Erfolgreich und ohne Spuren
Es war wieder Zeit. Lange hatte sie mich nicht mehr kontaktiert. Nichts mehr zu mir gesagt oder mir Anweisungen erteilt. Ich hatte darauf gewartet endlich wieder einen Auftrag zu bekommen. Eine Chance mich zu beweisen und das zu tun, wofür sie mich ausgebildet hatte.
"Charon wird zu mächtig" hauchte eine dunkle Stimme in meinem Kopf. "Er darf nicht werden wie sein Vater. Er ist zu gefährlich. Du musst ihn aufhalten Neoma" wies sie mich an. Demütig sah ich auf den Boden. Auch wenn sie nicht wirklich vor mir stand, spürte ich dennoch ihre beängstigende Präsenz. Einnehmend und streng.
"Ja Mutter" antwortete ich mit gesenkter Stimme. Unzählige male hatte ich dies schon getan. Wie viele Aufträge hatte ich schon gehabt? Viel zu viele. Dennoch wartete ich jedes mal sehnsüchtig auf den nächsten.
"Gutes Mädchen" und mit diesen Worten verschwand ihre Präsenz wieder. Wie ein dunkler Nebel, der sich lichtete. Ich sollte also Charon Black töten. Sohn von Hades und Besitzer eines der größten Unternehmens Amerika. Leider hatte er nicht nur den Reichtum seines Vaters geerbt, sondern auch seine Arroganz und die Boshaftigkeit.
Nun, meine Mutter, Artemis, hatte mir viel beigebracht darüber, wie man Beute jagte und sie schlussendlich zur Strecke brachte. Es war also kein Wunder, dass, wenn der Olymp eine dreckige Angelegenheit hatte, die Tochter der Göttin der Jagd diese Aufgabe übernehmen musste.
Die nächsten drei Tage verbrachte ich mit der Planung. Zu planen war das wichtigste bei solch einem Auftrag. Ich hatte schon viel von Charon gehört. Die meisten Halbgötter wussten von der Existenz der anderen jedoch kannten nur wenige die Namen der anderen. Neben uns eher bekannten Halbgöttern, gab es auch einige, die selbst den großen Göttern völlig unbekannt waren. Wie viele in der Menschen Welt umherliefen konnte keiner so genau sagen, doch es war immer wieder interessant zu sehen, wie die Kinder von Göttern aufwuchsen. Manche, wie ich und Charon wurden von ihren Eltern aufgezogen, um eines Tages auch so zu werden, wie sie, andere wurden von ihren Eltern ignoriert und entdeckten vielleicht nie das ganze Ausmaß ihrer Kräfte.
Es ging für mich allerdings nur um Charon. Den Sohn Hades. Er war schon immer gemein und Ehrgeizig gewesen und da er zur Hälfte Mensch war, hatte der Olymp ihm dies gestattet, doch er hatte mittlerweile zu viel Einfluss. Menschlichen Einfluss. Selbst ohne seine göttlichen Kräfte hätte er die Möglichkeit hunderte Menschen zu befehlen. Durchaus beeindruckend.
Für meinen Auftrag musste ich näher an ihn herankommen, ohne aufzufallen. Irgendwie musste ich es schaffen in seine Nähe zu kommen und dafür zu sorgen, dass niemand mich verdächtigte, wenn er starb. Natürlich könnte ich einfach in sein Haus einbrechen und ihn töten, doch das würde Hades sicherlich merken. Er würde Rache üben wollen. Deshalb musste es unauffällig sein. Vielleicht ein Unfall. Das wusste ich noch nicht genau.
Die Frage war nun: Wie kam man an einen CEO einer großen Firma am besten ran? Nun, zufälligerweise suchte seine Firma eine neue Assistentin. Ich würde nicht direkt für Charon arbeiten, sondern für einen seiner engsten Mitarbeiter, was bedeutete, dass ich ihm näher kommen könnte. Natürlich wären es nur zufällig Begegnungen in der Cafeteria oder einige Dokumente die ich vorbeibringen müsste, die mich ihm näher brachten. Der Plan war perfekt. Nun musste ich die Stelle nur noch kriegen.
