
𝗞𝗔𝗣𝗜𝗧𝗘𝗟 𝟯𝟭 - 𝗜𝗡𝗧𝗘𝗥𝗘𝗦𝗦𝗘𝗡𝗞𝗢𝗡𝗙𝗟𝗜𝗞𝗧𝗘
Schon wieder ließ Xander auf sich warten. Doch diesmal mussten wir nicht bangen, es noch rechtzeitig zur Schule zu schaffen, denn wir standen vor dem Schulgebäude und wollten nach Hause fahren. Eigentlich hätte ich mich darüber gewundert, dass er schon zum zweiten Mal zu spät kam, ohne uns Bescheid gesagt zu haben, wenn ich mit meinen Gedanken nicht bei Auden gewesen wäre. Gestern waren er und ich ein bisschen durch die Stadt gelaufen, einfach so, ohne bestimmten Grund. Das war unser erstes Treffen, nach unserer Aussprache auf der Brücke am Montag. Nun waren wir offiziell zusammen und doch fühlte ich mich ein wenig unbehaglich in seiner Nähe. Irgendwie schien sich nichts geändert zu haben, denn wir liefen nicht Hand in Hand durch die Gegend oder so. Ehrlich gesagt fiel mir das gar nicht erst ein und Auden schien meine Meinung zu teilen. Als wir dann ungestört in seinem Auto saßen, traute ich mich erst richtig, ihn anzusehen und meine Gefühle zuzulassen. Plötzlich saß ich auf seinem Schoß und wir küssten uns, als würde unser Leben davon abhängen. Mir war egal, wer uns vielleicht sehen könnte und was die anderen dachten, denn in Audens Armen schmolz ich nur so dahin. Ich hätte ewig so weitermachen können, wenn es nicht langsam schon dunkel geworden wäre. Auden fuhr mich nach Hause und zum Abschied gab ich ihm noch einen schnellen Kuss und stieg aus. Ich war mit meinen Gedanken noch in seinem Camaro und hatte somit gar nicht bemerkt, dass Olivia mit offenem Mund an der Tür stand. Natürlich war mir das peinlich, also schob ich mich wortlos an ihr vorbei und lief schnell die Treppe hoch und hoffte, sie würde mich darauf nicht ansprechen. Bis jetzt hatte sie das auch nicht gemacht, zum Glück.
„Ist das da drüben nicht dein Freund?", fragte meine Schwester und holte mich somit aus meinen Gedanken.
„Was?" Ich folgte ihrem Blick. Mein Herz machte einen Sprung, als ich Auden in seinem üblichen Look entdeckte, der neben seinem Auto stand und gerade mit Ben einschlug. Selbst von hier konnte ich erkennen, dass er lachte. Ich liebte es, ihn lachen zu sehen. Unwillkürlich verzogen meine Mundwinkel sich nach oben. Dann erinnerte ich mich an Olivias Worte und drehte mich zu ihr. „Er ist nicht mein Freund", protestierte ich. Sie sah mich mit einer gehobenen Augenbraue an.
„Hey, Cassie", hörte ich eine bekannte Stimme und drehte mich um. „Hey, Ben."
„Ist alles okay bei euch?", fragte er ein wenig besorgt.
„Ja, wir warten nur." Er schaute von mir zu meiner Schwester, der er ein kleines Lächeln zuwarf, und wieder zu mir.
„Auden kann euch bestimmt mitnehmen. Ich muss nur noch kurz etwas holen, aber du kannst ihn ja fragen, Cassie." Ben lächelte mich vielsagend an. „Er wird bestimmt nicht nein sagen."
Ich hoffte, nicht rot zu werden, doch da wandte er sich bereits ab und betrat wieder das Schulgebäude.
Natürlich würde ich lieber mit Auden fahren, als mit Xander, aber das wollte ich meiner Schwester nicht unbedingt unter die Nase reiben. Unentschlossen drehte ich mich wieder zu ihr. Olivia starrte stirnrunzelnd auf ihr Handy. „Was ist los?"
