𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟓
Ich wollte nicht fragen, warum Finn winterliche Frauen Kleidung bei sich im Haus hat. Nicht dass es mich etwas angeht, seltsam finde ich es jedoch schon. Nachdem ich zugestimmt hatte, nach Hause zu laufen, hat Finn die besagten Wintersachen geholt. Nun trage ich dicke weiße Stiefel, einen dicken Mantel, Schal und Mütze. Wobei ich behaupte letzteres von Finn ist.
Es ist ein schöner Tag, als wir durch den Schnee stampfen in Richtung Innenstadt laufen. Peanut springt begeistert vor uns her, steckt ihre Nase zwischendurch in den Schnee oder versucht Schnee von den Tannen zu klauen.
Ich lache leise auf, als Peanut plötzlich wie ein weißer Schneemann aussieht. Schockiert blickt die Hündin zu uns, ehe sie sich ihr Fell schüttelt und ihre goldene Farbe zum Vorschein kommt.
»Wann hast du sie eigentlich adoptiert?« baue ich ein Gespräch mit Finn auf, um die Stille Zeichen und zu vertreiben.
»Vor einigen Jahren. Auch wenn man es ihr nicht ansieht, aber Peanut ist bereits eine alte Lady.« Antwortet Finn und steckt seine Hände in seinen Mantel. Er ist ähnlich angezogen wie ich, nur mit dem Unterschied, dass er immer noch wie ein Gentleman aussieht. Im Gegensatz zu ihm sehe ich aus wie ein dicker brauner Marshmellow.
»Sie hat aber immer noch dieselbe Energie wie an dem Tag, an dem du sie adoptiert hast. Wenn ich Peanut so sehe, würde ich niemals denken, dass sie schon älter ist.« sage ich ehrlich und blicke zu Finn herüber. Der Mann schmunzelt leicht, während sein Blick weiterhin auf den Hund gerichtet bleibt.
Mir fällt erst jetzt auf, wie groß Finn eigentlich ist. Bestimmt einen Kopf, wenn nicht sogar zwei Köpfe. Ich wende meinen Blick und ziehe meine Hände aus den Jackentaschen. Der kalte Wind lässt sie sofort frieren, doch war es kein stechender kalter Schmerz. Als Kanadier ist man an einen bestimmten Punkt im Leben an diese extremen Temperaturen gewöhnt, selbst wenn es in den letzten Jahren deutlich wärmer als sonst geworden ist.
Erneutes Schweigen hüllt uns ein, während wir weiterhin zu meiner Wohnung laufen. Mittlerweile werden die Wohnhäuser immer mehr um uns herum. Vereinzelt laufen wir sogar an unseren Stadtbewohnern oder auch Besuchern vorbei.
»Fährst du Ski?« fragt mich Finn.
»Ich habe es einmal ausprobiert. Also nein, ich fahre kein Ski. Ich bin eher ein Fahrradfahrer im Sommer. Der Winter treibt mich nur selten auf den Berg.« antworte ich dem Mann neben mir.
»Nur kannst du nicht wirklich Fahrrad im Winter fahren. Zudem verpasst du etwas. Skifahren macht solch einen Spaß, dass du es noch einmal probieren solltest«, Finn klingt so, als wüsste er, wovon er spricht. »Wenn ich im Hotel bin und früher aus dem Büro komme, versuche ich so oft es geht auf den Berg zu fahren. Meine Eltern haben Avery und mir das Skifahren beigebracht. Naja, eher gesagt nur mir. Avery fährt Snowboard.«
Ein Grinsen bildet sich auf meinem Gesicht. Sagen tu ich jedoch nichts dazu. Es ist ein wenig seltsam, etwas über Finn zu wissen, das sogar noch privat ist. Ich hätte ihn als niemanden eingeschätzt, der fremden Leuten private Sachen sagen will.
»Vielleicht, mit dem richtigen Lehrer überlege ich es mir.« erwidere ich und streiche mir eine braune Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor ich meine Hände wieder in die Taschen meines Mantels schiebe.
Meine Augen verfolgen erneut Peanut, die nun begonnen hat, ein Loch in den Boden zu graben. Wild gräbt sie ihre Pfoten in den Schnee hinein. Ich frage mich, ob sie etwas gefunden hat oder ob sie dort ihr Geschäft verrichten will.
»Peanut aus. Komm her.« ruft Finn verärgert. Der Hund hebt den Kopf, knurrt nur und macht anschließend weiter. Finn seufzt neben mir und geht auf seine Hündin zu. Er greift nach ihrem Halsband und zieht sie vom Loch weg, welches sie gebuddelt hat. »Aus.« sagt er nochmal und leint Peanut anschließend an, bevor er mit ihr zu mir zurückkommt. Wobei er Peanut mehr zieht, als dass sie geht.
