
𝗞𝗔𝗣𝗜𝗧𝗘𝗟 𝟯𝟵 - 𝗦𝗧𝗜𝗠𝗠𝗨𝗡𝗚𝗦𝗞𝗜𝗟𝗟𝗘𝗥
Am nächsten Tag bemerkte ich sofort, wie die Stimmung sich bei mir Zuhause komplett zu der in Audens Zuhause unterschied. Hier lag nichts Sorgenloses in der Luft. Eher im Gegenteil. Die Stimmung war mal wieder so angespannt, dass ich fast schon befürchtete, jeden Moment würde etwas explodieren.
Ich war froh, als es endlich vorbei war und ich mich in mein Zimmer zurückziehen konnte, doch Mom hielt mich zurück. „Hast du kurz eine Minute?"
Überrascht sah ich zu ihr. Wie üblich war ihrer Miene nichts zu entnehmen. Ich nickte und ging mit ihr ins Wohnzimmer. Als wir so dasaßen, bekam ich plötzlich ein ungutes Gefühl. „Ich habe mitbekommen, dass Xander gestern gar nicht hier war." Oh nein. „Hattet ihr die Nachhilfe verschoben?" In Moms Stimme schwang weder Vorwurf noch Verachtung mit, so wie es bei Dad der Fall gewesen wäre, sondern einfach nur reine Neugierde.
In meinem Schoß knetete ich meine Hände. Ich hatte kein Problem ihr zu sagen, dass er mir gar keine Nachhilfe mehr gab. Aber ich würde ihr niemals den Grund dafür erklären können. Ich sah aus dem Fenster und betrachtete die Straße.
„Ist etwas vorgefallen?"
Ertappt blickte ich meine Mutter wieder an. Mein erschrockener Blick schien ihr Beweis genug zu sein. Auf ihrer Stirn zeichnete sich eine Falte ab und mein Herzschlag beschleunigte sich. „Was ist passiert, Cassandra?", fragte sie ernst und musterte mich eindringlich. Ich war noch nie so froh darüber, dass wir nicht in der Lage waren, die Gedanken der anderen Menschen zu lesen, sonst hätte Mom den letzten Samstag im Schnelldurchlauf gesehen, wie er sich gerade in meinen Gedanken abspielte.
„Was hat Olivia dir erzählt?" Ich bemühte mich um einen ruhigen Ton, was mir auch recht gut gelang. Wahrscheinlich hatte ich mittlerweile schon genug Übung darin.
„Nichts", antwortete Mom argwöhnisch. „Was sollte sie mir denn erzählt haben?"
„Nichts." Ich schluckte. „Ich... ähm, also ich habe da jemanden, der mir besser helfen kann."
Fragend hob Mom eine Augenbraue. „Ach wirklich?"
„Ja. Du weißt doch, dass Xander nächstes Jahr aufs College geht und mir somit nicht mehr helfen kann. Da brauche ich doch jemand anderes." Gott sei Dank, dass er die Zusage irgendeiner Elite-Uni bekommen hatte und somit in einem ganz anderen Staat leben würde. Der Gedanke daran ließ mich sofort erleichtert aufatmen. Außerdem lieferte mir diese Info auch noch die beste Ausrede, die sogar nicht einmal ganz gelogen war. Es stimmte, dass ich für nächstes Jahr jemanden suchte, der mir noch helfen konnte.
„Hm. Ich verstehe. Das ergibt Sinn. Und wer ist es?" Ganz begeistert klang sie nicht, aber egal.
„Audens Onkel. Er ist Matheprofessor am College." Meine Aussage unterstrich ich noch mit einem kleinen Lächeln.
Bevor Mom etwas antworten konnte, kam Dad um die Ecke und stellte sich neben sie. „Wer ist Matheprofessor am College?"
„Audens Onkel", beantwortete ich seine Frage und konnte den selbstgefälligen Ton in meiner Stimme nicht unterdrücken.
Dad versuchte sich zwar unbeeindruckt zu zeigen, doch ich konnte es in seinem Gesicht klar ablesen, dass er damit nicht gerechnet hatte. Wen wunderte das schon. Schließlich hatte er sich noch nie richtig mit ihm unterhalten. „Ach so."
„Er ist so nett und gibt Cassandra Nachhilfe in Mathe", sagte Mom und schaute zu Dad. Als Außenstehender hätte man ihm nicht angemerkt, dass ihm diese Tatsache nicht gefiel, doch da ich ihn mittlerweile seit 17 Jahren kannte, wusste ich, dass er alles andere als glücklich über diese Tatsache war. „Was ist denn mit Xander?", fragte er und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Sollte ich wirklich das Angebot eines Matheprofessors ausschlagen, nur weil der Sohn deines Freundes mir schon Nachhilfe gibt?" Ich musterte ihn angriffslustig.
„Das habe ich nicht gesagt, Cassandra." Der Muskel an seinem Kiefer spannte sich an.
„Xander ist nächstes Jahr nicht mehr hier." Zum Glück. „Aber Audens Onkel schon."
Er sah mich einen Moment an, bis er laut seufzte und das Zimmer verließ. Ich bemerkte bereits, wie sich Wut in mir aufstaute.
„Cassandra." Ich drehte mich zu Mom. Sie sah mich mit diesem typischen Mutter-Blick an. Es fehlte nur noch, dass sie über meine Hand streichelte. „Du weißt doch, wie dein Vater ist."
„Ja, das weiß ich allerdings", erwiderte ich kühl und stand auf. Bevor ich mich jedoch abwandte, fragte Mom mich noch, ob alles okay sei. „Ja. Alles ist gut", antwortete ich und lief nach oben in mein Zimmer.
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