„Xander kann uns nicht mitnehmen. Er hat einen wichtigen Termin", sagte sie niedergeschlagen. Anscheinend hatte er ihr bis gerade noch nicht davon berichtet. Ich wusste, dass Olivia tief in ihrem Inneren sauer auf ihn war, dass er uns einfach so stehen ließ und uns dann per SMS absagte. Ein ganz mieser Move. Besonders, wenn man bedachte, dass er ihr Freund war. Aber meine Schwester würde das einfach so hinnehmen. So war sie leider nun einmal. Blind vor Liebe zu einem verdammten Widerling, der sie nur anlog. Ich seufzte. Sie würde mir doch niemals glauben, dass er gar nicht der war, der er vorgab zu sein.
„Und? Fahrt ihr mit?" Ben war wieder da und ich schaute fragend meine Schwester an. Ihren Gesichtsausdruck nach zu urteilen war sie nicht gerade begeistert von der Idee, aber etwas anderes blieb ihr kaum übrig. Sonst konnten wir nur noch zu Fuß gehen, da der Bus vorhin schon an uns vorbeigefahren war. „Ja", seufzte sie. „Wir können ihn ja mal fragen."
Mit Ben gingen wir auf Auden zu, der uns grinsend ansah. Je näher wir ihm kamen, desto wärmer wurde mir. Ich musste mich wirklich zusammenreißen, um mich nicht an ihn zu schmeißen und zu umarmen.
„Hey, kann ich euch irgendwas Gutes tun?", fragte er und blieb an meinen Blick hängen.
„Ja, kannst du. Unsere, ähm... Mitfahrgelegenheit kann uns heute nicht mitnehmen und..."
„Natürlich nehme ich euch mit", unterbrach er mich. Als wäre das eine Selbstverständlichkeit. Ich erwiderte sein Lächeln. „Danke."
„Na dann alle mal einsteigen", sagte Auden uns setzte sich hinein.
Ben sah fragend zu mir, doch ich schüttelte nur den Kopf. Gerne hätte ich mir nach vorne gesetzt, doch ich wollte Olivia und Ben nicht nebeneinander sitzen lassen. Irgendwie schienen die beiden sich nicht wirklich leiden zu können, warum auch immer. Also setzte ich mich mit ihr auf die Rückbank. Durch den Rückspiegel warf Auden mir einen kurzen Blick zu und wir fuhren los.
Als er vor unserem Haus zum stehen kam, war Olivia die erste, die die Tür öffnete. „Danke fürs Mitnehmen", sagte sie und stieg aus, ohne auf mich zu warten.
„Wow, ich mache mich wohl sehr beliebt in deiner Familie", sagte Auden und drehte sich zu mir um.
Ich schnaubte. „Mach dir nichts draus. Sie ist immer so."
„Allerdings", hörte ich Ben murmeln, ignorierte es jedoch.
„Naja, deine Mom habe ich wenigstens schon auf meiner Seite." Sanft legte er seinen Handrücken auf mein Bein. Ich legte meine Handfläche in seine. Sofort drückte er sie leicht und entlockte mir so ein Lächeln. Wie konnte ich ihn anfangs nur nicht mögen? Mittlerweile vermochte ich es mir nicht vorzustellen, Audens schönes Gesicht irgendwann nicht mehr zu sehen.
„Wenn ihr Zeit für euch braucht, sagt mir Bescheid. Dann gehe ich zu Fuß nach Hause", schaltete Ben sich ein. Schnell zog ich meine Hand weg. Ich hatte komplett vergessen, dass er auch noch da war. Wieder einmal grinste Auden mich an, erfreut darüber, dass ich erneut rot wurde.
„Schon gut. Ich muss jetzt auch aussteigen. Wir sehen uns." Ich stieg aus und lief ins Haus.
Drinnen stand Olivia mit einer kleinen Saftflasche in der Hand und musterte mich durch zusammengekniffene Augen.