»Entschuldige ihr Verhalten. Manchmal ist sie wirklich stur.« sagt Finn zu mir.
»Ach schon gut. Für mich sah es aus als hätte sie Spaß gehabt.«
»Dann auch nur so lange, bis sie etwas frisst, das sie nicht fressen sollte. Aber Madame hier lernt ja nicht gerne dazu, deshalb muss sie dann fühlen.« Finn sieht zu Peanut herunter, die immer noch beleidigt drein blickt. Ich knie mich stattdessen zu der Hündin auf den Boden und streichle ihr kurz über den Kopf.
»So ein Quatsch. Du bist doch eine ganz brave, nicht wahr? Du hattest nichts Böses im Sinn oder?« Frage ich sie. Fast als hätte mich Peanut verstanden, nickt sie und ich streichle sie erneut mit einem leisen Lachen. »Wahrscheinlich wollte sie wirklich nur ihr Geschäft verrichten.«
»Ganz sicher nicht. Sie hat dich wirklich um den Finger gewickelt. Peanut wollte alles andere als dort ihr Geschäft zu verrichten.« beteuert Finn weiterhin stumm und ich erhebe mich aus meiner niedrigeren Position. »Na komm, wir sollten weitergehen. Um ehrlich zu sein ist es doch kühler als ich es gedacht habe.«
Da konnte ich sogar Finn dieses Mal zustimmen. Beim Laufen war es mir nicht aufgefallen, wie kalt es doch war. Auch wenn wir des Öfteren Glück haben, konnten wir auch mitten im Winter niedrige Temperaturen bekommen. Ich kann mich sogar an ein Weihnachten erinnern, an dem es so kalt war, dass man nicht einmal vernünftig raus konnte, ohne zu erfrieren. Selbst wenn wir in den Rocky Mountains leben und oftmals geschützt sind, bekommen wir auch Kältewellen ab.
An solchen Tagen bleibe ich am liebsten in meiner Wohnung, schmeiße den Kamin dort an und genieße eine große Tasse heiße Schokolade. Oder ich stricke und sehe mir nebenbei einen Film an, auf klassische Weise. Mit einer DVD.
Lola behauptet deswegen, dass ich in diesem Bereich ein altes Fossil bin. Was ich definitiv nicht nachvollziehen kann. Immerhin ist meine DVD Sammlung meines Erachtens das Beste an meiner Wohnung. Ein ganzes Regal, welches sich neben meinem Kamin an der Wand entlang zieht, gefüllt mit alten Disney-Klassikern oder auch neueren Filmen. Oder auch ein paar Serien, die ich sicher schon tausendmal durchgesehen habe.
Alleine bei dem Gedanken an einen kuscheligen Abend vor dem Feuer, werde ich sentimental. Ich sollte es definitiv die Tage einmal machen. Mein Körper etwas Entspannung schenken. Schließlich werden die Tage vor Weihnachten weitaus geschäftlicher, als ich es immer vorher einschätze.
Finn und ich setzten uns erneut in Bewegung. Ich ziehe meine Jacke etwas weiter in mein Gesicht und vergrabe meine Hände erneut in den Jackentaschen. Unser Atmen verwandelt sich in kleine Rauchwolken und verschwinden in den grauen Himmel. Peanut trottet neben uns her, lässt ihre Augen aufmerksam durch die Gegend wandern. Anfangs fand ich Finns Anwesenheit noch etwas seltsam, doch nach den wahrscheinlich zwanzig Minuten des Laufens mag ich seine Anwesenheit allmählich. Ich beginne mich wohl bei ihm zu fühlen.
Wir biegen in die Straße ein, in der mein Café mit meiner Wohnung ist. Als hätte man uns in eine andere Welt geworfen, wird die Straße voller. Ich frage mich ungewollt, woher diese ganzen Menschen kommen. Ungewollt müssen Finn und ich näher beieinander laufen, wobei wir unabsichtlich hin und wieder gegeneinander stoßen.
»Gott, ich hasse die Weihnachtszeit.« murrt Finn genervt und weicht einem Kind aus, das auf uns zu gerannt kommt. Ich sehe zu ihm auf und hebe verwirrt eine Augenbraue.
»Wieso das denn? Weihnachten ist in meinen Augen eine der schönsten Zeit des ganzen Jahres. Du siehst deine Familie, man hat eine besinnliche Zeit zusammen, die Leute sind entspannter-«
»Die Leute sind entspannter? Ganz sicher nicht. Warum sonst gibt es so viele Menschen, die gerade in der Weihnachtszeit in Hotels flüchten?« erwidert Finn und sieht zu mir. Ich runzle die Stirn.
»Sie haben sicher ihre Gründe. Ich denke, dass sie dort ihre Entspannung haben wollen, um Weihnachten auf ihre Art und Weise zu feiern..« meine ich nur. Nie im Leben könnte ich es mir vorstellen, Weihnachten irgendwo alleine in einem Hotelzimmer zu verbringen. Wo bleibt da der altbekannte Geist der besinnlichen Weihnacht?
»Da bin ich nicht ganz deiner Meinung. Ich denke, dass sie gerade wegen den unentspannten Weihnachtstagen in Hotels flüchten. Weg von ihren Familien, um wenigstens dort etwas Ruhe haben zu können, bevor sie wieder in ihre alten Leben zurück müssen.« sagt Finn und beharrt auf seine Meinung. Ich wollte gerade etwas erwidern, beiße mir jedoch auf die Zunge, um es zu unterlassen. Umstimmen konnte ich den Mann nicht, selbst wenn ich ihn von meiner Ansicht versuchen könnte zu überzeugen.
Ich bemerke schließlich das Schild zu meinem Café. Es ist also nicht mehr weit bis zu diesem. Zwischen den Menschen, die an uns vorbeilaufen, kann ich sogar einige Schaulustige erkennen, die neugierig durch die Schaufenster in das Café Innere schauen. Doch wenn ich ehrlich zu mir bin, werde ich heute meine Türen geschlossen halten. Erstmal hing der Kater tief in meinen Knochen, selbst wenn die Aspirintablette meine Kopfschmerzen beseitigt hat. Und ich brauchte noch einmal eine Mütze Schlaf. Außerdem ist da die Frage in meinem Kopf, warum Finn Weihnachten nicht mag.
»Scheint, als wäre heute ein guter Tag, um dein Café zu eröffnen.« spricht Finn meine Gedanken aus.
»Wäre es. Aber ich fühle mich immer noch nicht taufrisch. Und eine verkaterte Chefin will ich auch nicht sein.« erkläre ich mich, was Finn lediglich ein kleines Nicken entlockt. Ob sich Finn freigibt, wenn er krank ist? Was ich bisher gehört habe, scheint er für seine Arbeit im Château zu leben. Ein richtiger Workaholic.
Erneut legt sich die Stille auf uns, die wir unseren restlichen Weg zum Café beibehalten. Einige Schritte vor diesem drängelt sich unsanft ein Mann zwischen uns. Ich weiche diesem ungeschickt aus und rutsche dabei mit dem Fuß den Bordstein herunter. Ein nicht wirklich Lady Hafter Schrei verlässt meine Lippen, während ich meine Arme aus der Jacke befreie und diese herum zu wedeln beginne.
Ich bereite mich innerlich darauf vor, mit der Nase auf den schneebedeckten Boden auf zukommen, als sich zwei Arme um meine Taille schlingen. Bestimmend werde ich zurückgezogen und pralle gegen Finns Körper. Direkt landet sein warmer Atem auf meiner Haut. Schockiert sehe ich mit meinen dunkelbraunen Augen zu ihm hoch. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, als ich seinen herben Duft einatme.
Wie in einem kitschigen Liebesfilm hört sich die Welt neben uns auf, zu drehen. Es gibt nur noch ihn und mich. Seine hellblauen Augen ziehen mich in einen Bann. Langsam bemerke ich, wie sich Finn zu mir herunter beugt und seine Lippen meine Streifen. Ich seufzte leise auf, schließe meine Augen.
»North? North! Da bist du ja, ich habe mir schon Sorgen gemacht.« schallt Lolas Stimme zu uns herüber. Der Bann wird gebrochen, die Magie um uns herum verpufft im Rauch. Ich öffne meine Augen und löse mich mit einem Räuspern von Finn, stoße dabei gegen die Arme Peanut. Ich sehe erst zu der Hündin, bevor ich mich in Lolas Richtung drehe.
»Lola. Schön dich zu sehen.« gebe ich gekniffen von mir, während sich Enttäuschung in meinem Bauch breit macht. Hätten Finn und ich uns geküsst, wäre sie nicht gekommen?
»Ich habe dein Handy dabei und-« beginnt Lola, während sie stehen bleibt und Finn bemerkt. »Finn Moore.« stellt sie fest.
»Das ist mein Zeichen zu gehen. North, erhole dich gut. Am besten trinke viel Wasser, das spült den Körper nach solchen Aktionen gut durch« sagt Finn gequält. »Einen angenehmen Tag die Damen.«
Er hebt kurz die Hand und begibt sich erneut in die Richtung, aus der wir zuvor gekommen sind. Peanut dreht sich noch einmal zu mir , ehe sie ihrem Herrchen folgt.
»Habe ich was verpasst?« fragt Lola dümmlich. Ich schüttle meinen Kopf.
»Nein, hast du nicht.« erwidere ich. Immerhin war nichts zwischen Finn und mir passiert, bis auf den beinahe Kuss zwischen uns.
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