
𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟏
Dezember 2022
Leises Glocken läuten lässt mich zur roten Tür blicken. Der Eingang zu meinem Café North Star. Mit einem breiten Lächeln begrüße ich meinen neuen Kunden und Schauder, als mich der kalte Luftzug von draußen erreicht. Kanada war meiner Meinung nach im Winter wahnsinnig schön. Aber die Temperaturen? Niemand wollte freiwillig bei minus dreißig Grad raus. Zum Glück haben wir erst im Januar die niedrigsten Temperaturen, die Kanada normalerweise erreicht.
Den Rocky Mountains sei Dank.
»Was kann ich Ihnen heute anbieten?« Frage ich den älteren Herren, der sich den Schnee von Mantel klopft.
»Einen schwarzen Kaffee bitte. Und haben sie diesen köstlichen Apfel-Zimt-Kuchen da? Er ist einer meiner liebsten aus ihrem Café.« gibt der Mann seine Bestellung auf. Mein Lächeln wird breiter und ich weise mit meiner Hand auf die Auslage hin.
»Sie haben Glück, den Kuchen habe ich vor fünf Minuten aus dem Ofen geholt. Darf es sonst noch was sein?« Frage ich, was der Herr verneint. Ich rechne ihn ab und bitte diesen sich einen Platz zu suchen, ehe ich mich ans Kaffee brauen mache.
Es war noch recht früher Vormittag und somit nicht sonderlich viel los. Eine kleine Gruppe von Highschool Schülern sitzt in einer der Sitzecken, gebeugt über Hausaufgaben. Sonst war mein Café leer.
Während die Kaffeemaschine vor sich hin zischt, wippe ich mit den Hüften zum Takt der leisen Weihnachtsmusik, die ich heute Morgen angemacht habe. Es war schon seit Jahren mein Traum endlich ein Café zu eröffnen und vor exakt sechs Jahren hat sich dieser Traum erfüllt. Nun war das North Star eines der geheim Tipps in Lakestone Falls, obwohl es in den Saisons sehr wohl voll wird. Daher habe ich auch irgendwann angefangen, Schüler als Aushilfen einzustellen.
Das Café ist meine Herzensangelegenheit. Die sanften Brauntöne der Tische, Stühle und Sitzecken harmonieren perfekt zu den grünen Akzenten der Pflanzen oder der Deko, die ich hier stehen habe. Insgesamt erschließt sich das Café über zwei Etagen und ist recht kompakt. Die zweite Etage ist offen und wenn man am Geländer sitzt, kann man wunderbar auf die untere Etage blicken. Im Moment jedoch habe ich die zweite Etage geschlossen, da ich dort oben renoviere.
Mit dem fertigen Kaffee und dem Kuchen gehe ich zu dem Mann hin und stelle dieses vor ihm hin, ehe ich mich wieder hinter die Theke stelle. Meine Augen wandern durch das Innere und sofort beginnt mein Herz zu flattern. Vor einigen Tagen habe ich das ganze Café einen weihnachtlichen Hauch verpasst. Mein größte Freude war ein Tannenbaum, der links neben dem Eingang steht und durch seine Lichterketten und Lametta nur so leuchtet. Aber nicht nur dieser wurde aufgestellt, die Wände zieren ebenfalls einige Lichterketten und auf den Tischen stehen kleine Adventskränze.
Ich fahre über meine rote Schürze an meiner Taille, um diese zu glätten. Mein braunes Haar habe ich zu einem kleinen Dutt gebunden, aus welchen einige Strähne in mein Gesicht fallen. Wenn man mich so ansieht, könnte man meinen, ich sei nur eine Aushilfe. Weiße Bluse und schwarze Stoffhose bilden meine Arbeitsuniform. Am Arbeitsplatz habe ich immer schon wert darauf gelegt, leger auszusehen. In meiner Vergangenheit habe ich einige Kritik wegen meinen ugly Christmas Sweaters bekommen. Nun war es Tradition, dass ich diesen nur an Weihnachten im Café anhabe.
Ich beginne damit die Kaffeemaschine zu säubern und räume anschließend den Arbeitsbereich auf. Ein leises Piepen ertönt aus der Küche und ein kleines Kribbeln macht sich in meinem Bauch breit. Ich nehme das dreckige Geschirr, das ich gesammelt habe, und trage es in den hinteren Raum. Sofort umhüllt mich der Duft von Spekulatius, Zimt und Orangen. Aktuell arbeite ich an neuen Weihnachtskreationen, angefangen mit einem Orangen-Zimt-Kuchen, der eine Sahnefüllung mit einer Mandarinenfüllung hat. Solche verkaufe ich, um zu sehen, ob diese bei meinen Gästen gut ankommen.
Ich stelle das dreckige Geschirr an der Spüle ab und wische meine Hände sauber, ehe ich zum Backofen gehe und die Tür aufmache. Der frische Duft meines Biskuitboden erfüllt die Küche. Ich nehme zwei Handtücher und hole den Boden heraus, welchen ich auf die freie Arbeitsfläche neben dem Ofen stelle. Jetzt heißt es abkühlen und warten.
Derweil widme ich mich meinen Butterkeksen, die schon seit einer Weile abkühlen. Aus dem Kühlschrank hole ich meine vorbereiteten Spritzbeutel mit verschiedenfarbigem Icing. Meine Butterkekse waren zu der Weihnachtszeit einer der Verkaufsschlager schlechthin. Die bunten Motive, der saftige Teig und der vollmundige Geschmack. Alles Faktoren für das beste Geschmackserlebnis.
Ich beginne die Kekse zu verzieren mit den unterschiedlichsten Motiven. Bald schon hatte ich die ersten Schneemänner, Weihnachtsmänner oder kleinere Adventskränze. Gerade wollte ich auf einen der Kekse Let it Snow schreiben, als ich höre wie die Cafétür aufgeht. Ich lege den Spritzbeutel mit der schwarzen Creme zur Seite.
»North, wo bist du?« höre ich eine mir allzu gut bekannte Stimme, bevor ich wieder zur Theke gehe. Ein kleines Lachen entkommt mir.
»Warte, ich komme schon.« rufe ich zurück und verlasse meinen Arbeitsplatz in der Küche. Lola lehnt derweil schon an der Theke und sieht mich durch ihre grün-braunen Augen strahlend an.
»Ich habe den perfekten Plan für dieses Jahr!« beginnt sie auch schon, als ich in ihrer Sichtweite bin. Ich runzle meine Stirn und mein Grinsen wird breiter. Wir beide kennen uns schon seit über zwanzig Jahren. Damals in der Schule sind wir uns beide über den Weg gelaufen und wussten, wir beide gehören zusammen. Lola mit ihrer tollpatschigen Art und Weise, die immer Abenteuer oder Herausforderungen sucht, ist neben meiner Familie der Teil meines Herzen, den ich nie wieder hergeben will. Nicht zuletzt weil wir beide eine große Leidenschaft für die Weihnachtszeit teilen.
»Ich kenne dich nun über zwanzig Jahre meine Liebe, deine Pläne gehen seit Jahren nicht auf. Was willst du dieses Jahr anders machen, um die Theorie zu beweisen?« Frage ich belustigt und greife nach zwei Tassen, die ich unter die Kaffeemaschine stelle. Nach einem Knopfdruck bereite ich uns beiden einen Latte Macchiato zu.
»Dieses Jahr werde ich alles anders angehen. Angefangen mit meinen Erwartungen.«
»Deinen Erwartungen?«
»Genau. Dieses Jahr bin ich verrückt. Und zwar habe ich mir vorgenommen, dass mein Seelenverwandter derjenige sein wird, der als erstes durch diese Tür kommt.« verkündet Lola stolz und ihr Blick wandert von mir zu der Auslage. »Kann ich ein Stück dieses köstlichen Red Velvet Cakes bekommen?«
Ich schmunzle über Lolas Stimmungsschwankung und schiebe ihr erst den fertigen Kaffee zu, bevor ich einen Teller nehme und ein Stück des gewünschten Kuchens auf diesen platziere. Da ich meine beste Freundin kenne, häufe ich noch einen Klecks Sahne neben den Kuchen.
»Kommen wir nochmal zurück zu deinem Plan. Du willst wirklich den ersten Mann nehmen, der durch diese Tür kommt?« Frage ich nochmal nach.
»Natürlich, da liegt doch der ganze Spaß dran. Das Unbekannte, nicht zu wissen, welche Herausforderungen man sich stellen muss.« Lolas Augen beginnen zu leuchten, während sie mit ihren manikürten Fingern die Tasse umschließt. Ich erhasche einen Blick auf ihre Nägel und stelle fest, dass diese im selben Rotton leuchten wie ihr Mantel. Unbewusst verstecke ich meine Hände, da mir bewusst ist, wie ungepflegt diese doch sind.
Lola ist die Chefin des Lotus Spas in unserem Lakestone Hotel. Daher ist es auch keine Verwunderung, dass meine blonde Freundin immer wie aus einem Modekatalog aussieht.
Das Lakestone Hotel ist neben dem Starlight Château Resort eines der besten Hotels, welches Lakestone Falls bieten kann. Auch wenn es nur für Normalverdiener ausgelegt ist, besitzt es dennoch drei Sterne. Was für unsere Kleinstadt eine Menge bedeutet.
Von dem Starlight Château Resort hingegen kann ich nicht viel sagen. Meiner Meinung nach passt es nur gering zu dem Charme der Stadt. Es ist ein Luxushotel, das von Finn Moore geführt und verwaltet wird. Viele halten ihn für ein arrogantes Arschloch, dass keine Konkurrenz ertragen kann. Deswegen halten sich unsere Hotels auch sehr in Grenzen. Man hat die Wahl. Entweder Lakestone oder Starlight. Was anderes gibt es hier nicht.
»Du und das Unbekannte erkunden, dass willst du doch jedes Jahr machen.« sage ich zu meiner Freundin und nehme mir ebenfalls meine Tasse in die Hand, während ich meinen Blick durch das Café wandern lasse. Meinen Kunden geht es gut, da konnte ich mir eben auch einmal ein paar Minuten Pause gönnen.
»Aber jetzt meine ich es ernst, North. Dieses Jahr setzte ich alles auf eine Karte. Alles oder nichts. Das wird mein Mantra sein«, erwidert Lola überzeugt von ihrem Plan. »Du sollst auch einmal mit dem Kopf durch die Wand rennen. Vielleicht wird dein Wunsch ja auch wahr. Oh, stell dir einmal vor wir finden beide diese Weihnachten unsere zweite Hälfte.«
Verträumt seufzt die Blonde und nimmt einen Schluck von ihrem Kaffee. Ich sehe sie an. Ja, es wäre schön, jemanden an seiner Seite über Weihnachten zu haben. Aber hier einen Mann zu finden, der zu einem passt. Es ist ein Alptraum. Mit meinen fast dreißig Jahren, war es nicht sonderlich gut angesehen, noch Single und ohne Kinder zu sein. Selbst meine Mutter wird immer zynischer mit jeden neuen Jahr. Sie wünscht sich Enkel und endlich jemanden, der an meiner Seite ist. Nur leider konnte ich ihr diesen Wunsch bisher nicht erfüllen.
»Wie soll denn das Bitteschön klappen?« fange ich an. »Soll ich mich auch an den nächsten Typen heran machen, der durch die Tür kommt?«
»Warum nicht? Dann haben wir wenigstens etwas zu tun über die Weihnachtszeit«, meint Lola, als würden wir über die neusten Trends reden. »Weißt du was? Wir machen einen Deal. Wie schon gesagt, alles oder nichts. Die Männer, die als Nächstes durch diese Tür kommen, die werden wir uns Angeln.«
Lola wackelt herausfordernd mit ihren Augenbrauen. In mir zieht sich etwas zusammen. Ich bin niemand, der wie sie einfach mit dem Kopf durch die Wand rennt, aber dennoch scheint dieser Deal etwas Reizvolles an sich zu haben. Ohne noch weiter darüber nachzudenken, halte ich ihr meinen kleinen Finger hin.
»Deal.«
»Deal.« erwidert Lola.
Als hätte es das Schicksal so gewollt, schwingt in diesem Augenblick die Tür zum Café auf. Ich stelle meine Tasse hinter mir ab und sehe, wer den Raum betritt. Mein Bauch beginnt Tango zu tanzen, als ich in die wahrscheinlich attraktivsten Augen dieser Welt blicke. Ein Blau so tief wie das Meer und eine Kälte wie der Schnee, der gerade draußen liegt. Mein Mund wird trocken und meine Knie weich. Ich wende meinen Blick ab und sehe ein weiteres paar blaue Augen, die im Gegensatz zum ersten die Wärme eines Kamins ausstrahlen.
»Holly Shit.« haucht Lola vor mir und ich kann ihr nur stumm zustimmen. Vor uns stehen die Moore Brüder. Die wohl heißesten Singles von ganz Lakestone Falls.
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