Nachdem ich eine falsche Bewerbung geschrieben und abgeschickt hatte, wurde ich auch direkt zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Wie einfach es doch war normale Menschen zu manipulieren. Logischerweise stimmte das Meiste aus meiner Bewerbung nicht. Ich hatte noch nie in einem Büro oder als Sekretärin gearbeitet, doch das konnte ja wohl nicht so schwer sein.
Am nächsten morgen stand ich also im Bad und machte mich fertig. Es war nicht das erste Mal, dass ich mich schick machen musste, also brauchte ich glücklicherweise nicht lange. Anfangs hatte ich oft eine Stunde oder länger gebraucht, um halbwegs annehmbar auszusehen. Tja, wenn es eine Sache gibt, die eine Göttin einem wohl nicht beibringen kann, dann ist es schminken und Haare machen.
Da ich schlicht wirken wollte, hatte ich nur ein wenig Mascara aufgetragen, dazu hellen highlighter und Lipgloss, der meine vollen Lippen, noch ein wenig mehr betonte. Augenringe brauchte ich nicht abzudecken, denn die hatte man als Halbgott nicht. Warum das so war, wusste ich nicht, doch es war ein großer Vorteil.
Meine dunklen Haare hatte ich offen gelassen. Dazu trug ich noch ein paar goldene Ohrringe, sowie eine Kette und zwei Ringe. Ich musste zugeben, dass ich angefangen hatte so etwas zu mögen. Klar, ich war eine taffe Killerin und sowas aber es war irgendwie schön, wenn man sich so hübsch fühlte.
Mit einem letzten, zufriedenen Blick in den Spiegel verließ ich dann meine Wohnung. Es war praktisch eine Wohnung direkt in New York zu haben, die ich nicht selbst bezahlen musste. Der Olymp bezahlte für solche Sachen, im Gegenzug für meine Dienste.
Eine halbe Stunde später war ich endlich am Gebäude der "Black Mamba Company". Ein recht passender Name, wenn man bedachte, dass Charon wohl eine Obsession mit Schlangen hatte. Außerdem war er genauso giftig wie sie.
"Guten Tag, mein Name ist Neoma Rivers, ich wurde eingeladen für ein Vorstellungsgespräch" erklärte ich der jungen Frau am Empfang. Sie trug genau wie ich auch einen kurzen Rock mit einer Bluse. Der Unterschied war, dass ich noch ein Jackett dazu anhatte.
"Natürlich. Sie werden bereits im 19. Stock erwartet" erwiderte sie und ich bedankte mich mit einem Nicken, bevor ich zum nächstbesten Fahrstuhl lief. 20 Stockwerke hatte das Gebäude, zumindest hatte ich das den Knöpfen aus dem Fahrstuhl entnehmen können. Dann war der 20. Stock bestimmt für Charon. Was ein arroganter Mann.
Nachdem ich etwa 20 Minuten mit vielen anderen, jungen Frauen im Flur gesessen hatte, wurde ich endlich aufgerufen. Ein großgewachsener Mann mit kalten Gesichtszügen erwartet mich in seinem Büro. Daneben ein Gesicht, welches ich bereits kannte. Charon. Sein schwarzes Haar trug er ganz locker, im Gegensatz zu dem Mann neben ihm, der es streng nach hinten gegelt hatte.
"Miss Rivers, ich bin Kyon Ajax. Sie werden für mich arbeiten, vorausgesetzt sie erfüllen meine Erwartungen" begann der mir bislang unbekannt Mann plötzlich. So so, das wäre also mein Boss. Wirklich gefallen tat mir das nicht, denn er wirkte auf mich genauso arrogant, wie Charon aber naja, was tat man nicht alles für einen Auftrag.
"Würde ich ihre Erwartungen nicht erfüllen, dann hätten sie mich sicher nicht eingeladen Mr. Ajax" erwiderte ich und setzte dabei das süßeste Lächeln auf, dass ich konnte. Wenn es eins gab, was ich über solche Männer gelernt hatte, dann war es, dass sie herausgefordert werden wollten. Ich verstand nicht genau wieso, doch irgendwie schienen sie unglaublich begeistert von Frauen die sie erst "bändigen" mussten. Meiner Meinung nach eklig, doch das interessierte die beiden Herren wohl eher weniger.
