
𝐒𝐀𝐌𝐄 𝐇𝐄𝐋𝐋
𝐒𝐀𝐌𝐄 𝐇𝐄𝐋𝐋
»𝐄𝐑-𝐄𝐑𝐒𝐂𝐇𝐑𝐄𝐂𝐊 𝐃𝐈𝐂𝐇 𝐄𝐈𝐍𝐅𝐀𝐂𝐇 𝐍𝐈𝐂𝐇𝐓. 𝐎𝐊𝐀𝐘?«, bitte ich sie und kämpfe gleichzeitig nervös mit meinen Locken.
»Das letzte Mal als du hier warst, war es dunkel. Das machte es...sexy. Jetzt ist es einfach nur...«, ich beende meinen Satz nicht und lasse ihn genauso bedrohlich in der Luft schweben, wie all das was uns bevorsteht.
Sie wird schon selbst sehen.
Und erkennen, dass das hier noch übler ist als die Worte ihrer Mom.
Das ist - rein logisch betrachtet - nicht möglich, aber trotzdem.
Das hier ist kein Ort, an dem eine Chrissy Cunningham leben sollte.
»Eddie.«, wispert sie in mein Ohr und scheiße ich schwör's bei meiner Gitarre, an das Gefühl, dass sie dadurch in mir hervorruft werde ich mich nie gewöhnen.
»Ich hab in deinem Van geschlafen. Wochenlang. Das hier ist das reinste Paradis im Vergleich.«, sichert sie mir zu und stellt sich wieder auf die Versen.
Warum sieht sie auch immer so verdammt niedlich aus, wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellt, um an mich heranzukommen?
Ich nicke stumpf. Kann ja auch nichts anderes tun. Wayne ist unsere letzte Rettung.
Und geht langsam nicht nur das Benzin aus, sondern auch die Wahl unserer Abstellplätze.
In den letzten Tagen wurden wir unzählige Male verscheucht und die dadurch hervorgerufene andauernde Müdigkeit würden wir nicht mehr lange mitmachen können.
»Junge.«, sagt Wayne schlaff als er mich sieht.
Die Schatten unter seinen Augen sind so verflucht dunkel.
Ist er durch dieselbe Hölle gegangen, wie wir es sind? Dann viel Spaß, Onkel. Das ist erst der Anfang.
Von einem frustrierten Seufzen begleitet nehme ich ihn in die Arme, dann gehe ich einen Schritt zurück und lasse meine Hand über Chrissy's Rücken schweben.
»Chrissy kennst du ja.«
Wayne nickt und schenkt ihr ein freundliches Lächeln.
Was man sich unter freundlich eben vorstellen kann, bedenkt man, dass ihm unsere Lage einfach nur Leid tut.
Das fühlt sich irgendwie noch schlimmer an als die einfache Tatsache, dass wir in meinem verfickten Van gehaust haben.
Dass er weiß, wie scheiße es für uns aussieht.
Dieses Mitleid trifft mich mehr als alles andere.
Weil es meine Schuld ist.
Und weil Chrissy diejenige ist, die am meisten darunter leidet. Und das hat sie einfach nicht verdient. Nichts von alledem.
»Kommt erstmal rein. Esst was, duscht euch und dann sehen wir weiter.«, schlägt er uns vor.
Noch nie hat eine nicht ganz funktionstüchtige Dusche in einem schrottreifen Trailer so gut geklungen.
Weil Chrissy wie angewurzelt stehen bleibt, ziehe ich sie sanft am Ärmel ihres - meines - Shirts.
Es ist lange her, dass ich sie in ihrer Uniform gesehen habe.
Zuletzt eigentlich, als ich sie daraus gepellt habe, als wir -
Nope. Keine Chance. Ich denke nicht wieder daran zurück.
Ich brauche Blut in meinem Hirn, nicht in meinen unteren Regionen.
Das was zwischen uns aufgeblüht ist, wurde ohnehin im Keim erstickt.
Wir sind zu unserem Ursprung zurückgekommen.
Zwei sehr verschiedene Freunde, deren Leben komplett auf den Kopf gestellt wurde.
Chrissy ihres noch mehr als meines.
Bei mir hatte sich nicht viel verändert. Nur meine Gesellschaft.
In Form der ehemaligen Königin der Hawkins High.
Und vielleicht die Tatsache, dass meine Jungs mir sonstige Flüche auferlegen.
Noch so eine Sache, die ich dringend regeln muss.
Ich kann es nicht zulassen, dass meine langjährige Freundschaft zu ihnen darunter leidet.
»Der Lockenkopf war hier.« , erzählt mir mein Onkel, als könnte er Gedanken lesen.
Henderson? Klar doch. Wenn jemand hartnäckig ist, dann er.
Ich brumme etwas Unverständliches vor mir her, weil ich nicht so genau weiß, was ich darauf antworten soll.
In einer gewissen Art und Weise rührt es mich, dass er so penetrant nach mir gefragt hat.
Die andere Seite fragt sich, warum es die anderen nicht getan haben.
Sind sie echt so wütend auf mich? Wohlmöglich.
Allein, weil wir diverse Auftritte im HideOut absagen mussten.
»Ed?«, reißt er mich aus meinen Gedanken.
Irritiert blinzele ich in das grelle Licht des Trailers und versuche zu rekonstruieren, was er gesagt hat.
»Ob du Chrissy zeigst, wo sie die Handtücher findet? Ich lasse euch etwas Geld für eine Pizza da, dann muss ich los zur Arbeit.«, erklärt er mir ein weiteres Mal.
