8. 🌻
Es gibt Tage, an denen man froh ist, aufgestanden zu sein.
Tage, an denen so viel Gutes passiert und so viel, wofür man dankbar sein kann, dass man sich abends im Bett innerlich dafür dankt, morgens aufgestanden zu sein.
Und dann gibt es Tage, die verlaufen einfach nur beschissen. Und jede einzelne Stunde fragt man sich wieder, wieso man nicht einfach im Bett geblieben und die Welt vor der Tür gelassen hat.
Heute ist einer dieser Tage.
Ich hasse ihn jetzt schon.
Und das einzig und allein wegen meinem tollen, neuen Nachbarn.
Eben dieser schaut gerade auf mich herunter, ohne jegliche Emotionen in seiner Miene.
Ich kann nicht einschätzen, ob er überrascht ist, mich zu sehen, oder ob er registriert, wie rot und verschwitzt ich aussehe, und auf meine Unsportlichkeit schließt. Ich kann nicht einmal mehr erahnen, ob ihm leid tut, dass ich hier vor ihm auf dem Boden liege, mit aufgeschrammten Ellenbogen.
Aus seiner Miene lässt sich nichts herauslesen, was mich wiederum irritiert.
Ein paar weiter Sekunden starre ich ihn einfach nur weiter an, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass er mir wohl nicht aufhelfen wird. Also stehe ich alleine auf – selbst ist die Frau.
Ich wäre gerne auf einer Augenhöhe mit ihm, um ihm so richtig meine Meinung zu sagen, aber ich kann ihn nur von unten anstarren, mit zusammengekniffenen Augen.
„Das tat weh“, sage ich dann. Verärgert registriere ich, dass ich noch immer atemlos klinge, und vermutlich genau so auch aussehe.
„Kann ich mir vorstellen. Du solltest besser aufpassen, wo du hinläufst.“, seine Stimme klingt belustigt und um seine Mundwinkel beginnt es zu zucken.
Empört reiße ich die Arme nach oben, und drehe sie so, dass Dion sieht, was er angerichtet hat.
„Entschuldigung, aber ich hab mich wegen dir verletzt, du Idiot! Wie wäre es mit einem kleinen ,Tut mir leid'?“
Dions Zucken um die Mundwinkel entwickelt sich langsam aber stetig zu einem Grinsen. Dieser Arsch findet das also lustig? Geht’s noch?
„Ich kann nichts dafür, dass du so tollpatschig bist.“
Ich schnappe nach Luft. Es klingt wie alles, was gerade aus meinem Mund kommt, atemlos, und schon eine Sekunde später ist es mir peinlich.
Wieso, liebes Leben? Wieso musst du mich in eine Diskussion mit Dion verwickeln, wenn ich gerade joggen war, und es sogar eigentlich noch bin?
Meine Arme brennen, und ich spüre, wie sich ein Blutstropfen löst und meinen rechten Arm hinunter rinnt.
Sinnvoll wäre es, jetzt nach Hause zu gehen und sich um sie zu kümmern. Aber dann würde ich Dion mit eingezogenen Schwanz das Feld überlassen, und das will ich nicht. Er soll sich entschuldigen, und dann ist alles gut, und ich kann gehen.
„Du blutest da“, stellt er fest und deutet auf meinen rechten Arm.
„Ach was, Sherlock!“
„Ja, ich wollte das nur anmerken. Könntest du jetzt aus dem Weg gehen? Ich will weiterjoggen.“
In seiner Stimme schwingt Belustigung mit und auch etwas, das sich vielleicht als Genervtheit identifizieren lässt.
Ich schüttele den Kopf.
Er will sich nicht einmal mehr entschuldigen. Was hat er denn bitte für Manieren? Gar keine? Es ist immerhin seine Schuld, dass ich hingeflogen hin.
Mit einem Seufzen lasse ich meine Arme wieder sinken.
Vermutlich werde ich nichts mehr aus ihm herausbekommen. Wie frustrierend. Aber vermutlich ist es sowieso besser, ihn jetzt einfach gehen zu lassen, und mich nach Hause zu flüchten, anstatt weiter mit ihm zu diskutieren. Meinen Sturz können wir sowieso nicht mehr ungeschehen machen. Und meine Ellenbogen versorgen sich nicht von selbst.
Ich trete also einen Schritt beiseite, um Dion weiterjoggen zu lassen. Soll er doch weiter seinen Spaß beim rumlaufen haben. Hoffentlich fällt er hin.
Am liebsten würde ich ihm ein Bein stellen, aber das würde vielleicht doch zu kindisch rüberkommen.
Mit einem Räuspern sehe ich ihn an.
Sein Gesicht ist zweifellos eines der schönsten Gesichter, die ich je gesehen habe. Wenn man von den Männern in Modemagazinen absieht, die sind noch einmal eine andere Liga.
Trotz – oder vielleicht gerade wegen dieser Schönheit will ich ihm eine reinhauen.
Ich war nie gewalttätig – und werde es hoffentlich auch nicht so bald sein –, aber Dions gegenwärtiges Verhalten lässt diesen Wunsch in mir hochkommen. Allerdings bin ich eine anständige, erwachsene Frau, die weiß, dass Gewalt keine Lösung ist. Zumindest rede ich mir das ein.
Mein neuer Nachbar kratzt sich kurz am Hinterkopf, dann wirft er mir noch einen undefinierbaren Blick zu und… joggt doch allen Ernstes weiter.
Ich dachte nicht, dass er wirklich so ein Arsch ist. Aber scheinbar ist er das.
Ich atme einmal tief durch.
Gut, damit kann ich leben. Es ist mir sogar ganz recht, wenn er sich wie ein Arsch benimmt. So stellt er absolut keine Gefahr für mein Keine-Jungs-Prinzip dar. Wobei die größere Gefahr da wohl eher Julian darstellt, immerhin sieht er gut aus und ist nett.
Mein Blick geht nach links, dann nach rechts und ich versuche abzuschätzen, welcher Weg der schnellste ist.
Vermutlich der, von dem ich gekommen bin. Allerdings joggt da gerade Dion entlang.
Dann muss wohl der andere Weg reichen, auch wenn er länger ist.
Der Weg nach Hause stellt sich als einer der schlimmsten Nach-Hause-Gänge heraus. Meine Arme brennen und bei jedem Passanten, der mir entgegen kommt, habe ich das Gefühl, dass er direkt auf meine Ellenbogen schaut. Noch dazu bin ich verschwitzt und rot, und sehe damit garantiert aus wie das Gegenteil einer Augenweide. Scheinbar wollen auch meine Beine nicht mehr laufen – jeder Schritt, den ich tue, fühlt sich unheimlich anstrengend an. Und ich habe Durst. Und der Weg ist zu lang. Und ich ärgere mich über Dion. Und nicht einmal mehr meine Lieblingsplaylist kann mich aufheitern.
Meine Laune ist absolut miserabel, als ich schließlich endlich meine Haustür erreiche.
Sichere zwanzig Minuten habe ich hierher gebraucht, allerdings hat es sich angefühlt wie zwanzig Stunden. Ich bete zu wem auch immer, dass ich meinen neuen Arsch-Nachbarn heute nicht mehr sehen werde. Es würde nämlich nicht gut für ihn enden.
Tatsächlich lege ich das grandiose Kunststück hin, ganze drei Mal das Schlüsselloch zu verfehlen, bevor die schwere Eisentür endlich aufspringt.
Ich habe keine Ahnung, was im Gehirn des Architekten vorgegangen sein muss, als er sich für diese Tür entschieden hat. Er muss wahnsinnig gewesen sein.
Im Treppenhaus ist es stickig wie immer, aber kühl.
Selbst jetzt beeile ich mich nicht sonderlich, zu meiner Wohnung zu kommen.
Dort drinnen warten die Lehrbücher, aber ehrlich gesagt habe ich heute keine Lust darauf. Ich weiß, dass ich trotzdem meine Nase in sie stecken werde, einfach weil ich nichts anderes zu tun habe, und weil ich weiß, dass es notwendig ist.
Trotzdem überkommt mich ein leichter Widerwillen an den Gedanken daran.
Mein neuer Nachbar scheint schon wieder hier zu sein, denn die Tür steht offen, und ich bezweifle, dass das das Werk von Einbrechern ist. Niemand kann diese elende Haustür aufbrechen, ohne Hulk zu sein.
Und selbst wenn, geschieht das diesem Mistkerl ganz recht. Sonderlich viel werden die Einbrecher vermutlich sowieso nicht holen können, der Typ ist ja noch nicht einmal richtig eingezogen.
Ich schüttele den Kopf und wende mich meiner Wohnungstür zu.
Dieses Mal schließe ich sie im ersten Versuch auf, und trete in meine Wohnung.
Das dunkle Laminat zieht sich durch alle Zimmer, bis auf das Bad, das große, weiße Fließen auf dem Boden hat. Auch meine Wände sind alle weiß, wobei sowohl die Küche, als auch das Bad einen hohen Fließenspiegel besitzen.
Ich lege meinen Schlüssel, mein Handy, die daran angeschlossenen Kopfhörer und den Ersatzhaargummi auf die Kommode, die im Flur steht, und auf der sich unzählige Sales-Heftchen und geöffnete Post türmen.
Ein Blick in den dekorativen Spiegel über der Kommode verrät mir, dass ich – wie immer, nachdem ich Sport gemacht habe – dringend duschen muss.
Also mache ich mich auf den Weg in das kühle Nass.
Danach werde ich meine Arme verarzten.
🌻🌻🌻
Ich: Sonnenblumen & Weidenkätzchen wird ca. jeden Samstag geupdatet
Ebenfalls ich: updatet zwei (oder mehr?) Wochen nicht
...
ja....
was soll ich sagen, upsi?
Naja, aber hier ist ein neues Kapitel ^^
Ehrlich gesagt habe ich nach wie vor keinen Plan, was ich mit Ruby, Dion und Julian mache, außer dieser einen mega verrückten Idee.
Könnte also rein theoretisch gut sein, dass sich das hier ein bisschen ziehen könnte, einfach weil... ich halt so bin oder so?
Ich hoffe, euch geht es allen gut!
Eure
Silveriury
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