Überrascht hob Charon eine Augenbraue und musterte mich nun etwas eingehender. Bisher hatte er mir nicht viel Beachtung geschenkt, doch nun spürte ich, wie er versuchte herauszufinden, wer ich war. Halbgötter hatten oft ein gutes Gespür für so etwas, was wohl auch einer der Gründe war, warum Charon so erfolgreich war.
"Nun, sie sind bei weitem nicht die einzige, die meine Erwartungen erfüllt, also wieso sollte ich ausgerechnet sie nehmen?" fragte Kyon. Wer war dieser Kyon eigentlich? Er stand an Charons Seite, also war er sicher kein normaler Mensch. War er auch ein Halbgott? Sicher nicht. Doch was war er?
"Warum sie mich nehmen sollten? Ich bin qualifiziert, ich arbeite sehr gut und ich werde gewiss nicht nur zuckersüß lächeln, wie die ganzen anderen Bewerber. Ich bin hier für eine Stelle als Sekretärin und ich wäre nicht gekommen, wenn ich nicht geglaubt hätte, dass ich das Zeug dazu habe und auch wenn es am Ende ihre Entscheidung allein ist, ich bin ihre beste Wahl Mr. Ajax" erklärte ich mit der Selbstsicherheit meiner Mutter. Oh ja, das hatte sie mir beigebracht. Beeindrucke die Menschen, dann werden sie dich lieben oder hassen und daran erkennst du, ob sie gute Menschen sind. Auch wenn mein Onkel, Apollon eher der Gott für solche Sprüche war, konnte sie es nicht lassen auch mal sowas vom Stapel zu lassen.
"Sie sind engagiert" sprach plötzlich Charon und aus Reflex drehte ich mich zu ihm. Er lehnte locker gegen die Lehne seines Stuhls und seine dunklen Augen ließen nicht von mir ab. Auf seinen Lippen lag ein kaltes Grinsen und er hatte wohl bewusst seine Ärmel hochgekrempelt, so dass ich seine vielen Tattoos sehen konnte. Der Sohn der Hölle wollte mich wohl ein bisschen einschüchtern. Als hätte ich Angst davor. Allerdings war ich natürlich bloß ein "normaler Mensch" also kaute ich auf der Innenseite meiner Wange herum und verschränkte die Arme vor der Brust, um ihm zu zeigen, dass ich "natürlich" Respekt vor ihm hatte.
"Mein Name ist Charon Black, ich bin der CEO und Besitzer dieser Firma. Ich hoffe ihnen ist klar, dass sie sowohl für Mr. Ajax Aufgaben, als auch für die Kommunikation zwischen mir und ihm zuständig sind" begann er zu erklären. Natürlich wusste ich das. Allein deswegen hatte ich mich beworben. Plötzlich wurde sein Grinsen breiter. "Das heißt wir werden uns öfter sehen" und mit diesen Worten stand sowohl er, als auch Kyon auf. Auf einmal bemerkte ich etwas, an der Art wie Kyon etwas versetzt, hinter Charon stand. Es wirkte fast... wie ein Hund. Natürlich. Kyon bedeutete Hund auf griechisch. Dieser Mann war die Verkörperung von Cerberus, dem dreiköpfigen Hund der Hölle. Und für den sollte ich arbeiten? Na super.
"Vielen Dank Mr. Black und ihnen natürlich auch Mr. Ajax. Ich freue mich auf eine gute Zusammenarbeit" meinte ich lächelnd und senkte leicht den Kopf, als Zeichen der Dankbarkeit. "Die restlichen Details besprechen sie bitte mit Mrs. Howard, sie finden sie im Büro neben diesem" erklärte mir Charon und ich setzte erneut mein süßestes Lächeln auf, bevor ich das Zimmer verließ. Ich konnte die bösen Blicke der anderen spüren, als ich gefolgt von den beiden Männern aus dem Büro kam, die verkündeten, dass die Bewerbungsgespräche nun vorbei seien.
Ich hatte die Stelle, dass bedeutete, dass ich nun beginnen konnte meinen Plan in die Tat umzusetzen.
Ich würde den Auftrag erfüllen.
Erfolgreich und ohne Spuren.
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