Von mir kommt nur ein gemächliches Nicken, dann stoße ich mich von der Küchentheke ab, an der ich gelehnt habe und gehe die wenigen Schritte auf Chrissy zu.
»Gehen wir, Mademoiselle. Auf Sie wartet ein Luxusspa, bestehend aus einer Dusche, in die eine vierjährige Version von Ihnen reinpasst und einem Spiegel, der diverse Sprünge hat. Die, möchte ich betonen, nicht von Aggressionsproblemen herrühren, wie Ihnen ein gewisser anderer Herr des Hauses vielleicht weismachen will.«
Ich werfe einen amüsierten Blick zu Wayne und er schenkt mir ein Lächeln.
Eines der wohl gekünsteltsten Lächeln, die er je zustande gebracht hat.
Fast so gut wie auf der Beerdigung von Carrie. Aber nur fast.
Es erreicht seine Augen nicht, ganz genau wie damals. Ich hoffe echt nicht, dass er denkt unsere Lage sei so schlimm wie meine kleine Schwester zu Grabe zu tragen.
Das würde mir echt sauer aufstoßen.
Klar, unsere Situation ist mehr als beschissen.
Aber einen geliebten Menschen zu verlieren, weil er fortan unter der Erde liegt ist der Spitzenreiter unter beschissenen Dingen.
Eigentlich ist es seltsam.
Ich hab mich in den letzten Wochen so oft darüber beschwert, dass Chrissy mir nicht alles anvertraut und man ihr alles aus der Nase ziehen muss, dabei habe ich Carrie nicht einmal mit einem Wort erwähnt.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Chrissy auf den Zehenspitzen hin und her wackelt.
Sie ist nervös. Verständlich.
»Hey, geh schon einmal vor. Der einzige Raum, der ne richtige Tür besitzt.«, erklärte ich ihr mit einem schiefen Lächeln.
Der Rest der Räume ist nur durch Vorhänge abgegrenzt.
Ein wahrgewordener Traum.
Kann fast mit dem Hilton mithalten.
Dann schlendere ich in meine vier Wände, die viel haben aber keine vier Wände und krame in meiner abgewetzten Kommode nach etwas zum Anziehen. Auch, wenn ich finde, dass es kaum etwas Großartigeres gibt als Chrissy in einem meiner Bandshirts zu sehen, muss ich wohl oder übel zugeben, dass das keine Dauerlösung ist.
Sie braucht Kleidung, Kosmetik - was auch immer eine Chrissy Cunningham noch so braucht.
Noch während ich nach etwas Passendem zum Anziehen suche, erkenne ich durch den Spiegel, dass Wayne im Türrahmen steht.
Er hat die Arme vor der Brust verschränkt und mustert mich besorgt.
Seufzend drehe ich mich zu ihm um, werfe die Hände in die Luft und beschenke ihn mit einem weiteren, schiefen Lächeln.
Auch bei mir erreicht es meine Augen nicht.
»Jetzt mach dich mal locker. Nen zweiten Herzinfarkt können wir jetzt nicht auch noch gebrauchen. Außerdem war es die Hölle für dich zu kochen, nicht, weil ich das nicht wollte, sondern weil ich es auch essen musste.«, versuche ich die Situation zu entspannen. Erfolglos.
»Wir kommen schon klar. Ich hab ihr das eingebrockt und ich-«
»Du hast nichts eingebrockt, Ed. Niemanden. Alles was ihre Entscheidung, klar? Von deinen kleinen Nebenverdienst kann man halten was man will. Du hast es niemanden aufgezwungen.«, unterbricht er mich harsch.
Weil er dabei flüstert klingen seine Worte so eindringlich, dass ich sie kurz selbst glauben will.
Fakt ist aber, dass ich Chrissy einen Joint angeboten habe. Mehrfach.
Und, dass ich sie mit mir geschleppt habe. Auch mehrfach.
Ich hätte jedes Mal verneinen können.
Wäre ich nur ein wenig standhafter gewesen, hätte ich das Ruder umreißen können.
»Du musst doch zur Arbeit.«, wehre ich ihn ab und schiebe mich an ihm vorbei.
Ich laufe fast zum Bad.
So sehr das in den wenigen Quadratmetern eben geht und bleibe abrupt stehen, als ich vor der Tür zum Stehen komme.
Ich kann ja nicht einfach so da rein, oder?
Was, wenn sie sich schon ausgezogen hat?
Nicht, dass ich das noch nicht gesehen hätte, aber irgendwie war für alles was in diese Richtung hätte gehen können keine Zeit gewesen.
Meine Hand ruht abwartend vor dem schäbigen Holz der Tür.
Ich hadere immer noch mit mir selbst, ob ich klopfen soll, da öffnet sich die Tür von alleine.
Nun, nicht von alleine. Durch Chrissy.
Sie drückt ihren Kopf durch den winzigen Spalt, den sie offen lässt.
Ich kann ihre nackten Schlüsselbeine trotzdem sehen und stelle mir unweigerlich vor, wie es sich angefühlt hat, sie dort zu küssen.
»Eddie?«, fragt sie und hebt abwartend ihre Augenbraue an.
Ihr Blick liegt auf der Kleidung, die ich in den Händen halte.
Und meiner auf ihrer dämlichen Schönheit, die mich schon einmal in mein Verderben laufen lassen hat.
Ich nickte abwesend und halte ihr die Klamotten hin. Erst als sie sich mit einem dankbaren Lächeln entgegennimmt und die Tür wieder schließt, hole ich Luft.
Das wird so viel schwerer als gedacht.
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