
𝚘𝚑𝚗𝚖𝚊𝚌𝚑𝚝
Nicht hyperventilieren zu wollen, während man hyperventilierte, war ein Unterfangen dem kein Mensch der Welt gewachsen war.
Vor mir tat sich ein schwarzes Loch auf, das mit seiner innigen Umarmung lockte und mir ein wenig Erholung versprach.
Ich stimmte voll froher Erwartung zu und ließ mich in das Nichts der Ohnmacht fallen.
„Um Gottes Willen, Steve! Steve! Beweg deinen Arsch hierher, sofort!", kreischte eine weibliche Stimme, die starke Ähnlichkeit mit dem Brüllen eines verärgerten Waschbären hatte.
Ich glaubte zu wissen, dass sie zu Robin gehörte, aber die Bewusstlosigkeit griff jetzt immer beherzter nach mir und ich konnte sie nur noch halbherzig wahrnehmen.
Als ich wieder wach wurde, spürte ich meinen Körper unregelmäßig auf und ab wippen, der Ortswechsel und die Tatsache, dass ich liegend transportiert wurde, weckten eine unerträglich starke Übelkeit in mir.
„Elendige verfluchte Scheiße. Fahr doch, du Ochse!" – eine Stimme, männlich, voller Besorgnis und Ungeduld.
„Halt die Klappe, Harrington. Du weckst sie noch auf!" – weiblich, vielleicht wieder das Kreischen eines Waschbären.
„Ich will mich ja nicht einmischen, aber wäre das nicht besser? Kein Mensch sollte so lange ohnmächtig sein.", die Stimme, die jetzt sprach, lispelte und war im Mindesten genauso gehetzt wie die beiden anderen.
Vorsichtig öffnete ich mein schweres Augenpaar und blinzelte in die blendende Helligkeit.
Mein Kopf fühlte sich Zentnerschwer an und schmerze als hätte ich den schlimmsten Kater meines Lebens.
Ihre Stimmen drangen nur gedämpft an mich heran und jeder Sinn meines Körpers, dessen Ausführung eigentlich zur Perfektion trainiert war, funktionierte bloß bedingt.
„Bekah?", wieder das Lispeln. Dustin!
Ich ließ einen undefinierbaren Ton aus meinen spröden Lippen entweichen, um ihm zu signalisieren, dass ich verstanden hatte.
In der nächsten Sekunde wurde mein Kopf ruckartig angehoben, schmerzverzerrt japste ich nach Luft.
"Nicht so wild, du Hirni.", maulte Robin und schüttelte unzufrieden ihr rostbraunes Haar. Hatte es schon immer so viele helle Strähnen besessen?
„'tschuldigung.", murmelte Dustin und bettete meinen Kopf nun vorsichtig in seinem Schoß.
Er versuchte so behutsam wie möglich mir etwas Wasser zu geben, aber trotzdem lief eine Spur aus kühlem Mineralwasser meinen Hals entlang.
Obwohl mir unheimlich heiß war, war das rinnende Gefühl der Flüssigkeit in meiner Halsbeuge widerlich.
Sein zahnloses entschuldigendes Lächeln erwärmten mir das Herz, ich versuchte es aufmunternd n zu erwidern, aber so wie es sich anfühlte, musste ich eine groteske Grimasse aufgesetzt haben.
Ich fühlte mich taub, als hätte ich einen Schlaganfall erlitten.
War es möglich, dass ich mich aufgrund der erneuten Halluzination so fühlte? War es denn das gewesen? Eine Vorstellung meines verwirrten Geistes?
Oder hatte die Kreatur etwas mit mir angestellt? Mich gezeichnet?
Dann fiel es mir wieder ein und ich richtete mich etwas zu energetisch auf, denn mir wurde im gleichen Atemzug furchtbar übel.
„Morse. Die Morse.", hauchte ich benommen und sah in Dustins besorgtes Gesicht.
Dann nickte er und tippte an den Schirm seiner Cappy.
„Alles da oben abgespeichert. Wenn wir gleich da sind finden wir raus was dir mitgeteilt wurde..nur..wer hat dir das mitgeteilt?", fragte er neugierig.
Auch Robin hatte sich zu uns nach hinten gedreht und sah mich ebenso fragend an. Ich hatte ihnen ja nichts erzählen können, bevor mich die Bewusstlosigkeit in Beschlag genommen hatte.
„Ich-"
„Nun lasst sie jetzt erst einmal zu Atem kommen. Wir sind gleich da, Jane und Mike warten schon. Lucas ist auch da."
Bei der Aussprache des letztens Namens wurde Steve leiser, eine andächtige Stille legte für einige Augenblicke die Neugierde und Aufregung lahm.
Lucas. Das war der Junge, dessen Freundin im Koma lag. Oder?
Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, deshalb kam mir der Weg zur Waldhütte viel kürzer als die letzten Male vor.
Doch eines war gleichgeblieben. Das nagende unheilvolle Gefühl, dass sich im Innersten der Hütte die Wahrheit auftun und unser aller Leben verändern würde.
Schon wieder.
Wann immer wir uns in dieser gottverdammten Hütte einfanden, erfuhr ich etwas, das mir den Boden unter den Füßen wegzog.
Hätte ich es nicht besser gewusst hätte ich die Hütte als Heimat allen Übels auserkoren, aber ich wusste, dass es eigentlich das Labor war.
In den tiefen der Einrichtung hatte sich vor vielen Jahren die Hölle aufgetan und mit ihr das Ende unserer Welt. Zumindest so wie wir sie kannten.
Als der Wagen zum Stehen kam, sah ich in geringer Entfernung Jane und Mike an der Türschwelle.
Ihre Gesichter waren ernst und von großer Sorge gekennzeichnet.
Es rührte mich, dass sie mir ihr Mitgefühl zusprachen, hatten sie doch selbst viel Schlimmeres erlebt.
Die Autotür öffnete sich so lautlos, dass ich erschrocken zusammenzuckte, als mir Steve seine Hand hinhielt.
Sein Blick sprach von stiller Angst um mich, doch da war noch etwas anderes in dem Tiefbraun seiner Augen.
Erleichterung?
„Es ist schön, dass du bleibst. Auch, wenn die Umstände echt scheiße sind.", beantwortete er mein gedankliches Fragespiel.
Ich nickte zustimmend und schenkte ihm ein flüchtiges Lächeln, ehe ich seine Hand ergriff und mich zur Hütte begleiten ließ.
„Der böse Streich?", fragte Jane mich und die wenigen Worte, die sie für ihre Fragestellung nutzte, wogen schwerer als alles was zuvor gesagt worden war.
Ich nickte und sah dann gen Boden.
„Vecna.", schlussfolgerte Mike, woraufhin ich wieder verwundert aufblickte.
„Elfie..Jane..sie hat es mir erzählt.", erklärte er.
Natürlich. Sie waren ein eingeschweißtes Team, da war es nicht verwunderlich, dass sie ihn direkt in alles eingeweiht hatte.
„Wo ist Will?", nuschelte Dustin, nachdem er einen Fuß in die Hütte gesetzt hatte und abgesehen von Jane und Mike, nur noch einen Jungen mit dunklen Teint ausmachen konnte.
„Sollte er nicht hier sein? Er weiß mehr über das Upside Down als wir alle zusammen.", setzt er fort.
Ich sah mir das Schauspiel mit einem Sicherheitsabstand von wenigen Metern an, denn ich hatte vorerst nichts beizutragen.
In ihrem Geplänkel über Wills Vergangenheit war kein Platz für mich, weil ich damals einfach noch nicht anwesend war.
Ihr Gespräch ging noch eine kleine Ewigkeit weiter, allen voran eine Diskussion zwischen Mike und Dustin, darüber, wer dem Demogorgon seinen kennzeichnenden Namen gegeben hatte.
„...außerdem war D'Artagnan mein Haustier!", stellte Dustin klar.
Steve, der die ganze Zeit neben mir gesessen und mich sorgenvoll beobachtet hatte, stand in einer energischen Bewegung auf und warf fassungslos die Hände in die Luft.
„Du kannst das Vieh doch nicht Haustier nennen, Dustin! Es hat uns verdammt nochmal beinahe getötet!"
Ihr Szenenspiel war so weit von dem was wir als Normalität empfanden entfernt, dass ich nicht anders konnte als zu lachen.
So lange, bis mir der Bauch wehtat.
Vielleicht war das die erste Stufe zur Diagnose Geisteskrankheit. Wenn ich so darüber nachdachte, war das sogar sehr gut möglich. Aber wer konnte es mir schon verübeln, nach allem was ich in den letzten 48 Stunden erfahren hatte?
Irgendwann durchbrach Jane die Stille. Und als ihre tiefe Stimme erklang, verstummten wir alle sofort.
Sie sprach bedächtig und ruhig und sah mich dabei gebannt an.
„Vecna. Er ist dir erschienen?"
Ich nickte und erzähle von den zwei Begegnungen mit Eddie, von der Klauenhand und von dem geheimnisvollen arrhythmischen Zeigerschlagen der Uhr.
Als ich von der Erscheinung Eddies sprach, sah ich den Bruchteil einer Sekunde zu Steve. Aus einem mir unerklärlichen Grund war ich gespannt darauf, wie er reagieren würde.
Der allerdings hatte seinen Blick abgewandt und stolzierte in angespannten Schritten durch die kleine Hütte.
„Hier. Ich habe den Morsecode aufgeschrieben.", sagte Robin und deutete auf eine alte Zeitung, die sie mit dem Code aus Strichen und Punkten übermalt hatte.
„Dustin?", forderte sie ihn dann fragend auf und wartete. Wie wir alle.
Die kleine Gruppe, zu der ich allem Anschein nach jetzt gehörte, tanzte auf glühenden Kohlen und wartete darauf, dass Dustin das Rätsel entschlüsseln würde.
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