„Ihr seid euch sicher, dass wir das machen sollen? Schon wieder? Als wir ins Wasser sprangen war das ja noch halbwegs logisch, außer dass wir dadurch direkt in eine andere Dimension tauchten. Aber das hier? Das ist-", Robin fixierte mit ihren saphirblauen Augen das Portal, aus dem glühende Funken sprangen.

„Irre? Bescheuert? Geistesgestört? Jap.", unterbrach Dustin sie und tippte dreimal gegen den Schirm seiner Cap. War das eine Art Ritual von ihm? Hielten ihn kleine Eigenarte davon ab, den Verstand zu verlieren? Funktionierte es?

Unbeobachtet tippte ich mit der Spitze meines Fingers gegen meine Stirn. Dreimal. Ich fühlte mich dadurch nicht sicherer, aber Dustin näher.

„Okay...okay. Okay!", meine Stimme wurde immer kräftiger und zuversichtlicherer. Nicht, dass ich es wirklich war, aber irgendwie mussten wir jetzt dadurch. Wortwörtlich.

Mit meiner linken Hand hielt ich immer noch Steve's Hand fest und war mir ziemlich sicher, dass ich sie ihm beinahe zerquetschte, so stark drückte ich zu. Meine rechte Hand diente zuvor noch als Sichtschutz, jetzt nahm ich sie jedoch weg und verschränkte sie mit Dustins dicklichen Fingern.

Er sah mich bedeckt an, ich deutete mit einem Kopfnicken auf Robins Hände und wollte ihm dadurch begreiflich machen, dass er sie festhalten sollte. Und endlich verstand er, griff nach Robins Hand und hielt sie in die Höhe.

„Auf in den Tod!", rief er lachend und obwohl es für mich absolut unverständlich war, warum er lachte, stimmte ich mit ein.

„Auf in den Tod!", riefen wir gemeinsam und nahmen Anlauf.

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„Ich glaub ich hab mir den Fuß gebrochen", wimmerte Dustin lautstark und versuche aufzustehen, schaffte es aber nicht.

„Wenn schon, dann hast du mir meinen gebrochen!", beschwerte sich Steve und stieß ihn von sich. Dustin hatte sich unmöglich irgendetwas brechen können, denn er hatte mit seinem gesamten Gesicht auf Steve gelegen.

Wir alle waren ein Durcheinander aus Körperteilen, die aufeinander oder beieinander lagen. Ich hustete eine Wolke aus Staub aus, strich mir meine wirren Haare hinter die Ohren und drückte mich von etwas ab, von dem ich hoffte, es war nur ein Rücken.

Ich rieb mir den kratzigen Dunst aus den Augen und kniete mich hin, aufstehen war mir noch zu unsicher in Anbetracht dessen, dass wir in eine verdammte andere Dimension gestürzt waren.

Im Nachhinein betrachtet wusste ich gar nicht, was ich erwartet hatte. Wie sollte es sich denn anfühlen, wenn man durch ein Portal sprang? Letztendlich war es nichts gewesen. Ein Nichts, in das wir eintauchten und ein Nichts, aus dem wir wieder ausgespuckt wurden.

Mein Blick war trüb, als ich ihn über das wandern ließ, was sich mir zeigte. Eine Welt, die unserer nicht unähnlich war, abgesehen von einem völlig veränderten Farbspektrum. Hier wirkte alles so düster und farblos, beengend trotz der unendlichen Weite, die es für uns bereithielt.

Das hier war Hawkins und gleichzeitig nicht einmal annähernd damit zu vergleichen. Wohin ich auch sah, formten sich Monster aus den gleichen Ranken, die das Portal umzäunt hatten. Dominiert wurde diese Welt von der Dunkelheit aus blutroten und mitternachtsblauen Nuancen.

Unter anderen Umständen hätte das hier schön sein können. Kunstvoll und dynamisch. Es war aber nichts als beängstigend.

„Vorsicht!", kreischte Robin und rammte mich nieder, ich keuchte auf und fand mich wieder auf dem staubigen Boden ein.

Wie ich hier so lag und gen Himmel starrte – ich wusste nicht, ob es wirklich der Himmel war -, bemerkte ich die weißen Fetzen, die auf uns hinabschneiten. Sie erinnerten mich an abgebrannte Papierfetzen von Briefen an Eddie, die ich schreib, aber nie abschickte. Wohin auch? Ich hatte damals keinen Hinweis über seinen Verbleib.

„Pass auf, dass sie dich nicht berühren. Wir wissen nicht genau was sie machen, aber etwas Gutes kann es nicht sein.", erklärte sie mir. Ich folgte ihrem Blick auf die Tentakel und nickte verständnisvoll.

„Ähm Leute? Ich will euch jetzt nicht noch mehr Angst machen, aber...ist euch vielleicht aufgefallen, dass etwas Wichtiges fehlt? Etwas sehr Wichtiges?", bemerkte Dustin panisch und sah uns mit weit aufgerissenen Augen an.

Wir schüttelten einvernehmlich den Kopf.

„Waffen!", erläuterte er stumpf.

Jetzt rissen wir allesamt gleichzeitig die Augen auf. Robin kreischte wie von der Tarantel gestochen auf und rannte unruhig umher. Dabei rief sie ungefähr genauso oft 'Scheiße' wie Steve unzählige Male zuvor.

„Wie konnten wir die vergessen?", murmelte Steve und rieb sich den Hinterkopf.

Ich sprang in einer hastigen Bewegung auf und hielt mir mit ungläubiger Miene den Kopf.

„Ihr-", ich holte tief Luft, damit meine Stimme nicht mehr das heisere Flüstern war, das entfernt Ähnlichkeit mit einem erstickenden Huhn hatte. „Ihr habt das hier nicht einmal, nicht zweimal, sondern dreimal durchgemacht. Und dann vergesst ihr etwas so Elementares wie Waffen?", ich hatte versagt, denn meine Stimmfarbe war doch nichts mehr als ein schriller, panischer Ton.

„Zu meiner Verteidigung: Ich erst einmal. Letztes Jahr war die Sache mit den Kommunisten, du erinnerst dich?", entschuldige sich Robin.

Das war doch jetzt nicht ihr Ernst?

„Also im UpsideDown war ich auch nicht so häufig. Steve hat damit mehr Erfahrung. Also Steve, wie konntest du nur?", ein bedauerlicher Versuch von Dustin die Schuld von sich zu schieben und mir den Rest meines Verstandes zu nehmen.

Ihre Ausreden waren gerade genauso unbedeutend wie die Tatsache, dass ich mein Milch-Abonnement nie abbestellt hatte und mich wahrscheinlich unzählig Flasche vergammelter Milch erwarten würden, wenn ich wieder nach Hause kam. Wenn.

„Dann...", Steve rieb sich nachdenklich über das schweißnasse Gesicht, einige Strähnen hingen ihm feucht im Sichtfeld und auch, wenn es unbedeutend war, fiel mir auf, wie attraktiv er wirkte.

„...dann suchen wir uns eben welche. Hier wird schon was...", er flog mit seinen Augen über die Unendlichkeit dieser undefinierten Hölle und beendete seinen begonnenen Satz. „...zu finden sein. Irgendwo."

Ich schürzte meine Lippen und nickte ein paar Mal, einerseits um seine Worte zu verarbeiten, andererseits um einfach irgendetwas zutun.

Irgendwo Waffen finden, in einer Welt, in der sie vielleicht einmal gewesen waren, sich aber nicht auskannten.

Oder doch? Es war ja schließlich Hawkins. Hawkins in düster und tödlich.

„Wir können doch prinzipiell ganz einfach in einen Laden einsteigen und Waffen holen, oder nicht? Diese Läden existieren hier doch auch?", stellte ich eine Vermutung auf, die Robin mit einem Nicken bekräftigte.

„Nicht weit von hier hat vor ein paar Jahren ein Laden für Jäger aufgemacht. Der ist zwar jetzt abgerissen, aber in dieser Welt steht er noch. Dort sollte es doch in jedem Fall Waffen geben.", schlug Robin vor.

Ich lächelte dankbar, weil sie meine These unterstütz und gleichzeitig einen Vorschlag gebracht hatte. So würden wir vorankommen, wir mussten einfach nur zusammenhalten und kreativ werden.

„Irgendwas ist anders.", sagte Dustin und drehte sich einige Male um die eigene Achse, dabei wechselte sein Blick zwischen dem Himmel und dem Erdboden hin und her. „Sie fehlen.", behauptete er.

Wir sahen ihn fragend an, keiner von uns dreien konnte erahnen, was er damit gemeint haben könnte.

„Die...", er holte tief Luft als müsse er sich auf das, was er uns mitteilen wollte, erst noch vorbereiten. Dann ließ er die Luft lautstark entweichen und sprach weiter. „...Fledermäuse. Sie sind nicht da."

Steve's Augen weiteten sich für den Hauch einer Sekunde, dann legte er seinen Kopf in den Nacken und starrte eine Ewigkeit in den Horizont.

„Du hast recht.", bestätigte er. „Sie sind nicht da."

„Das ist komisch. Denn letztes Mal waren sie da. So richtig da. Überall. Ich hab eine von ihnen aufgespießt!", erklärte Robin und rieb sich nachdenklich das Kinn.

„Was meint ihr was das bedeutet?", fragte ich und sah zwischen ihnen hin und her. Steve zuckte mit den Schultern, Robin sah mich nur ratlos an und Dustin blickte mit unergründlicher Miene weiterhin in den Himmel.

Die Stille um uns herum blieb nicht lange bestehen, denn Steve klatschte in die Hände und motivierte uns, damit wir uns auf den Weg machten. „Besorgen wir uns ein paar Knarren."