind immer nur halb so schlimm, wie Neue. Die Vieren, die ich in meinem Leben jemals hatte, kann man an einer Hand abzählen!", entgegnete Luc.
So langsam ging ihm das Gerede seines Kumpels echt auf die Nerven! Er tat so, als wäre nie etwas passiert, obwohl ihm die schlechte Note womöglich das Endjahreszeugnis versaut hatte. Und das lag alles nur an Aurelie Laurent! Sie war es gewesen, die in während der Schreibzeit massiv von der Klausur abgelenkt hatte und sie war es auch gewesen, die ihn danach praktisch für seine Zensur ausgelacht hatte!
Stöhnend lehnte er sich in dem knapp gepolsterten Sitz zurück. Wann war sein Leben so den Bach heruntergegangen...? Luc wusste, dass er übertrieb, aber die letzten Tage waren die schlimmsten der letzten Wochen gewesen. Und das war erst so, seit er die schlagfertige Blumenladenerbin kennengelernt hatte. Luc drehte sich mit seinen Gedanken im Kreis, denn schon wieder war er bei Aurelie angekommen. Aurelie, die an allem Schuld war!
꧁꧂
„Komm Lou! Wir gehen in den Park. Du brauchst unbedingt ein bisschen Bewegung!", rief Aurelie ihren Hund, der schon die ganze Zeit, die sie wieder zuhause war, schwanzwedelnd durch die Wohnung stromerte. Schnell schnappte Aurelie sich die lederne Leine ihres Hundes, klickte sie an Lous Halsband, kraulte ihren treuen Begleiter einmal hinter den Ohren, ehe sie sich erneut ihre Schuhe anzog und die Tür öffnete. Aurelie und Lou waren eigentlich jeden Tag im nahegelegenen Parc Charruyer unterwegs, so auch heute. Vom Haus der Laurents bis zum Park war es kein langer Weg, weswegen Aurelie gerade einmal fünf Minuten dorthin brauchte.
Im Parc Charruyer gab es auch eine betonierte Skatebahn, die jeden Tag tatkräftig von Interessierten jedes Alters genutzt wurde. Schon öfters hatte Aurelie Leute aus ihrer Schule dort entdecken können, denn die Hundewiese, die direkt neben der Bahn lag, war ein beliebtes Gassi-Ziel von Aurelie und Lou. Dort traf man oft noch andere Hunde, sodass ihr lebensfroher Vierbeiner auch jemanden zum spielen hatte, während Aurelie sich am Rande des Skateparks immer mal wieder nach süßen Skatern umsah. Der Spaziergang zum Park war zur Routine geworden, weshalb Lou genau wusste, dass es nun zu seiner Lieblingshundewiese ging, sobald Aurelie ihn in die richtige Richtung dirigierte.
Kaum waren sie im Park angekommen, stürmte Lou auch schon auf seine altbekannten Hundekumpels zu, die sich mit ihren Besitzern heute ebenfalls im Park befanden. Aurelie ließ sich – wie immer – auf die grüngestrichene Holzbank am Rande des Skateparks fallen und legte ihren Kopf in den Nacken, um die Wolken am klarblauen Himmel zu beobachten. Gerade hatte sie eine hundeförmige Wolke fokussiert, als sich plötzlich ihre Sicht verdunkelte und ein Gesicht in ihrem Blickfeld auftauchte. Nur leider gehörte dieses Gesicht nicht irgendwem, es musste natürlich das des Oberarschloches Luc Fornier sein. Der, der sie schon bei ihrer ersten Begegnung wie das letzte Stück Dreck behandelt hatte. Der, der ständig im Unterricht mit seinen Noten prahlte. Der, der der Schwarm aller Mädchen war und eine Freundin nach der anderen hatte. Der, dessen Erscheinung im nachmittäglichen Sonnenlicht verdammt attraktiv aussah und der, der jetzt seinen Mund öffnete und ihr anscheinend irgendetwas mitteilen wollte.
„Was machst du denn hier?", bestätigte er Aurelies Vermutung. „Was machst DU hier?", stellte sie die Gegenfrage, während sie angestrengt versuchte, nicht in sein kantiges Gesicht zu starren. „Oh Schätzchen, du kannst eine Frage nicht mit einer Gegenfrage beantworten.", machte er ihr klar, was sie äußerst wütend stimmte. Was fiel diesem Idioten eigentlich ein? Wie kam er auf die bescheuerte Idee sie mit diesem dummen Kosenamen anzusprechen? Sie war schließlich weder sein Eigentum noch irgendeine Puppe, mit der einfach so spielen konnte. „Nenn mich nie wieder Schätzchen!", presste Aurelie zwischen ihren, vom Zusammendrücken ganz weißen, Lippen hervor.
„Oh Schätzchen, das tut mir echt unendlich leid. Kommt nie wieder vor.", provozierte er sie weiter, was auch wunderbar funktionierte. Aurelie konnte in seinem Gesicht – sie hatte es dummerweise riskiert dorthin zu sehen – die Freude über ihren Ärger erkennen. „Achso, und jetzt zurück zu meiner Frage. Was machst du hier? Das ist ein Skatepark. Und ich bezweifele ehrlich gesagt, dass du auch nur zwei Meter gerade Strecke mit einem Skateboard oder Inlineskates zurücklegen könntest." Fast schon spöttisch betrachtete er Aurelie von oben, denn Luc war locker zwanzig Zentimeter größer als sie.
„Zufällig ist das hier aber auch ein Park für Hunde.", zischte Aurelie mit zusammengekniffenen Augen. „Du hast einen Hund?", fragte Luc erstaunt, ohne auf Aurelies unfreundliche Art einzugehen. „Ja, ich habe einen Hund." Fragend sah Luc sich um, als glaube er, dass der Hund plötzlich hinter einem Busch hervorgesprungen kam. „Wo ist er?", wollte er wissen, nachdem er nichts entdeckt hatte. „Auf der Hundewiese.", war ihre schlichte Antwort. Am liebsten hätte sie ihm noch weitere bittere Kommentare an den Kopf werfen, allerdings hatte Aurelie beschlossen, dass eine Prügelei in einem öffentlichen Park vielleicht nicht so angebracht wäre.
„Warum interessiert dich das überhaupt?", hakte sie nach, da Luc immer noch aussah als wäre es ihm wichtig, ihren Lou kennenzulernen. „Ich mag Hunde. Ich hab selbst auch einen. Meine Hündin heißt Daisy und ist ein Labrador. Ich hab sie auch dabei. Sie ist dort hinten.", erzählte Luc, während er auf eine bildhübsche, schokobraune Labradorhündin zeigte, die zusammen mit den anderen Hunden im Park über die Wiese tollte.
Suchend sah Aurelie sich nach Lou um. Eben war er noch zusammen mit einem Zwergschnauzer und einem Wolfspitz bei der dicken Eiche gewesen. Als sie Lou aber nun im Trubel der vielen Vierbeiner ausmachen könnte, erschrak sie, denn Aurelie realisierte, dass Lou gerade einen neuen Freund gefunden hatte. Nur leider war dieser Freund eher eine Freundin und der Besitzer ein Arschloch.
Kapitel 3 ist nun auch abgeschlossen und ich entschuldige mich, dass so lange nichts mehr kam 🥴 Die Zeit war irgendwie weg...
Ich würde mich sehr über einen Vote und Kommentare freuen. Teilt mir doch gerne mit, ob euch mein neues Kapitel gefallen hat! 🤍
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro