8. Kapitel
Ich reiße überrascht die Augen auf, weiß nichts darauf zu sagen. Sein Blick sucht den meinen, brennt sich ein, hält ihn gefangen. So intensiv, so gefährlich. Er soll aufhören mich so anzusehen, dass ist nicht gut. Nicht erlaubt. Nicht ihm. ,,Ich? Wieso bin ich ein Grund dafür?", stammle ich perplex, versuche es zu verstehen, zu begreifen. Er kratzt sich am Hinterkopf, spannt seine Bauchmuskeln dabei unbewusst an. Sofort strömt das Blut kochend heiß in meine Wangen, lässt mich rasch einen Punkt über seinem Kopf an der Wand anstarren. ,,Egal. Du hast Recht. Lass uns das vergessen! Rebecca hat das nicht verdient", seufzt er, kommt näher an meine Matte und hält mir seine Hand hin. Ein wenig bin ich enttäuscht, denn ich hätte gern den wahren Grund gehört. ,,Also, nochmal von vorne? Ich bin Alex, Hey", grinst er mich schelmisch an, wartet darauf, dass ich seine Hand ergreife. Diese starre ich eine Sekunde an, nehme sie jedoch entgegen, bewirke somit immerhin, dass er Rebecca treu sein möchte.
,,Nora, nett dich kennenzulernen", lächle ich ein wenig nervös, spüre dennoch die Hitze, die sich in mir ausbreitet, als ich seine Hand ergreife. ,,Vielleicht sollten wir Rebecca trotzdem nicht erzählen, dass du hier bei mir Sport machst. Sie würde sonst dahinter kommen, wieso du dich gestern so seltsam verhalten hast", meint er, wobei ich ihm nur nickend zustimmen kann. Da hat er Recht. Sie würde nur misstrauisch werden. ,,Danke...Nora, dass...Ehrlich, danke dass du mir diese Chance gibst", bedankt Alex sich, hält noch immer meine Hand. Mit glühenden Wangen löse ich mich aus seinem Griff, hebe warnend den Zeigefinger ,,Lass es mich nicht bereuen!" Leicht zucken seine Mundwinkel und er senkt den Blick, meint jedoch: ,,Das wirst du nicht. Tut mir leid, aber ich habe gleich einen Kunden. Willst du nicht vielleicht morgen schon wieder kommen? Mir ist ein Kunde abgesprungen und da hätte ich wieder eine Stunde frei." Ich spüre zwar wie der Muskelkater tief in meinen Körper steckt, wie er jeden Muskel beansprucht, sage jedoch zu und verabschiede mich mit einem zögerlichen Händedruck.
Als ich Zuhause ankomme, rufe ich Rebecca an, will mich versichern, dass sie mir mein Verhalten vom Vorabend nicht übel nimmt. Doch ich erreiche nur ihre Mailbox, spreche ihr deshalb drauf. ,,Hey Beccs, du hast gestern nicht auf meine SMS geantwortet, ich hoffe du bist mir nicht böse. Wenn du das gehört hast, ruf mich zurück!" Seufzend lasse ich mich auf meiner Couch sinken, starre an die Decke. Wie soll ich nur so tun können, als wäre nichts gewesen, wenn er solch eine Wirkung auf mich hat? Mich mit einem einzigen Blick so dermaßen aus der Bahn wirft. Mich komplett außer Gefecht setzt.
Hastig stehe ich auf, laufe in die Küche um in meinen Kühlschrank zu sehen. Ich inspiziere dessen Inhalt, sehe, dass Einiges fehlt und schreibe mir einen Einkaufszettel. Mit diesem laufe ich in den Flur, schlüpfe hastig in meine Nikes und schnappe mir meinen Autoschlüssel. ,,Mama? Ich bins, soll ich dir etwas zu Essen mitbringen, ich fahre einmal einkaufen." Auf dem Weg zum Auto rufe ich meine Mutter an, klemme mir das Telefon zwischen Ohr und Schulter, öffne meinen Wagen und steige ein. ,,Oh, ja lieb das du fragst. Ich bräuchte tatsächlich etwas", ruft sie erfreut aus, nennt mir ein paar Dinge, die ich versuche mir zu merken und lege rasch auf, um beim Fahren nicht abgelenkt zu sein. Jedoch muss ich nicht mit meiner Mutter während des Fahrens telefonieren um abgelenkt zu sein. Es reicht ein einziger Gedanke an Alex...
In der Kaufhalle klappere ich meine Liste ab, schmeiße alles in den Einkaufskorb. Gerade als ich in die Getränkeabteilung einbiege kollidiert mein Einkaufswagen mit einem anderen. Mir entfährt ein erschrockener Laut und ich sehe in das ebenso erschrockene Gesicht Rebeccas. ,,Gott, Beccs, musstest du mich so erschrecken?", fange ich an zu lachen und sehe dass es ihr ähnlich geht. ,,Wie geht es dir?," erkundigt sie sich nach einer Umarmung bei mir, schiebt ihren Wagen beiseite, um Platz für die anderen Kunden zu machen.
,,Besser, mir hat einfach der Schlaf gefehlt", winke ich ab, stelle mich ebenfalls an den Rand. ,,Du, es tut mir leid, wegen gestern Abend. Ich hoffe du nimmst mir das wirklich nicht übel." ,,Ach Quatsch. Natürlich nicht. Dafür hatte ich doch Verständnis. Zuerst dachte ich, es sei wegen Alex", kichert sie, lässt mich anspannen. Scheiße. ,,Ich hatte Angst, du könntest vielleicht denken, nur weil er jetzt ist, dass ich dich deswegen vernachlässige." Gott sei Dank, hat sie nicht in eine andere Richtung gedacht. Rasch schüttle ich den Kopf ,,Nein, nein, es hat nichts mit Alex zu tun. Ich war einfach kaputt. Er scheint ganz nett zu sein", meine ich, fühle mich mies dabei. Richtiggehend schlecht. ,,Wieso hast du ihn mir denn nicht früher vorgestellt? ", schmolle ich, denn ich hätte dadurch einiges verhindern können.
,,Ich wollte mir einfach sicher sein, Nora...Ich weiß, ein Jahr ist echt ganz schön lang..." ,,Jaaaa, sehr lang. Ich meine, einen Monat, höchstens zwei, hätte ich verstanden, aber hast du denn so wenig vertrauen zu mir gehabt? Wie konntest du das solange aushalten? Ich wäre vor Aufregung geplatzt und hätte es jedem bereits unter die Nase gerieben", sage ich, komme ein wenig in Fahrt. Sie kichert nur und meint: ,,Komm, lass uns zu Ende einkaufen und dann einen Kaffee trinken gehen, ich werde dir alles erzählen."
Nachdem wir unseren Einkauf beendet haben, folgt sie mir zu meinem Wagen und lädt ihre zwei Tüten in meinen Kofferraum. Rebecca besitzt kein eigenes Auto. Als sie neben mir einsteigt, beobachte ich sie von der Seite. Sie ist schlank, schlanker als ich. Ihre blonden Haare hat sie heute zu einem hohen Zopf gebunden, aus dem sich bereits ein paar Strähnen lösen. Sie kaut sich nervös auf ihrer Unterlippe herum, während sie mich mit ihren blauen Augen entschuldigend mustert. ,,Fahr einfach zum McDrive, dort ist der Kaffee am besten", meint sie, deutet auf das große gelbe M, welches uns schon von weiten lockt. Ich rümpfe die Nase, denn ich mag keinen Kaffee, deshalb bestelle ich mir einen kleinen Kakao. Ich mag lediglich den Geruch von frisch gemahlenem Kaffee.
,,Schieß los!", fordere ich sie auf, nachdem ich meinen Wagen auf dem Parkplatz geparkt habe. Ich nippe an meinem Becher, drehe das Radio ein wenig leiser, aus dem soeben Final Countdown ertönt. Welch Ironie...
,,Also...ich habe nichts erzählt, da Alex und ich nicht durchgängig das gesamte Jahr zusammen gewesen sind. Kennengelernt schon, aber es gab viele Anfangsschwierigkeiten. Diese gingen teilweise von mir aus, da ich es ihm nicht wirklich einfach gemacht habe." Wie konnte sie mir das alles verheimlichen? Wie konnte ich das nicht mitbekommen? Die Gründe für diese sogenannten Anfangsschwierigkeiten kann ich mir bereits denken, sage jedoch nichts, höre einfach zu und lasse sie weiter erzählen.
,,Ich...gott, dass ist mir so unangenehm, aber...wir hatten bis jetzt noch kein einziges mal Sex...", seufzt sie und vergräbt, sichtbar beschämt, ihr Gesicht in ihren Händen. Ich verurteile sie dafür nicht, finde es nur ein wenig seltsam, wieso sie ihn nicht ran lässt. Was sind ihre Gründe dafür? ,,Aber wieso?" Wie kannst du dich da zurück halten?, denke ich mir, spreche es nicht aus. ,,Weil ich Angst habe, dass er nur darauf aus ist und außerdem bin ich streng katholisch erzogen worden. Keinen Sex vor der Ehe." ,,Beccs, er ist ein Kerl. Er muss seine Triebe ausleben können!", ziehe ich es ins Lächerliche, weiß nicht was ich erwidern soll. ,,Ich weiß, darüber haben wir uns auch schon oft gestritten, aber ich denke so langsam akzeptiert er es", lächelt sie mich von der Seite an und sofort nagt das schlechte Gewissen an mir. Zerfrisst mich von innen, rauscht wie Säure durch meine Adern. Am liebsten würde ich in Tränen ausbrechen, ihr alles erzählen, ihr die Wahrheit sagen, doch ich kann nicht. Nicht, nachdem Alex und ich ausgemacht haben, diese Geschichte zu vergessen...doch da habe ich noch nicht gewusst, was mich am nächsten Tag erwartet...
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