
𝗞𝗔𝗣𝗜𝗧𝗘𝗟 𝟰𝟲 - 𝗞𝗨𝗥𝗭𝗘 𝗛𝗢𝗙𝗙𝗡𝗨𝗡𝗚 𝗜𝗠 𝗙𝗔𝗟𝗟 𝗢𝗟𝗜𝗩𝗜𝗔
Die Fahrt zurück verlief etwas besser. Auden redete wieder wie ein Wasserfall über Dinge, die er in seiner Middleschoolzeit mit JJ erlebt hatte. Zum Teil war das ziemlich verrücktes Zeug, sodass ich mich kaum noch halten konnte vor Lachen. Doch dann gab es zwischen drin auch wieder Momente, in denen er abdriftete und mit ausdrucksloser Miene still auf die Straße starrte. In diesen Momenten zog sich mein Magen zusammen und ich hätte ihn am liebsten wieder zum Lachen gebracht, aber mittlerweile hatte ich verstanden, dass solche Momente auch wieder vergingen und Auden Zeit brauchte.
Als wir wieder vor meinem Haus standen, war es Nachmittag und dieses Mal durfte Auden direkt davor halten. „Und wenn deine Eltern sehen, dass nur ich hier bin?", fragte er, kurz bevor er in meine Straße bog.
„Dann sag ich ihnen, dass wir Jessica schon nach Hause gebracht haben." Auden warf mir einen kurzen Blick zu, der mich die Augen verdrehen ließ. „Eigentlich ist es doch sowieso egal. Es ist passiert und wenn sie mir nicht glauben, ist das halt so."
Auden hielt an und wir stiegen aus. Er hievte meine Tasche aus dem Auto und wollte zur Haustür gehen, doch ich hielt ihn zurück. „Meine Tasche kann ich noch alleine tragen, danke", sagte ich lachend.
Mit einem Grinsen sah mein Freund mich an. „Ich weiß. Aber du warst die letzten Tage für mich da und da ist es doch das Mindeste, das ich tun kann, deine Tasche zu tragen."
Kopfschüttelnd nahm ich ihm die Tasche vom Arm und gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. „Danke." Bevor ich gehen konnte, stellte er sich mir in den Weg. „Danke, dass du bei mir warst, Cassie." Seine Stimme klang ernst. „Ehrlich, du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet."
Nein, das wusste ich anscheinend nicht, aber das war nicht schlimm. „Immer gerne, Auden. Das weißt du doch."
„Ja, ich weiß. Deswegen liebe ich dich so sehr." Er beugte sich zu mir runter und küsste mich. Und wie er mich küsste. Mir fiel die Tasche vom Arm, als ich mich an ihm festhielt, weil meine Beine plötzlich aus Wackelpudding bestanden.
Das Starten eines Motors riss uns aus unserer Blase. Peinlich berührt hob ich meine Tasche vom Boden und sah, dass auch Auden eine gewisse Röte ins Gesicht stieg. „Also, ähm... wir sehen uns dann morgen?"
Er nickte. „Ja. Ich hole dich morgen ab, okay?"
„Okay."
Einen Moment sahen wir einander nur an, unfähig, den Blick voneinander zu nehmen, bis ich mich schließlich losriss. „Bis morgen."
Auden wartete, bis ich die Haustür hinter mir schloss und fuhr dann erst los. Die Tatsache, dass er wartete, ließ mich in mich hinein grinsen.
„Ich bin wieder da", rief ich, doch niemand antwortete mir. Ich spinkste in die Küche und ins Wohnzimmer, doch niemand war da. Komisch. Ich ging nach oben und stellte zuerst meine Tasche in mein Zimmer, bevor ich an Olivias Zimmertür klopfte. „Hey. Wo sind Mom und Dad?", fragte ich und schob mich in ihr Zimmer.
Meine Schwester saß an ihrem Schreibtisch und hatte ihren Kopf in die Hände gelegt. Erschrocken drehte sie sich zu mir, als sie meine Stimme hörte. „Was?"
Ich ging einen Schritt näher zu ihr. „Mom und Dad. Wo sind sie?"
Olivia sah mich an, als hätte ich plötzlich angefangen, eine fremde Sprache zu sprechen. „Ach so, ja. Die sind bei den Matthews."
Irgendwas stimmte nicht. Mom und Dad waren bei Xanders Eltern, während meine Schwester, die mit ihrem Sohn zusammen war, Zuhause saß. „Warum bist du nicht mit ihnen gefahren?"
„Ich habe noch wichtige Sachen zu erledigen."
„Was denn? Löcher in die Wand starren?" Es sollte ein Witz sein, aber Olivia lachte nicht.
„Lass mich einfach allein", erwiderte sie und drehte sich von mir weg. Ihre Stimme klang ausgelaugt.
„Was ist passiert?" Ich stellte mich neben sie. „Olivia, was ist los?"
Es dauerte einen Moment, ehe sie ihren Kopf hob und mich mit verheulten Augen ansah. Erschrocken riss ich die Augen auf. „Was hat er gemacht?" Meine Stimme klang erstaunlich ruhig, obwohl in meinen Gedanken Chaos herrschte. „Olivia!"
„Nichts, okay?", antwortete sie energisch. Ich erschrak mich so sehr über ihren Ton, dass ich einen Schritt zurückwisch. „Wir sind nicht mehr zusammen." Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern.
„Oh." Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Einerseits war ich natürlich froh darüber, Xander endlich los zu sein, aber andererseits saß meine Schwester wie ein Häufchen Elend auf dem Stuhl. Oh Mann. Ich entschied mich dazu, meine Freude nicht zu zeigen, und einfühlsam zu reagieren. Obwohl es mir mehr als schwer fiel. „Wieso das?"
„Ich will nicht darüber reden."
„Hat er denn..."
„Ich. Will. Nicht. Darüber. Reden."
Na ja, wenigstens hatte ich es versucht. Bevor sie noch platzte, wollte ich mich lieber zurückziehen. „Okay. Ich bin in meinem Zimmer." Ich drehte mich um, als Olivia mich zurückrief. „Ich fahre uns morgen zur Schule." Einen kurzen Moment blieb ich stehen und betrachtete sie. „Gut." Dann verließ ich ihr Zimmer.
Während ich auf meinem Bett lag, spielte ich ungewollt immer wieder Szenarien durch, was zwischen Xander und Olivia passiert sein könnte. Für ihn hoffte ich nur, dass er ihr nichts angetan hatte. Aber ich würde das schon herausfinden. Und wenn ich ihre Freundinnen fragen musste, die davon bestimmt wissen mussten.
*
Wie angekündigt, fuhr Olivia uns am nächsten Morgen zur Schule. Sie sprach kein einziges Wort mit mir, also drängte ich sie auch nicht dazu. Obwohl die Ungewissheit förmlich in mir brannte.
Den Schultag über sah ich weder meine Schwester, noch sah ich Xander. Sonst war es mir egal, dass ich sie den ganzen Tag über nicht sah, aber heute hatte ich ein komisches Gefühl und machte mich auf die Suche nach ihr. Ich fand sie schließlich mit ihren Freundinnen in einer Ecke sitzen. Erleichtert atmete ich auf, doch als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass sie nichts aß und ihr Essen einfach nur anstarrte. Kurz überlegte ich zu ihr rüberzugehen, doch die Tatsache, dass sie gestern und heute Morgen schon nicht mit mir reden wollte, hielt mich davon ab. Also nahm ich mir vor, sie nach der Schule noch einmal zu fragen. Ich musste wissen, ob er bei ihr genauso ein Arschloch war wie bei mir.
Wir wollten uns wie immer, nach dem Unterricht vor dem Schulgebäude treffen, also wartete ich auf sie. Ich drehte mich um und hatte den Ein- und Ausgang im Blick, als sich plötzlich zwei Arme um mich legten. Überrascht keuchte ich auf und trat nach hinten. Die Person ließ mich mit einem Stöhnen los. „Verdammt!"
Mit roten Wangen drehte ich mich zu Auden um. „Warum schleichst du dich denn auch an?"
„Ich dachte, das wäre eine süße Geste. Vermutlich sollte ich nicht mehr auf JJ hören", erwiderte er und rieb sich das Schienbein.
„Allerdings. Tut mir wirklich leid." Ich meinte es ernst. Ich dachte, es wäre vielleicht Xander oder irgendein anderer Idiot.
„Schon gut. Jetzt weiß ich wenigstens, was ich nicht mehr machen sollte und dass du dich super selbst verteidigen kannst." Mit einem kleinen Lächeln sah mein Freund zu mir hoch.
„Was ist denn hier los?" Meine Schwester stand plötzlich neben uns und blickte mit weit geöffneten Augen zwischen Auden und mir hin und her.
Ich sah zu meinem Freund runter und mir wurde bewusst, dass es fast so aussah, als würd er vor mir auf die Knie gehen. „Nichts. Es ist nicht so, wie es aussieht."
„Also ich hätte nichts dagegen", grinste Auden, der unsere Situation anscheinend auch verstanden hatte. Augenverdrehend griff ich nach seinem Arm und zog ihn hoch. „Komm wieder hoch, bevor die anderen uns noch Glückwünsche zurufen."
„Also, bist du bereit?", fragte er, als er wieder auf den Beinen stand. Verwirrt sah ich ihn an.
„Unser Date? Wir haben gestern noch darüber geredet."
Mist. Er hatte recht. Ich war so mit der Trennung von Olivia und Xander beschäftigt, dass ich unsere Verabredung vergessen hatte.
Audens Lächeln verschwand, als ihm das ebenfalls klar wurde. Ich griff nach seiner Hand. „Ja, natürlich. Wir..." Doch weiter kam ich nicht, denn eine bekannte Stimme unterbrach mich. „Olivia, können wir bitte miteinander sprechen."
Wir drei drehten uns zu Xander um und starrten ihn an, als er immer näher kam. Meine Schwester erstarrte förmlich, während Auden seine Hände zu Fäusten ballte.
„Olivia will nicht mit dir reden", übernahm ich das antworten.
Verdutzt blieb Xander stehen und sah von mir zu Olivia und wieder zurück. „Ich habe nicht mit dir geredet, Cassie. Livvie..."
„Nein, Xander! Du lässt sie gefälligst in Ruhe." Keine Ahnung, woher ich plötzlich diese Kraft in meiner Stimme hatte, aber es gefiel mir.
„Ist schon gut, Cassie", flüsterte Olivia in meine Richtung. Ungläubig sah ich zu ihr. „Wir bitte?"
„Es ist doch nur kurz."
„Nein", erwiderte ich entschieden. Ich würde bestimmt nicht zulassen, dass sie sich ein weiteres Mal von ihm um den Finger wickeln ließ.
Meine Schwester sah wieder zu Xander und ich konnte ihr die Sehnsucht förmlich ansehen. Am liebsten hätte ich laut geseufzt und sie zu ihrem Auto geschliffen, doch ehe ich meine Gedanken in die Tat umsetzten konnte, war sie schon zu Xander gegangen, der bereits anfing, auf sie einzureden, während er ihre Hand nahm. Würg. Am liebsten hätte ich ihm vor die teuren Schuhe gekotzt.
Ich hörte, dass Auden sich mir näherte und spürte seinen Arm an meinem. „Was ist passiert?"
Endlich ließ ich meinen tiefen Seufzer raus und schloss die Augen. „Es gab Streit, doch jetzt ist anscheinend alles wieder gut." Mittlerweile hatten sich die beiden umarmt und ich wandte mich ab. „Warum ist sie nur so dumm?"
„Sie ist verliebt", antwortete Auden und erntete von mir dafür nur ein Schnauben. „Komm schon, Cassie. Du weißt, dass es schwer ist, rational zu denken, wenn man verliebt ist." Mit skeptischem Blick sah ich zu ihm. „Ist das jetzt dein Ernst?"
Hilflos zuckte mein Freund nur mit den Schultern. „Ich weiß, was du von ihrer Beziehung hältst. Ich denke genauso darüber. Xander ist ein Arschloch, und Gott, ich hasse dieses Kerl wirklich sehr, aber du kannst Olivia leider nicht davon überzeugen, egal, wie oft du es versuchst."
Er hatte ja recht. Und genau da lag das Problem.
„Aber du hast sie gestern nicht gesehen. Ich hab sie noch nie so verheult gesehen. Irgendwas ist passiert und ich weiß einfach, dass er irgendwas gemacht hat." Ich drehte mich wieder zu den beiden um und sah, dass sie an uns vorbeigingen. Fassungslos starrte ich ihnen hinterher. „Das glaube ich jetzt nicht."
„Versuch doch heute Abend nochmal mit ihr zu reden, wenn der Arsch nicht dabei ist", schlug Auden vor, während er ihnen mit dunklem Blick hinterher sah.
Ich schloss die Augen und seufzte. „Ja, okay. Auch, wenn es nichts bringen wird."
Mit einer schnellen Bewegung hakte mein Freund einen Arm und meinen und zog mich weg. „Dann ist es wohl jetzt meine Aufgabe, dich abzulenken." Wir liefen einige Meter, bis wir zu seinem Camaro kamen. Dort ließ Auden von meinen Arm ab, öffnete mir die Autotür. Mit einem kleinen Lächeln musterte ich ihn.
„Was denn? Ich weiß doch, dass du es magst, wenn ich den Gentleman spiele."
Ich lachte und setzte mich hinein. Hinter mir schlug er die Tür zu und setzte sich auf den Fahrersitz. Ich glaube, er wusste nicht, dass er sich mir gegenüber immer wie ein Gentleman verhielt.
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