„Was ist denn jetzt schon wieder?", fragte ich genervt. Jetzt würde sie mir erzählen, was sie an Auden störte.
„Ich wusste nicht, dass dein Freund ein Kiffer ist."
Ich verdrehte die Augen. „Ist er auch nicht, Olivia."
„Hast du denn nicht gemerkt, wie es in seinem Auto gerochen hat? Er versucht es ja nicht einmal mit einem Duftbaum zu verdecken." Die Abscheu in ihrer Stimme war mehr als deutlich, was mich wütend machte. „Er ist kein Kiffer!"
Meine Schwester war noch immer nicht überzeugt. Anscheinend kannte sie nicht einmal den Unterschied zwischen dem Geruch von Marihuana und normalen Zigarettenqualm.
„Trotzdem ist mir dieser Aaron nicht gerade sympathisch."
„Tja, schade für Aaron. Aber er heißt Auden. Wieso bist du eigentlich so voreingenommen, Olivia? Du bist genauso schlimm wie Dad." Mittlerweile schrie ich fast schon.
Es ratterte einen Moment in ihrem Kopf, ehe sie zu verstehen schien. „Dann war er also der Junge, der letztes beim Abendessen war?"
Gott, wie ich die Missbilligung in ihrer Stimme hasste. Dachte sie wirklich, sie wäre etwas Besseres? Sie kannte Auden ja nicht einmal!
„Kannst du mal aufhören so von ihm zu reden?"
„Wie rede ich denn von ihm?"
„Als wäre er Müll und das ist er nicht! Ja, er ist kein Xander und ich bin verdammt nochmal froh darüber! Er hat mich noch nie stehen gelassen."
Olivias Augen funkelten mich an. Da hatte ich wohl einen Nerv erwischt. „Das ist ein Mal passiert, Cassie. Reg dich ab. Du weißt doch, dass man sich sonst immer auf ihn verlassen kann."
Ich konnte nicht anders, als humorlos aufzulachen. „Natürlich. Xander ist ja der perfekte Mensch, nicht wahr?"
„Was soll das denn heißen? Bist du eifersüchtig?"
„Verdammt, Olivia! Natürlich bin ich das nicht! Du siehst es nicht, oder?"
Die Verwirrung stand ihr wie ins Gesicht geschrieben. „Was meinst du denn jetzt schon wieder?"
Am liebsten hätte ich ihr alles an den Kopf geschmissen, was ich auch schon Auden erzählt hatte, doch das schaffte ich nicht. Es war, als bildete sich ein großer Kloß voller Wahrheiten in meinem Hals, den ich nicht herausbekam. „Nichts. Vergiss es einfach." Damit beendete ich unser Streitgespräch und lief nach oben in mein Zimmer.
*
Am nächsten Tag kam Xander wieder pünktlich und entschuldigte sich mehrere Male bei ihr. Mieser Heuchler. Nicht mal eine Entschuldigung von ihm war ehrlich gemeint, das konnte ich ihm ansehen. Ich hasste ihn ja jetzt schon, aber dass meine Schwester sich so von ihm behandeln ließ, machte mich rasend. Immer wieder blickte ich ihn finster an, doch er bemerkte es nicht oder ignorierte mich gekonnt. Eigentlich war es mir auch egal. Seine Art nervte mich immer mehr und so langsam kam ich an einen Punkt, an dem ich meine Angst vor ihm vergaß und nur noch Wut ihm gegenüber empfand.
„Schon okay, Schatz." Schatz. Würg. „Solange es dir gut geht, ist alles in Ordnung", säuselte meine Schwester. Am liebsten hätte ich ihr eine Backpfeife gegeben in der Hoffnung, dass es sie wieder zur Vernunft bringen würde.
„Es wird nicht noch einmal passieren. Das verspreche ich", entgegnete Xander reuevoll. Wenn er irgendwann nicht in den Posten seines Vaters in der Firma meines Vaters übernehmen sollte, würde er definitiv einen guten Schauspieler abgeben.
Als wir endlich an der Schule ankamen, war ich mehr als froh darüber, den beiden endlich entkommen zu können.
An meinem Schließfach machte ich Halt, weil ich noch das Buch für Geschichte jetzt gleich brauchte, als plötzlich Ben neben mir auftauchte. „Hey."
Ich schloss meinen Spind und sah ihn an. „Hi. Ist was?"
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Nur... wegen gestern, also... es ist nicht so, dass ich Olivia nicht mag oder so, aber..."
Ich hob eine Hand und er verstummte. „Kein Ding. Du musst das nicht erklären." Ein kleines Lächeln schlich sich auf seine Lippen und dann wurde ich doch neugierig. „Ich dachte immer, ihr würdet gut miteinander auskommen."
Sofort verschwand das Lächeln und Ben seufzte schwer. „Ja, das war mal so. Aber seit sie mit Xander zusammen ist, schaut sie mich immer so angewidert an, obwohl ich nichts getan habe." Mir gefiel der Ton, in dem er Xanders Namen sagte. Er schien ihn nicht sonderlich zu mögen.
„Du magst Xander nicht?", fragte ich nach und achtete genau auf seinen Gesichtsausdruck.
Ertappt sah Ben mich an und schien nach den passenden Worten zu suchen.
„Du kannst mir ruhig die Wahrheit sagen. Ich kann ihn auch nicht leiden", sagte ich schulterzuckend.
„Echt? Ich dachte, wo ihr doch immer zusammen fahrt, dass ihr..."
„Nein!" Mein Entsetzten schien ihn zu verwirren. „Also ich meine, ja, wir fahren zusammen, aber ich kann ihn nicht gerade leiden. Er ist irgendwie so..."
„...überheblich? Besitzergreifend? Arrogant?"
Ich presste meine Lippen aufeinander.
„Ich habe noch mehr Wörter. Da wäre noch selbstverliebt..."
„Okay okay", ich unterbrach ihn. „Ich hab's verstanden." Es erleichterte mich ungemein, dass es anscheinend noch andere Leute gab, die Xander so sahen wie ich es tat. Also bildete ich mir das wirklich nicht ein.
„Tut mir leid." Das sagte Ben zwar, aber ich hörte aus seiner Tonlage heraus, dass es ihm kein bisschen leid tat. Und das war absolut nicht schlimm.
„Um nochmal auf meine Schwester zurückzukommen", wechselte ich das Thema, „hat sie sich viel verändert?" Ich hasste es, ihm diese Frage zu stellen. Natürlich hatte ich schon selbst mitbekommen, dass Olivia anders war, seitdem sie mit Xander zusammen war. Allein schon bei diesem Gedanken wurde mir schlecht.
Ben presste seine Lippen aufeinander und senkte den Blick. Mein Magen verkrampfte sich. „Naja, sie hängt nur noch mit ihm zusammen rum. Zwar redet sie noch mit ihren Freundinnen und so, aber sie klammert sich extrem an Xander." Ja, das hatte ich befürchtet. „Aber sie scheint glücklich zu sein." Und das auch. Mit ihr konnte ich über das, was mich beschäftigte, nicht sprechen.
„Danke, dass du es mir gesagt hast." Ich konnte meinen niedergeschlagenen Ton nicht unterdrücken, was Ben aufhorchen ließ. „Wieso? Ist etwas passiert?"
„Äh... nein. Olivia ist schließlich meine Schwester. Da mache ich nur mir Sorgen", flunkerte ich ein bisschen. Es war nicht die ganze Wahrheit, aber auch keine 100%ige Lüge.
Misstrauisch nickte er langsam. Zum Glück klingelte es in diesem Moment, sodass wir uns voneinander trennen mussten. Im Geschichtsunterricht spielte ich immer wieder unser Gespräch durch und fragte mich, ob Xander sich auch noch anderen Mädchen gegenüber so verhielt wie mir gegenüber. Ich hoffte wirklich, dass dies nicht der Fall war.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro