
𝗞𝗔𝗣𝗜𝗧𝗘𝗟 𝟱𝟱 - 𝗗𝗜𝗘 𝗥𝗘𝗔𝗟𝗜𝗧Ä𝗧
Ein lautes Geräusch weckte mich. Zuerst dachte ich, es wäre mein Wecker, also schaute ich auf mein Handy, doch es zeigte halb eins in der Nacht an. Dann hörte ich das Geräusch wieder und drehte mich um. Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete ich mein Fenster. Wahrscheinlich war es nur der Wind, versuchte ich mir einzureden, während ich aufstand und mir das Mathebuch schnappte, das auf meinem Schreibtisch lag. Es war dick genug, sodass ich einen eventuellen Einbrecher damit erstmal k.o. schlagen könnte. Zu irgendwas musste es schließlich nützlich sein.
Mit langsamen Schritten schlich ich also auf mein Fenster zu, während ich das Buch fest in meinen Händen umklammert hielt, jederzeit bereit zum Schlag. Im Dunkeln sah ich eine Gestalt und wollte bereits ausholen, als ich ihn erkannte.
„Auden?", fragte ich mit zittriger Stimme und ließ das Buch sinken. Ich öffnete das Fenster und betrachtete meinen Freund, der auf dem Dach unseres Hauses saß und mich anstarrte. Mit war nicht bewusst, dass man unsere Garage so einfach hochklettern und dann somit leicht zu meinem Zimmer kommen konnte.
„Sorry. Es ist nur schon so spät und ich wollte nicht klingeln", murmelte er mit gesenktem Blick.
„Was machst du hier?" Irgendwas stimmte nicht, das konnte ich an der Art, wie mein Magen sich plötzlich verkrampfte, spüren.
„Ich... ich wollte nur..."
Anstatt ihn weitersprechen zu lassen, streckte ich meinen Arm aus und zog ihn vorsichtig in mein Zimmer. Erst hier lag sein Gesicht nicht mehr im Schatten und ich konnte die dunklen Augenringe unter seinen Augen sehen. Erschrocken schnappte ich nach Luft. Noch nie hatte ich ihn so verloren gesehen. Ohne weiter nachzudenken, umarmte ich ihn. Wie erstarrt stand Auden da, als ich mich wieder von ihm löste und ihn ansah. „Was ist passiert?", fragte ich leise.
Audens Blick schien durch mich hindurchzusehen. Ich hob meine Hand und legte sie an seine Wange. Auf diese Berührung reagierte er. „Cassie... kann ich hier bleiben?", fragte er mit brüchiger Stimme, die mir fast das Herz zerriss.
„Natürlich. Brauchst du irgendwas? Ich kann..."
„Ich brauche nur dich", unterbrach mein Freund mich und versuchte mich anzulächeln. Selbst diese kleine Geste schien ihn ganze Kraft zu kosten.
„Okay." Ich griff nach seiner Hand und zog ihn zu mir aufs Bett. Ich wollte ihn küssen, doch er drehte sich weg, was mir einen Stich verpasste, aber ich wusste, dass er es nicht mit Absicht tat.
„Tut mir Leid. Es ist nur so, dass... Kann ich dich vielleicht einfach nur halten?"
Selbst in dieser Halbdunkelheit konnte ich ein verräterisches Glitzern in seinen Augen erkennen. „Was immer du brauchst, Auden."
Er schlang die Arme um mich und vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Auden klammerte sich an mich, als wäre er in einem Sturm gefangen und nur ich konnte ihn davor beschützen. Vielleicht war es ja wirklich so. Plötzlich hörte ich ein ersticktes Schluchzen und ich musste schlucken. Ich wusste ja, dass es Auden in letzter Zeit nicht gut ging, aber ich hätte niemals erwartet, dass er jemals mitten in der Nacht vor meinem Fenster stehen und weinen würde.
Ich erwiderte seine Umarmung und ließ ihn weinen, ohne etwas zu sagen. Während Auden in meinen Armen zusammenbrach, brach mein Herz ebenfalls und weinte mit ihm. „Ich liebe dich, Auden", flüsterte ich gegen sein Schluchzen und hoffte, meine Worte bewirkten etwas.
„Ich verdiene das nicht."
„Was meinst du?" Ich zwang mich, ruhig zu atmen und ihn nicht voller Entsetzen wegzustoßen. Bitte nicht wieder dieses Thema. „Natürlich verdienst du Liebe. Du weißt doch, wie schwer es ist, meine Liebe überhaupt für sich zu gewinnen", versuchte ich es mit einem Spaß, doch er reagierte nicht darauf. „Ich liebe dich und das wird sich nicht ändern, verstehst du?" Er antwortete nicht. „Auden?"
„Ja."
„Gut." Langsam ließ ich ihn los und bedeutete ihm, dass er sich setzten sollte. Doch das tat er nicht. Er legte sich auf mein Bett und zog die Beine an. Gott, wann war das nur passiert? Wann wurde aus dem starken und sarkastischen Auden dieses Häufchen Elend, das in meinem Bett lag? Ich schluckte meine aufkommenden Tränen runter und legte mich zu ihm. Die Bettdecke schlug ich über uns, während ich meine Arme um ihn legte und ihm einen sanften Kuss in die Halsbeuge gab. „Ich liebe dich, Auden", wiederholte ich. „Bitte bleib stark", flüsterte ich und spürte, wie stumme Tränen über meine Wange rannten. Ich schloss die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. Wenn er nicht stark war, musste ich es sein.
Plötzlich veränderte Auden seine Lage und drehte sich zu mir um. Ich öffnete meine Augen wieder und sah in seine. Er war mir so nah, dass ich nur noch das Blau seiner Augen sehen konnte. Auch, wenn es in meinem Zimmer recht dunkel war, war die Traurigkeit darin nicht zu übersehen. Mein Freund hob seine Hand und strich mir damit die Tränen von den Wangen. „Ich versuche es, Cass. Ich versuche stark zu sein, weil du es bist." Danach küsste er mich und ich hatte wieder das Gefühl, als würde er mich trösten und nicht anders herum. „Ich liebe dich auch, Cassie", flüsterte er mir zu, bevor ich meine Augen schloss und mich auf seine immer ruhiger werdende Atmung konzentrierte.
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