💎 𝒔 𝒊 𝒙
𝐒𝐞𝐮𝐧𝐠𝐦𝐢𝐧
Ich hatte wirklich alles erwartet, als ich die Umkleide betrat, in die Hyunjin verschwunden war. Ich hatte erwartet, dass er sich mit jemandem treffen würde, dass er Sex haben würde, dass er Drogen kaufen würde, dass er rauchen oder sich betrinken würde, dass er irgendjemanden für seine Hausaufgaben bezahlen würde, dass er mit jemandem telefonieren würde, von dem niemandem erzählen würde, ja, ich hatte sogar erwartet, dass er weinen würden, weil ihm alles zu viel war.
Doch dass er verrückt war, damit hatte ich nicht gerechnet.
Völlig verwirrt und irritiert war ich stehen geblieben, kaum war die Tür hinter mir zugefallen und schaute total planlos auf den beliebten Schüler, der dort zusammengekauert auf dem Boden saß, laut schluchzte und seine Hände fest auf seine Ohren presste. Ein paar Mal blinzelte ich perplex, verstand nicht, was hier vor sich ging. Noch nie hatte ich ihn in einem derartigen Zustand gesehen und mein Kopf malte bereits jetzt diverse Szenarien aus, wodurch diese vermeintliche Kurzschlussreaktion ausgelöst worden war. Doch nichts ergab wirklich Sinn, andererseits kannte ich ihn nicht wirklich und wusste dementsprechend wenig über ihn.
Als ich mich endlich wieder aus meiner Starre gelöst hatte, weil Hyunjin wieder laut geschrien hatte, dass es endlich aufhören sollte - was auch immer er damit meinte -, ging ich langsam einen Schritt zurück und haderte mit mir, einfach den Raum zu verlassen. Ich hatte hier nichts verloren, ich hatte kein Recht, in seine Privatsphäre einzudringen und auch wenn ich diesen Jungen dort verabscheute, war ich kein Unmensch, der ihn jetzt noch mehr quälen würde. Damit würde ich mich bloß auf das Niveau derer herablassen, vor denen ich Jeongin und Felix stets beschützt hatte.
Mir kam die Idee, einen seiner Freunde aufzusuchen und hierzubringen. Vielleicht würde ich auch einen Lehrer finden können, der ihm helfen würde. Doch dann fiel mir ein, wieso Hyunjin hierher geflüchtet war: Was auch immer los war, würden die anderen davon erfahren, wäre sein Ruf ruiniert. Ein teuflisches Grinsen bildete sich auf meinen Lippen und ich öffnete wieder die Tür, um loszulaufen.
"Nein!"
Direkt zuckte ich zusammen, als ich Hyunjin wieder rufen hörte und im nächsten Moment sein herzzerreißendes Schluchzen vernahm. Es ließ mich innehalten und leicht biss ich mir auf die Lippe. Ich wollte wirklich losgehen und jemanden suchen, doch gleichzeitig spürte ich tief in mir, dass ich das bereuen würde. Ich würde es bereuen und mich schlecht fühlen, denn so sehr ich ihn auch hasste, würde ich ihm das antun... nein, das konnte ich nicht. Das ging einfach nicht. Es wäre einfach nur scheiße von mir.
Schwer seufzend drehte ich mich wieder um, kehrte damit in den Raum zurück und schloss die Tür. Mein Blick fiel wieder auf den weinenden, zerbrochenen Jungen, der offensichtlich mit seinen Kräften am Ende war. Immer wieder schüttelte er fest seinen Kopf und schrie das Nichts an, verlangte, dass alles endlich aufhörte und ich konnte die Angst aus seiner Stimme heraushören. Eigentlich war ich nicht wirklich ein empathischer Mensch, allerdings war mir bewusst, dass ich ihn so wirklich nicht zurücklassen konnte.
Aus diesem Grund seufzte ich noch einmal leise und ging dann langsam auf ihn zu. Ich konnte nicht glauben, dass ich das gerade wirklich tat. Ich konnte nicht glauben, dass ich wirklich auf meinen Erzfeind zuging und ihm meine Hilfe anbieten würde. Gott, wie tief war ich denn gesunken? Das hier wäre meine Chance, mich und meine Freunde endlich zu rächen.
Aber es wäre falsch.
"Hey... Hyunjin...", sagte ich deswegen leise und legte meine Hand auf seine Schulter. Direkt schoss sein Kopf in die Höhe und aus panischen Augen sah er mich an, bevor er meine Hand wegschlug und sich fester an die Wand presste. Dabei krallte er sich auch in den Boden, als würde er versuchen, festen Halt zu bekommen, was ich verwirrt beobachtete. Was zur Hölle war nur los mit ihm?
"Verschwinde! Lass mich in Ruhe! Ich will nicht noch mehr Schmerzen!", schrie er mich lautstark an, obgleich seine Stimme vor Angst zitterte, und schubste mich nun einfach, sodass ich zurück stolperte und mein Gleichgewicht verlor. Schmerzhaft zischte ich auf, als ich auf dem Boden landete und schnalzte genervt. Gut, wenn er keine Hilfe wollte, dann sollte es mir auch egal sein.
"Dann geh ich eben wieder", knurrte ich nur leise und stand auf, um doch zu gehen, jedoch schienen meine Füße mit dem Boden festgewachsen zu sein, da ich mich keinen Zentimeter bewegen konnte. Hyunjins Schluchzen erklang wieder und ich rang mit mir. Wahrscheinlich war ich noch nie in meinem Leben so im Zwiespalt gewesen, ich fühlte mich so, als würden mich meine Gedanken zerreißen. Aber dann schüttelte ich einfach meinen Kopf und beschloss, nicht länger nachzudenken und setzte mich einfach vor ihn, ehe ich Hyunjin fest in meine Arme schloss. Zum Teufel mit meinen Vorsätzen. Er brauchte gerade jemanden.
"Hyunjin, beruhig dich... ich bin es, Seungmin. Ich werde dir nichts tun. Versprochen."
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