1. 🌻
„Lache, lache, so viel du kannst, weine, weine, aber nicht lang. Lebe, lebe, die Welt ist so bunt, sterbe, sterbe, die Zeit ist um."
Dieses Lied sang mir mein Vater immer vor, als ich noch klein war.
Ich weiß noch, wie ich darauf bestand, es jeden Abend zu hören, seine Stimme in Verbindung mit dieser Melodie zu hören.
Diese Momente verbinde ich alle mit einem warmen, fröhlichen, einschmeichelnden Gefühl.
Dabei ist das Lied weder gut noch schlecht. Es kann sich scheinbar nicht für eine Seite entscheiden, und wählt deshalb die Mitte, erzählt vom Sterben und vom Leben.
Von den guten Dingen und den schlechten.
Ich glaube, deshalb mag ich das Lied noch immer. Weil es – anders wie die ganzen anderen fröhlichen Hopse-Lieder – nicht nur die fröhliche Osterhasen-Stimmung verkündet, sondern auch schlechtes aufzeigt.
Mum würde sagen, mein Vater hatte Geschmack.
Das sagt sie immer, als würde sie ihn noch lieben.
Als ich vier war, verließ Mum uns, und ich blieb zurück mit Dad.
Im Alter von zwölf fing ich dann an, Mum regelmäßig an den Wochenenden zu besuchen. Nach acht Jahren meinte sie plötzlich, sie würde mich auch gerne sehen wollen.
So baute ich eine Beziehung zu ihr auf. Allerdings eine Beziehung, die alles andere als die typische Mutter-Tochter-Beziehung war.
Die Beziehung zu meinem Dad war und ist eindeutig besser.
Mit ihm kann ich über alles reden.
Dad hat auch Mums Rolle eingenommen, als sie plötzlich weg war. Dinge, die man normalerweise mit der Mutter teilt, habe ich mit Dad geteilt.
Als ich das erstes Mal meine Tage hatte, hat Dad mich getröstet, als ich geheult habe. Meinen ersten Liebeskummer hat er mit Schokolade und Tee versüßt. Und auch, als ich meinen Abschluss gemacht habe, war er es, der da war, nicht Mum.
Sie ist damals auf irgendeiner wichtigen Reise gewesen, Singapur oder so, was weiß ich.
Und damit ist sie endgültig für mich gestorben.
Zwar ruft sie noch ein paar Mal an – Geburtstag, Weihnachten, Ostern – , aber ansonsten höre ich nichts von ihr.
Worüber ich ganz froh bin, sie konnte mir wirklich gestohlen bleiben.
Eine Mutter, die sich so oder so nicht um einen kümmert, ist in meinen Augen so gut wie nichts wert.
Als hätte sie das gehört, klingelt in genau diesem Moment das Telefon, und niemand anders als sie wird mir auf dem Display angezeigt.
Na super.
Ich habe jetzt gerade echt keine Lust mit ihr zu reden.
Der Grund, warum sie anruft ist, dass heute mein Geburtstag ist.
Vermutlich hat sie ganz zufällig natürlich vergessen, mir ein Geschenk zu besorgen.
Wie jedes Jahr.
Aber, ganz ehrlich, das ist mir egal.
Ich benötige kein Geschenk von ihr.
Ich habe das von Dad und das von Layla, meiner besten Freundin, die mittlerweile in Sydney lebt, und das reicht mir.
Trotzdem nehme ich ab.
„Ruby Phil hier, hallo.", melde ich mich, als wüsste ich nicht, wer da am Telefon ist.
Die schrille Stimme meiner Mum dringt durch den Hörer in mein Ohr und ich verzeihe gepeinigt das Gesicht.
Diese Stimme ist echt... die Hölle.
Wie ihre Teefreunde das jeden Mittwoch und Samstag aushalten, ist mir ein absolutes Rätsel. Ich muss diese Stimme nur drei bis vier Mal pro Jahr hören, aber die... die hören die Stimme meiner Mum ja gefühlt ständig.
Das würde ich nicht ertragen.
„Hallo, Mum.", sage ich so freundlich, wie nur möglich, in den Hörer und versuche mich an einem gezwungenen Lächeln, ohne daran zu denken, dass sie das gar nicht sehen kann. „Was gibt es?"
