
𝗞𝗔𝗣𝗜𝗧𝗘𝗟 𝟯𝟰 - 𝗩𝗘𝗥𝗧𝗔𝗡𝗘 𝗖𝗛𝗔𝗡𝗖𝗘
Nachdem Auden sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, erzählte ich ihm alles. Wie das mit Xander vor wenigen Monaten anfing, wie seine und meine Familie sich nahestanden und wie ich mich ihm gegenüber fühlte. Aufmerksam hörte er mir zu und hielt hin und wieder meine Hand, wenn mich der Mut verließ, weiterzureden. Nachdem ich fertig war, nahm er mich in den Arm und sagte immer wieder, dass wir das hinkriegen würden und alles wieder gut werden würde. Irgendwann begann ich das ebenfalls zu glauben.
„Dir ist ja hoffentlich bewusst, dass du es jemandem erzählen musst, oder? Und damit meine ich nicht nur mich."
Ich seufzte. „Ja, ich weiß." Bei dem Gedanken, das alles nochmal erzählen zu müssen, drehte sich mir der Magen um.
„Ich kann aber dabei sein, wenn du es deiner Mom erzählst", bat er an, doch ich schüttelte den Kopf. „Danke, aber ich glaube, da muss ich alleine durch." Ich hatte mich vorhin entschieden, es erst einmal nur meiner Mom zu sagen. Sie würde mir zuhören, ohne zu kommentieren, dass es Schwachsinn sei. Denn ich war mir sicher, dass Dad mich komisch anschauen würde, da er Xander ja wie einen Heiligen sah. Aber ich glaubte sowieso, dass es leichter war, von Frau zu Frau über so etwas zu reden, als von Frau zu Mann. Abgesehen von Auden, dem ich zu hundert Prozent vertraute und von dem ich wusste, dass er mir ohne zu zögern glaubte.
„Okay", sagte er leicht missmutig.
Ich gab ihm einen kurzen Kuss und sofort erhellte sich seine Miene wieder. „Danke, Auden. Ehrlich, du weißt nicht, wie viel mir das bedeutet." Ich sagte ihm zwar nicht, was genau ich meinte, aber er verstand es.
„Wenn es dir auch nur halb so viel bedeutet wie mir, dann verstehe ich es", sagte er leise und legte dann sanft seine Lippen auf meine.
Als er sich wieder zurückzog, sah er mir durchdringend in die Augen. „Cassie, ich..."
Doch weiter kam er nicht, denn plötzlich fiel die Haustür lautstark zu. „Scheiße." Meine Eltern waren nach Hause gekommen. Ich hatte die Uhrzeit komplett aus den Augen verloren, denn mittlerweile war es bereits später Nachmittag. „Du musst sofort gehen", sagte ich zu Auden.
„Wie nett."
„Tut mir leid, aber du weißt ja, wie meine Eltern sind." Das Letzte, was ich jetzt noch wollte war, dass meine Eltern mich nochmal mit ihm erwischten und das auch noch in meinem Zimmer. Wenn Olivia dann noch ihren Senf dazu gab, würde es zur kompletten Katastrophe mutieren.
„Ja, natürlich. Ihr habt noch einiges zu besprechen." Ich hatte unfassbares Glück, dass ich jemand so verständnisvolles und liebevolles wie Auden als meinen Freund bezeichnen konnte. Bevor wir aufstanden, drückte ich ihm einen Kuss auf den Mund und versuchte ihn, so leise es ging, nach unten zu befördern. Zum Glück hatte unser Haus keine alten Holztreppen, auf denen man jeden noch so kleinen Tritt hörte, sondern welche aus grauem Stein. So konnten wir uns leise nach unten und zur Tür schleichen.
„Bis dann", sagte ich schnell und schupste ihn mit einem entschuldigendem Lächeln nach draußen.
„Sag mir dann, wie es lief", erwiderte Auden noch, bevor ich die Tür zufallen ließ.
Erleichtert, dass Mom und Dad nichts mitbekommen hatten, atmete ich tief durch und schloss kurz die Augen. Als ich sie wieder öffnete, zuckte ich erschrocken zusammen, denn meine Eltern standen mit verschränkten Armen vor mir. Scheiße. „Wem gehörte denn das Auto, das in der Einfahrt stand?", fragte Dad. Am liebsten hätte ich meinen Kopf gegen die Wand geschlagen. Wie konnte ich das nur vergessen? Da hätten wir uns die Rausschleich-Aktion auch gleich sparen können. „War es wieder dieser Junge?" Dads Tonfall war zum Zerreißen angespannt. Sein Gesichtsausdruck konnte nicht noch deutlicher zeigen, wie angewidert er war.
„James", sagte Mom und legte ihm eine Hand auf den Arm. Er sah zu ihr und die beiden verständigten sich durch ihre Blicke.
Dad sah wieder zu mir und wandte sich dann wortlos ab. Verwirrt blieb ich stehen und schaute zu Mom, die sich in diesem Moment ebenfalls zu mir drehte. „Wie wäre es, wenn wir uns mal unterhalten", sagte sie in einem freundlichen Ton. Plötzlich wurde ich nervös. Ich hatte gehofft, das Gespräch noch ein wenig vor mich herschieben zu können, doch das sollte wohl nicht sein. Also nickte ich und folgte ihr ins Wohnzimmer.
Mom setzte sich auf einen Sessel und ich mich ihr gegenüber auf das Sofa. Genau so wie vor wenigen Wochen, als ich sie um Erlaubnis fragte, nach Portland zu fahren.
„Also", setzte sie an, verschränkte ihre Hände miteinander und sah mich erwartungsvoll an. Oh Gott. Wusste sie etwas?
„Also", wiederholte ich und versuchte, meine schweißnassen Hände unauffällig an meiner Hose abzuwischen.
„Dann erzähl mal."
Ich schluckte und fuhr mit meiner Zunge über meine trockenen Lippen. Mann, es fühlte sich an, als hätte ich seit Tagen nichts getrunken. „Was willst du denn wissen?"
„Seid ihr zusammen?", fragte sie und brachte mich somit komplett durcheinander. Ich blinzelte sie an. Mom seufzte. „Du brauchst mir gar nicht mit dieser Unschuldsmiene zu kommen, Cassandra. Ich kenne sonst niemanden, der einen schwarzen Camaro fährt, außer Auden. Und dass du ihn rausgeschmuggelt hast, macht dich noch verdächtiger, junge Dame."
Bisher war ich noch nie mit Mom irgendwie angeeckt. Höchstens, wenn ich Streit mit Dad hatte und sie sich auf seine Seite schlug. Doch jetzt schien sie wirklich sauer zu sein.
„Ähm... also", fing ich an, wurde jedoch unterbrochen. „Ja oder nein? Und jetzt möchte ich die Wahrheit wissen, Cassandra."
Ich presste meine Lippen aufeinander und nickte. Moms Haltung entspannte sich. Ihre Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln.
„Du bist nicht sauer oder so?", fragte ich überrascht. Als Auden vor nicht allzu langer Zeit bei uns zum Abendessen war, schienen er und meine Mom sich gut zu verstehen. Trotzdem hatte ich nicht erwartet, dass ihr das nichts auszumachen schien. „Nein, wieso sollte ich das sein?"
Ich zuckte mit den Schultern. „Naja, Dad hält nicht so viel von ihm." Okay, diese Antwort war wirklich schwach, aber trotzdem ernst gemeint.
Kurze Enttäuschung blitzte in ihren Augen auf. „Das weiß ich, aber ich bin nicht dein Vater. Als Auden beim letzten Mal mit uns zu Abend gegessen hat, fand ich ihn ganz sympathisch. Vielleicht laden wir ihn für nächsten Freitag wieder ein. Dann hat dein Vater nochmal die Chance, sich mit ihm zu unterhalten." Ihr Optimismus war beneidenswert. Dad würde sich auch dann nicht mit ihm unterhalten. Jedenfalls nicht freiwillig. „Beim letzten Mal sind wir uns ja nicht gerade... angemessen gegenübergetreten."
„Ja, okay", antwortete ich mechanisch.
Mom lächelte. „Das würde mich freuen."
Ich bemühte mich, ihr Lächeln zu erwidern, doch das funktionierte nicht. Mom erkannte es und musterte mich mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Dich scheint das aber nicht zu freuen."
„Doch, das tut es."
„Ich rede vorher nochmal mit ihm, okay? Dieses Mal wird er sich Mühe geben."
Unruhig rutschte ich auf dem Sofa herum. „Das ist es nicht..." Obwohl ich es schon einmal jemandem erzählt hatte, fiel es mir noch immer schwer, die Worte auszusprechen. Vielleicht aber auch, weil es meine Mom war und wenn sie alles über Xander wusste, sich alles verändern würde. Mein Herz pochte.
„Jetzt sag bitte nicht, dass du schwanger bist.
„Was?", entfuhr es mir entsetzt. „Oh Gott, natürlich nicht. Also, Mom!" Mein Gesicht musste knallrot angelaufen sein, so warm wie mir plötzlich wurde.
Mom atmete erleichtert auf. „Gott sei Dank. Nicht, dass wir dich nicht unterstützten würden, aber der Zeitpunkt wäre nicht gerade optimal." Was sie nicht sagte. „Was wolltest du denn sagen? Du sahst besorgt aus."
Ich presste meine zitternden Hände zwischen meine Knie und atmete tief durch, bevor ich zu sprechen begann. „Also, es gibt da etwas, das..."
Doch weiter kam ich nicht, denn mein Dad kam ins Zimmer und hielt Mom das Telefon hin. Mit seinen Lippen formte er einen Namen und sie nahm es an. „Tut mir leid, Schatz. Lass uns später weiterreden", flüsterte sie mir zu und stand auf.
„Hallo, Jane. Schön, wieder von dir zu hören..."
Ich sah ihr geknickt hinterher, als sie das Wohnzimmer verließ. Zwar wollte ich nicht wirklich gern mit ihr über Xander reden, aber dieser Moment schien bis zu ihrem Anruf ziemlich passend zu sein. Irgendwie hatte ich gehofft, sie würde dieser Jane sagen, dass sie gerade nicht telefonieren konnte, weil sie ein wichtiges Gespräch mit ihrer Tochter führte. Doch das tat sie nicht. Natürlich nicht. Ein Telefongespräch war schon immer wichtiger. Dabei war es egal, wer es war und das durfte nie gestört werden. Das hatten Olivia und ich schon gelernt, als wir noch jünger waren.
Ich stand auf und ging zur Treppe. In der Küche hörte ich Mom telefonieren und ging mit einem Seufzen nach oben in mein Zimmer.
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