Es dauerte mindestens zwei Herzschläge, bis ich endlich verstand, was ich da eigentlich tat.

Ich saß auf Steve Harringtons Schoß, das Lenkrad drückte unangenehm in meinen Rücken, meine Hände taten schon weh, weil ich sie so fest um seinen Kragen geschlossen hatte und –

Ich küsste ihn!

Ich hatte noch nie jemanden geküsst. Ich wurde geküsst, einmal. Aber danach hatte ich mir Stunden lang den Mund mit Seife ausgewachsen.

Das war zwar widerlich, aber effektiv.

Mit zwölf wollte man einfach noch nicht von Jungen geküsst werden. Ich wollte es zumindest nicht. Und vor allem wollte ich es nicht von Peter Daniels.

Ich trug eine Zahnspange, er hatte auch eine – schlechte Kombi. Noch schlechterer Kuss.

So wie ich meine Lippen jetzt vorsichtig auf denen von Steve bewegte, hätte ich mir gewünscht, vielleicht doch öfters geküsst zu haben.

Denn ich hatte nicht den blassesten Schimmer, was ich genau tun sollte.

Meine Finger konnte ich doch nicht ewig in seinem Hemdkragen verhakt haben. Es schmerzte und kam mir irgendwie falsch vor.

Unsicher ließ ich eine Hand los und legte sie an seine Halsbeuge. Auf keinen Fall in seinem Haar, das war ihm heilig.

Was ist, wenn er mich gar nicht küssen wollte? Hatte ich eine unsichtbare Grenze überschritten? Ich hatte ihn nicht einmal nach seiner Einwilligung gefragt. Peter hatte das aber auch nicht.

Warum wollte ich ihn denn überhaupt küssen?

Es war einfach so über mich gekommen. Sein verletzlicher Blick, meine Verwirrung über – einfach alles -, die leisen Klänge von Foreigner.

Ob es richtig war, wusste ich nicht. Aber es fühlte sich gut an. Gut war in Anbetracht der Umstände fantastisch.

Es hätte mich nicht überraschen dürfen, aber trotzdem wunderte ich mich darüber, wie weich seine Lippen tatsächlich waren.

Ich spürte wie die Adern meines Herzens einen Marathon abhielten, um immer wieder genügend Blut durch meinen Körper zu pumpen. Was das zu bedeuten hatte, wollte sich mir nicht erschließen. Ich wusste nur, dass ich lange Zeit nicht mehr so aufgeregt gewesen war. Eine schöne Art der Aufregung. Sie war regelrecht beflügelnd.

Eigentlich war ich schon im Begriff mich wieder von ihm zu lösen, weil seine fehlende Mitmachbereitschaft mich verunsicherte, da schlang er seine Arme um meine Mitte.

Die Hitze, die meinen Körper plötzlich übergoss und nicht gänzlich mit seinen warmen Armen zutun hatte, ließen mich einen leichten Schwindel empfinden.

Als er dann auch noch damit begann, meine Lippen mit den seinen zu massieren, seufzte ich genüsslich auf.

Wenn sich küssen so anfühlte, hätte ich nichts dagegen es als mein neuestes Hobby anzuerkennen. Ich war eine Meisterin der Hyperfixation. Ich konnte mich mit einer neuen Sache so sehr befassen, dass ich alles andere um mich herum ausblendete.

Steve Harrington zu küssen könnte mit Leichtigkeit dazugehören.

Mein Seufzen rief eine weitere Reaktion seinerseits hervor, denn sein Griff um meinen Körper wurde fester.

Und auch seine Küsse wurden drängender.

Mit fehlte es längst an der nötigen Selbstbeherrschung und so seufzte ich ein weiteres Mal auf, während ich das Pulsieren in meinen unteren Regionen zu ignorieren versuchte.

Der Druck seiner Lippen war so antreibend, dass ich nicht anders konnte, als mich enger an seinen Körper zu drücken.

Jetzt verließ auch seine Lippen ein leises Seufzen, das so anziehend klang, dass mir noch schwindeliger wurde und auch ich die Dynamik meines Kusses änderte.

Er wurde immer heftiger.

Mir wurde so warm, dass ich hektisch an meinem Shirt zog und an seinem gleich mit.

Alles um mich herum hatte an Bedeutung verloren, wichtig war nur noch, dass dieser Kuss nicht enden durfte.

Ich sorgte dafür, in dem ich zögerlich meine Hand, die immer noch an seinem Kragen ruhte, unter sein Hemd schob.

Sein leichtes Zusammenzucken irritierte mich zunächst, doch seine Lippenbewegungen hörten nicht auf und so versuchte ich mir seine Reaktion mit der Kälte meiner Hände zu erklären.

Ich begann damit mit meinen Fingerspitzen über die zarte Haut an seiner Hüfte zu streicheln und als er es mir gleichtat, hielt ich den Atem an.

Seine Finger waren so vorsichtig und langsam, dass mich schlagartig eine massive Gänsehaut überkam, die kreisenden Bewegungen taten ihr Übriges.

Eigentlich war es physikalisch gar nicht möglich, aber der Wunsch ihm noch näher zu sein, brachte mich dazu, meine Sitzposition verändern zu wollen.

Meiner Ungeschicklichkeit geschuldet wurde daraus allerdings nichts, denn als ich hastig aufstand, kam ich versehentlich an den Druckknopf der Hupe und das ohrenbetäubende Geräusch ließ uns beide sofort zurückschrecken.

Ich strich mir die schweißnassen Haare aus der Stirn und setzte mich mit klopfenden Herzen auf den Beifahrersitz zurück.

Mir war meine Kurzschlussreaktion dermaßen unangenehm, dass ich am liebsten verschwunden wäre. Aber das konnte ich nicht machen.

Stattdessen faltete ich peinlich berührt meine Hände ineinander, die ich dann auf meinem Schoß ablegte und sah stur aus der Frontscheibe.

„Du wärst also glücklich, wenn Eddie tot wäre.", gab ich stumpf wieder.

Meine Worte machten überhaupt keinen Sinn und waren das fatale Ende eines schwachen Momentes, der mich überkommen hatte.

„Cool.", murmelte ich.

Obwohl ich nicht hinsah, konnte ich förmlich spüren, wie er verwirrt dreinsah und sich dabei wieder diese einsame kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildete.

Aus der Panik heraus vergrub ich mein Gesicht in den Händen und begann zu lachen. Hysterisch zu lachen.

So sehr, bis es in ein schluchzendes Weinen überging.

All das passierte in nicht einmal zwei Minuten und war für mich der eindeutige Beweis dafür, dass ich den Verstand verlor.

Ein dumpfes Klimpern ließ mich innehalten und den Blick langsam nach oben wandern. Als ich den Auslöser für das Geräusch erkannte, weiteten sich meine Augen erschrocken.

Robins massiver Silberring, den sie seit dem Tag unseren Kennenlernens trug, war gegen das Beifahrerfenster geknallt.

Sie stand dort immer noch.

Eine Hand zu einer Faust geballt, um klopfen zu können und sich so bemerkbar zu machen.

Im letzten Moment hatte sie sich wohl umentscheiden wollen, weil sie mit offenen Mund vor uns stand und ihr Körper schon eine halbe Drehung gemacht hatte. Sie hatte lautlos verschwinden wollen.

Ich konnte sehen, wie sie vereinzelte Worte mit den Lippen bildete, das Fensterglas ließ es aber nicht zu, dass ich auch nur eines davon verstand.

Aber dann dämmerte es mir.

Sie hatte Steve – oder uns beide – aufhalten wollen und war uns nachgelaufen.

Und hatte alles mit angesehen.

Oh Gott.

Von der Panik gelähmt überlegte ich, wie ich die Situation erklären konnte, aber mir wollte beim besten Willen nichts einfallen.

Währen ich weiterhin versuchte mich zu sammeln, kurbelte ich das Beifahrerfenster runter und strich mir eine verwahrloste Strähne hinter das Ohr.

„Wir...wir wollten Pizza holen. Was magst du denn so?", fragte ich heiser und setzte ein nervöses Lächeln auf.

(𝐈𝐜𝐡 𝐦𝐮𝐬𝐬 𝐣𝐚 𝐬𝐚𝐠𝐞𝐧, 𝐬𝐨 𝐞𝐢𝐧 𝐛𝐢𝐬𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐠𝐞𝐡𝐭 𝐦𝐢𝐫 𝐁𝐞𝐤𝐚𝐡 𝐚𝐮𝐟 𝐝𝐞𝐧 𝐒𝐞𝐧𝐤𝐞𝐥. 𝐃𝐢𝐞𝐬𝐞 𝐬𝐭ä𝐧𝐝𝐢𝐠𝐞 𝐇𝐞𝐮𝐥𝐞𝐫𝐞𝐢. 𝐀𝐛𝐞𝐫 𝐬𝐢𝐞 𝐢𝐬𝐭 𝐞𝐛𝐞𝐧 𝐚𝐮𝐜𝐡 𝐧𝐚𝐜𝐡𝐯𝐨𝐥𝐥𝐳𝐢𝐞𝐡𝐛𝐚𝐫. 𝐔𝐧𝐝 𝐂𝐡𝐚𝐫𝐚𝐤𝐭𝐞𝐫𝐞 𝐝ü𝐫𝐟𝐞𝐧 𝐣𝐚 𝐢𝐡𝐫𝐞 𝐒𝐜𝐡𝐚𝐭𝐭𝐞𝐧𝐬𝐞𝐢𝐭𝐞𝐧 𝐡𝐚𝐛𝐞𝐧.Ü𝐛𝐞𝐫 𝐝𝐞𝐧 𝐊𝐮𝐬𝐬 𝐳𝐮 𝐬𝐜𝐡𝐫𝐞𝐢𝐛𝐞𝐧, 𝐥𝐢𝐞ß 𝐦𝐢𝐜𝐡 𝐰𝐢𝐞𝐝𝐞𝐫 𝐟𝐫𝐢𝐬𝐜𝐡 𝐯𝐞𝐫𝐥𝐢𝐞𝐛𝐭 𝐟ü𝐡𝐥𝐞𝐧. 𝐃𝐚𝐬 𝐰𝐚𝐫 𝐞𝐜𝐡𝐭 𝐚𝐮𝐟𝐫𝐞𝐠𝐞𝐧 𝐮𝐧𝐝 𝐣𝐞𝐭𝐳𝐭 𝐛𝐢𝐧 𝐢𝐜𝐡 𝐞𝐢𝐧 𝐤𝐥𝐞𝐢𝐧𝐞𝐬 𝐛𝐢𝐬𝐬𝐜𝐡𝐞𝐧 𝐯𝐞𝐫𝐤𝐧𝐚𝐥𝐥𝐭 𝐢𝐧 𝐒𝐭𝐞𝐯𝐞. 𝐎𝐛𝐰𝐨𝐡𝐥 𝐝𝐚𝐬 𝐬𝐨 𝐧𝐢𝐞 𝐠𝐞𝐩𝐥𝐚𝐧𝐭 𝐰𝐚𝐫. 𝐀𝐛𝐞𝐫 𝐝𝐚 𝐬𝐢𝐞𝐡𝐭 𝐦𝐚𝐧 𝐦𝐚𝐥, 𝐰𝐨 𝐝𝐚𝐬 𝐡𝐢𝐧𝐟ü𝐡𝐫𝐞𝐧 𝐤𝐚𝐧𝐧, 𝐰𝐞𝐧𝐧 𝐦𝐚𝐧 𝐞𝐢𝐧𝐟𝐚𝐜𝐡 𝐦𝐚𝐥 𝐬𝐨 𝐥𝐨𝐬𝐬𝐜𝐡𝐫𝐞𝐢𝐛𝐭.)