„Was es gibt?", kreischt sie und das gezwungene Lächeln rutscht wieder von meinem Gesicht und macht einer Grimasse platz.
Ihre Stimme nur so zu hören, ist ja schon die Hölle, aber wenn sie dann auch noch so kreischt, denkt man wirklich, das Trommelfeld platzt in der nächsten Sekunde.
„Du hast heute Geburtstag! Glückliche zwanzig Jahre! Happy Birthday! Ich habe leider vergessen, ein Geschenk zu besorgen. Ist das schlimm, Ruby?", kreischt sie weiter, und treibt mich damit fast in den Wahnsinn.
So wie jedes Jahr.
Seit zwei Jahren verlaufen unsere Anrufe so ziemlich in dieser Konstellation.
Sie, kreischend, irgendwo in Europa, und ich, gepeinigt auf der Couch sitzend, mir wünschend, das Gespräch wäre schon beendet.
Wie jedes Jahr antworte ich
„Nein, Mum, ist nicht schlimm. Einfach nächstes Jahr, oder?", und klinge dabei wie jemand, der eben versucht, freundlich zu klingen.
Während ich das sage, gehe ich schon die Wege durch, wie ich dieses Gespräch möglichst schnell beenden kann.
Ich könnte so tun, als würde Layla gerade anrufen, oder irgendwer anders.
Oder sagen, dass jemand gerade an der Tür klingelt, oder- Ding Dong.
Entgeistert horche ich auf.
Es hat doch nicht gerade wirklich an der Tür geklingelt, oder?
Mum kreischt mittlerweile, wie leid es ihr tut – nämlich gar nicht – und dass sie eine furchtbare Mutter ist – ja, ist sie. Ich höre nur noch mit halbem Ohr hin, während ich aufstehe und um meinen Wohnzimmertisch, auf dem meine Geschenke liegen, herumlaufe.
War das gerade Einbildung, Wunschdenken oder... oder hat da tatsächlich jemand geklingelt?
„Ruby, hörst du mir noch zu?", fragt Mum, aber ich ignoriere sie, weil in genau diesem Moment wieder die Klingel läutet.
Innerlich lache ich mir ins Fäustchen. Das ist die perfekte Ausrede, diesem Gespräch zu entkommen.
Und eigentlich ist es ja gar keine Ausrede, sondern die pure Wahrheit.
Da ist jemand an der Tür, und diesem jemand muss ich aufmachen, und deswegen kann ich leider, leider nicht mehr weiter mit Mum telefonieren.
Genau so sage ich es ihr auch.
Wie ich klingt sie nicht sonderlich enttäuscht, das Gespräch beenden zu müssen.
Wir verabschieden uns, und ich bin wirklich heilfroh, ihre Stimme keine Sekunde länger ertragen zu müssen.
Kaum habe ich aufgelegt, klingelt es schon wieder.
Wer das wohl sein mag?
Ich erwarte niemanden. Eigentlich.
Der Postbote war schon da, und ich bezweifle, dass Layla aus Sydney hier her gereist ist, oder Dad aus Oslo, wo er seit fünf Monaten lebt.
Dad ist ein Freigeist, genau wie Mum.
Beide reisen unheimlich gerne, und seit ich aus dem Haus bin, lebt Dad seine Reise-leidenschaft auch aus.
Er bleibt immer für ein halbes Jahr in einer Stadt oder an einem Ort. Dann ist der nächste Ort im nächsten Land dran.
Und immer so weiter.
Ich bekomme immer wieder Postkarten und Anrufe aus den verschiedensten Ländern.
Die Postkarten hänge ich alle an meinen Kühlschrank, und die Anrufe behalte ich in meinem Kopf.
Es klingelt noch einmal, und reißt mich damit aus meinen Gedanken.
Ich eile zur Tür und öffne diese.
Und was ich sehe, lässt meinen Atem einmal kurz stolpern.
🌻🌻🌻
Ich muss das überarbeiten, aber mach ich später nach der Schule, dann gibts auch (hoffentlich) den Rest.
Love you
Thanks for reading ❤
Silvy
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro