𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟕
Ich stelle die Kuchen sowie die Kaffees vor Finn ab und sehe, wie er auch zu dem turtelnden Pärchen herüber. Ein verträumtes Seufzen verlässt meinen Mund. Avery und Lola sehen beide zusammen unbeschreiblich süß aus. Ein wenig neidisch bin ich auf sie schon. Beide harmonieren zusammen wie die Creme zwischen zwei Macarons. So etwas würde ich auch gerne haben wollen.
»Mein Bruder wird wohl doch nicht so schnell wiederkommen, so wie er mit deiner besten Freundin flirtet.« spricht der Schwarzhaarige das Offensichtliche aus.
»Da kann ich dir nur zustimmen. Soll ich Avery's Kaffee wieder mitnehmen? Ich kann ihm einen neuen später machen.«
»Nein, ist schon gut. Du kannst ihn hier lassen. Wenn er nicht kommt, dann werde ich ihn trinken.« winkt Finn ab und wir beide wenden unseren Blick zeitgleich zu dem jeweils anderen. Unbewusst schlucke ich und meine Finger krallen sich an das schwarze Tablett in meinen Händen fest. Wie auch beim Betreten des Ladens der beiden Männer, werden meine Wangen heiß und unbewusst muss ich zurück an das Steifen seiner Lippen auf meinen denken.
In meiner Fantasie ist Finn ein wahnsinnig guter Küsser, dessen Lippen mich in eine andere Dimension werfen können. Sein fester Griff um meine Taille, damit ich nicht wegen meinen wackeligen Knien umfalle. Und dann sein herber Duft. Eine Mischung aus Weihnachten und Lebkuchen. Zu gern würde ich meine Nase in seinen Klamotten vergraben, um zu wissen, ob sie auch nach ihm riechen.
»Entschuldigung, könnte ich noch einen Kaffee haben?« schallt die Stimme eines Kunden in mein Ohr. Erneut platzt meine Traumblase um mich herum. Wieso in Gottes Namen müssen wir auch immer gestört werden? Dennoch drehe ich mich zu den Herren um und setzte mein bestes Lächeln auf.
»Natürlich, einen Moment bitte.« erwidere ich und gehe zurück hinter die Theke, um die Kaffeekanne zu holen.
Ich gehe zu dem Mann hin und fülle seine Tasse erneut auf, bevor ich die Kanne wieder zurückbringe. Erneut wandert mein Blick zu Finn, der mittlerweile sein Handy herausgeholt hat und energisch auf diesem herum tippt. Muss wohl wichtig sein, so wie sich seine Stirnfalten verziehen. Ich seufze und wende meinen Blick ab. Irgendwie ist dieser Mann ein Rätsel für mich.
Um mich abzulenken, ziehe ich mich in meine Küche zurück und beginne etwas aufzuräumen. Dabei läuft über meine Bluetooth Box der lokale Radiosender.
»Wie wir bereits vor einigen Tagen vorhergesagt haben, wird der Schneesturm in drei Tagen auch unsere Region treffen. Also Leute, kauft noch einmal ein und geht sicher, dass ihr auch warm bleibt.«
Na super. Ich hatte tatsächlich die Hoffnung gehabt, dass der Sturm vorbeizieht, ohne auf uns zu treffen. Aber anscheinend bin ich nicht vom Glück getroffen. Seitdem ich denken kann, hasse ich Schneestürme. Sie stressen mich und lassen mein Inneres kaum zur Ruhe kommen. Es lässt mich mehr als panisch werden. Das war schon in meiner Kindheit so und hat sich seitdem auch nicht geändert.
»Na komm Avery, wir müssen los.« höre ich aus dem Café Finn sagen. Ich räume die letzten Sachen weg und gehe wieder nach vorne zur Theke. Besagter Mann löst sich aus dem Gespräch von Lola und dreht sich zu seinem Bruder um, ehe er sich wieder an Lola wendet. Er verabschiedet sich von ihr und geht zu Finn herüber.
»Danke für alles, North. Wir sehen uns bald wieder.« verabschiedet sich Avery von mir, während Finn wortlos den Laden verlässt. Ich verabschiede mich von Avery und winke ihm kurzerhand zu. Erst dann fällt mein Blick auf die nicht angerührten Teller. Na toll. Jetzt kann ich den Kuchen wegschmeißen.
***
In den letzten beiden Tagen habe ich damit verbracht, die Fenster meines Cafés so gut es geht zu sichern. Der Sturm hat sich langsam aber sicher auch seinen Weg durch die Rocky Mountains geschlagen und weht mittlerweile stark durch die Straßen unserer Kleinstadt.
Ich fluche vor mich her, da meine Kapuze mir erneut ins Gesicht weht. Mir ist ohnehin schon arschkalt, da brauch ich auch keine nasse, kalte Kapuze, die mir die ganze Zeit die Sicht versperrt. Ich setzte den letzten Holzbalken an seinen Platz und betrachte zuversichtlich mein Werk. Wenn das Holz nicht halten sollte, werde ich definitiv die Wetterfee verklagen. So stampfe ich erneut ins Innere und schlage die Tür hinter mir zu.
Ein Haufen Schnee fällt von meinem Mantel auf den Boden und ich bin mir sicher, dass man damit einen Schneemann bauen könnte. Ich klopfe den letzten Rest Schnee von mir herunter und werfe anschließend die Kapuze in den Nacken.
Seit Tagen ist mein Café das erste Mal wieder ruhig. Niemand hat sich an den heutigen Tag getraut, raus zu gehen, was ich den Leuten nicht einmal verübelte. Immerhin soll heute Nacht der Höhepunkt des Sturms erreicht werden, der laut den Meteorologen mindestens zwei weitere Tage anhalten soll. Das heißt, wir sind gezwungen, auf engstem Raum zu leben. Ein Glück, dass ich alleine wohne. Ich könnte es mir nicht vorstellen, in dieser Zeit mit jemandem eingeschneit zusammen zu wohnen.
Langsam schäle ich mich aus meiner Jacke, hänge diese über einen Stuhl neben mir. Es war auch nicht alles negativ, wenn man ehrlich ist. So hatte ich nun etwas Zeit, um einmal in Ruhe das Café zu putzen. Natürlich ist dies keine Aufgabe, die ich mit Freude machen würde. Doch wie pflegt man es gerne zu sagen? Was sein muss, muss sein. Oder so ähnlich. Eventuell geht der Spruch auch ganz anders. So sicher bin ich mir dann doch nicht mehr.
Ich gehe zur Theke und drehe den Bildschirm meiner Kasse zu mir herüber. Vor einigen Jahren habe ich mir etwas ganz tolles gekauft. Ein IPad, mit dem ich nicht nur die Kasse führen konnte, sondern auch Spotify über meine im Café hängenden Lautsprecher abspielen kann. Schnell entscheide ich mich für eine Weihnachtsplaylist und kurz darauf erklingen die ersten Töne von Jingle Bell Rock. Ich drehe den Bildschirm wieder um, während ich leise den Text mit zu singen beginne.
Sicherlich bin ich keine begabte Sängerin, doch für meine privaten Vorstellungen reicht es mir vollkommen aus. Dazu muss ich sagen, dass ich eine begnadete Duschsängerin bin. Ich meine, wer hat nicht schon Konzerte unter dem heißen Wasserstrahl gegeben?
Zusammen mit Bobby Helms im Hintergrund gehe ich in die Küche und öffne den eingebauten Wandschrank, aus dem ich einen Staubsauger heraushole. Sicher für den Anfang nicht das effektivste, aber ich habe immerhin noch zwei kommende Tage, an denen ich eine Tiefenreinigung machen kann.
So gehe ich mit dem Staubsauger zurück in den Innenraum und könnte mich am liebsten selber Ohrfeigen. Dort auf dem Boden sind die nassen Fußspuren meiner Schuhe. Sehr toll, North. Vielleicht sollte ich doch erst wischen und dann staubsaugen. Doch bevor ich diesen Plan in die Tat umsetzen kann, erregt etwas draußen vor meinem Café meine Aufmerksamkeit.
Ich lasse den Staubsauger an Ort und Stelle stehen und gehe näher zur Tür hin. Tatsächlich. Inmitten der weißen Flocken erkenne ich eine Gestalt. Und nicht nur irgendwen. Sondern Finn Moore. Was zum Teufel macht er bei so einem Wetter noch draußen? Jeder Mensch mit einem normalen Verstand hätte schon längst Schutz gesucht.
Ohne groß über meine Tat nachzudenken, schnappe ich meine Jacke, ziehe diese an und öffne die Tür. Erneut kommt mir eine Kaltfront entgegen, die meine Organe erstarren lässt. Ich reiße mich zusammen und renne so gut es mir die Umstände erlauben zu Finn. Dieser steht fluchend vor seinem Auto.
»Was machst du hier noch draußen?« rufe ich ihm entgegen. Finn dreht sich zu mir um und schiebt sich die Kapuze etwas nach hinten. Ich komme näher und erkenne, warum er draußen ist. Sein Auto hat sich komplett in den Schnee gefahren. Ich seufze.
»Deswegen. Ich wollte noch ins Hotel Peanut abholen, aber die Straßen sind so verschneit, da kommt keiner mehr durch. Aber ich wollte es dennoch versuchen.« schreit mir der Mann entgegen.
»Wohl mit nicht so viel Erfolg. Lass das Auto hier stehen. In nächster Zeit kommt ohnehin keiner mehr hier vorbei. Nimm alles was du brauchst und dann folge mir ins Café.« weise ich ihn an. Finn nickt. Andere Optionen hat er im Moment nicht. So warte ich, dass er was auch immer holt und schließlich sein Auto abschließt. Mit einem Daumen nach oben zeigt er mir, dass wir gehen können.
Im Warmen angekommen, schüttle ich die Kälte ab. War es in den letzten Minuten noch frostiger draußen geworden? Finn neben mir klopft sich den Schnee von dem Mantel und ein lauter Fluch kommt ihm über die Lippen, den selbst Mutter Maria schockiert hätte.
»Verdammte Scheiße, dass kann doch nicht wahr sein. Beschissener Schnee.« keift er. Ich drehe meinen Kopf zu den schwarzhaarigen und verkneife mir einen Kommentar.
»Kannst du nicht jemanden anrufen, der auf Peanut aufpasst?« versuche ich stattdessen den Mann zu beruhigen. Finn reißt seine Kapuze vom Kopf und sieht mich wütend an.
»Nein. Das ist es ja. Sie vertraut fremden Menschen nicht, wenn ich nicht da bin. Außerdem mit den Umständen da draußen... es würde mich nicht wundern, wenn sie schon panisch mein Büro zerlegt.« murrt Finn und ich sehe ihm an, wie unruhig er ist. Innerlich schmerzt es mich zu wissen, dass Peanut genau so wie ich Angst vor Schneestürmen hat. »Deswegen hat es mich damals auch so gewundert, dass sie dich auf der Stelle mochte.«
Aus Reflex lege ich Finn eine Hand auf den Arm und drücke diesen leicht durch seinen dicken Mantel. Er soll wissen, dass ich da bin und seinen Frust und seine Trauer verstehe. Gleichzeitig muss ich an meine früheren Gedanken denken. Wie war es noch gleich, Glück zu haben, alleine zu sein? Das konnte ich mir wohl nun abschminken.
»Aber es muss doch irgendwen im Hotel geben. Wie wäre es mit deiner Assistentin oder was auch immer du hast?« Hacke ich weiter nach. Es konnte schließlich nicht sein, dass bei dem Wetter niemand im Starlight Château Resort ist. Einen Moment schweigt Finn, bevor er meine Hand abschüttelt und sein Handy aus dem Mantel holt. Schnell wählt er eine Nummer und hält sich das Handy ans Ohr.
»Mom? Ja, ich bin es. Mir geht es gut, wie geht es euch? Es ist schön zu hören, dass ihr sicher im Hotel seid. Mom, ich habe eine Bitte an dich. Peanut, mein Hund ist in meinem Büro. Kannst du sie zu Dad und dir holen, bis der Sturm vorbei ist? Ich bin eingeschneit und komme nicht ins Hotel.« erzählt Finn, während er augenscheinlich mit seiner Mutter telefoniert. Ein Stich zieht durch mein Herz, als ich daran denke, wie lange es her ist, dass ich mit meinen Eltern telefoniert habe. »Danke Mom. Ich euch auch. Wir sehen uns bald wieder.«
Mit diesen Worten legt Finn auf und sieht zu mir herüber. In seinen Augen sehe ich, wie die Anspannung aus seinem Körper weicht. Ebenso die Angst, was mit seiner Hündin passiert.
»Siehst du, Peanut wird es gut gehen.« sage ich zuversichtlich und wage mich zu einem kleinen Lächeln. Finn nickt nur und wendet seinen Blick ab, bevor er beginnt, seine Jacke auszuziehen.
»Scheint, als wären wir beide für die nächsten Tage nun zusammen. Ich hoffe, die Stühle sind bequem zum Schlafen.« sagt Finn. Einen Moment sehe ich ihn perplex an, ehe ich zu lachen beginne. Dabei ernte ich einen verwirrten Blick von ihm.
»Hast du es schon wieder vergessen? Ich wohne hier drüber. Eigentlich wollte ich dir meine Couch anbieten, aber wenn du lieber hier unten wohnen willst, warum nicht.« bringe ich hervor und halte mir mittlerweile den Bauch. Erkenntnis trifft Finn und verlegen wendet er seinen Blick ab. Er hat es tatsächlich vergessen.
»Na komm. Ich bring dich nach oben, du bist sicher so wie ich durchgefroren. Wenn du willst, kannst du eine Dusche nehmen und Wärme etwas Essen auf, das ich noch im Kühlschrank habe.« schlage ich vor, nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe. Mehr konnten wir in diesem Moment nicht tun und auf das Saubermachen hatte ich ohnehin keine Lust gehabt. Da konnte ich auch oben in der warmen Wohnung zusammen mit Finn den Sturm abwarten.
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