49. 𝑫𝒖 𝐛𝐢𝐬𝐭 𝐝𝐚𝐬 𝐏𝐫𝐨𝐛𝐥𝐞𝐦
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VOR EINEM JAHR NOCH habe ich sehr viel Wert darauf gelegt, dass ich so unauffällig wie nur möglich die Schulzeit hinter mich bringen kann. Ohne Drama, peinliche Eskapaden oder was auch immer ungewollte Aufmerksamkeit auf mich ziehen könnte. Nachdem ich aber aus Florida wiederkam, hat sich alles geändert. Vielleicht weil ich mich weiterentwickelt habe, mich selbst wieder anfing zu lieben und mit meinem Aussehen endlich wieder zufrieden war. Aber vielleicht, ja, vielleicht lag es auch viel eher an einem gewissen Kalifornier, der einfach alles auf den Kopf gestellt hat.
All meine Vorhaben bezüglich Jungs und Beziehungen, Alkohol, Partys und mehr für die Schule zu tun, war einfach dahin.
Fünf Tage sind nun seit dem Vorfall mit Tommy vergangen. Es war der erste Tag, an dem ich mich wieder in die Schule traute und das erste Mal, dass ich mich so richtig allein fühlte. Weder Robin, noch Tina waren da, mit Eddie teilte ich mir nicht einen einzigen Kurs und Steve bekam ich auch noch nicht zu Gesicht. Auch wenn ich mir nicht sicher war, ob ich das überhaupt wollte.
»Mrs. Harvey?« Gedankenverloren schnellte ich auf. Meine Lehrerin stemmte ihre Hände in die Hüften und strafte mich mit einem gereizten Blick, durch ihre tief sitzende Brille. Beschämt schluckte ich leise und machte mich automatisch in meinem Stuhl etwas kleiner, als ich merkte, dass fast alle ebenfalls zu mir schauten. »Können Sie bitte die letzte Aufgabe wiederholen?«
Zögerlich lehnte ich mich über mein Buch, nur um festzustellen, dass ich keine Ahnung hatte, wo wir überhaupt waren. Geschweige denn, ob ich überhaupt die richtige Seite aufgeschlagen habe.
Nach einem unangenehmen Moment, der sich wie eine Ewigkeit anfühlte, sah ich wieder zu ihr und presste meine Lippen aufeinander. Unter anderen Umständen, hätte ich wohl gelächelt und gelassener reagiert. Aber trotz genügend Schlaf, fühlte ich mich müde und gerädert. Alles, was ich wollte, war, mich zurück in mein Bett zu verkriechen. Am besten bis Weihnachten.
»Nun gut...« damit schlug sie ihr Buch auf ihr Pult vor sich und funkelte mich böse an. Alle zuckten bei dem lauten Knall zusammen und ich packte wohlwissend, was nun folgen würde, schon mal meine Tasche. »Dann können Sie den Unterricht ja auch verlassen, wenn Sie sowieso kein Interesse haben, ihm zu folgen.« In Gedanken äffte ich sie synchron nach, weil sie jeden rausschickte, der nicht aufpasst.
Als die Tür zum Klassenraum wieder ins Schloss fiel und das Getuschel verstummte, seufzte ich müde und fuhr mir mit meiner Hand durch die Haare. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich immer eine gute und gewissenhafte Schülerin war. Aber anhand meiner Noten, konnte ich ablesen, dass mein Zeugnis mit großer Wahrscheinlichkeit Scheiße wird. Womit ich das College dann vergessen könnte und weiterhin in Hawkins und bei Jessie festhängen würde. Bei dem Gedanken verzog ich mein Gesicht und hatte auf einmal unglaublich Lust auf eine Zigarette.
»Grace!«
Carol holte den Abstand zwischen uns mit schnellen Schritten auf, bis sie neben mir lief. Unwohlsein machte sich, wegen der Sache mit Tommy, in mir breit, trotzdem schenkte ich ihr ein dezentes Lächeln. Was sie allerdings nicht sonderlich erwiderte und mir sachte an den Oberarm griff, worauf ich stehen blieb.
»Ich hab das mit Tommy gehört.« murmelte sie bedrückt und wandte den Blick ab. »Es tut mir so leid, wirklich also, ich... Ich weiß nicht, was ich sagen soll, weil ich einfach so schockiert bin.« Traurig sah sie mir wieder in die Augen und ich wusste ebenfalls nicht, was ich darauf antworten sollte. Schließlich waren die beiden für eine lange Zeit ein Paar und Carol gehörte nie zu meinen engeren Freunden.
»Du kannst nichts dafür, du brauchst dich nicht schlecht fühlen.« Kurz zuckte ich mit den Schultern und versuchte ihr ein aufbauendes Lächeln zu schenken, aber so richtig klappen wollte das nicht. »Außerdem ist ja auch nichts passiert, jedenfalls nicht direkt.«
Sie schien wirklich erschüttert darüber, was ihr Ex-Freund getan hat und nickte gedankenverloren, mit dem Blick in die Ferne gerichtet. Auch als ich sie noch nicht mochte, fragte ich mich des Öfteren, wie man mit jemand wie Tommy zusammen sein kann, ohne durchzudrehen.
»Trotzdem Grace, was er dir angetan hat, ist unverzeihlich.« Erst da bemerkte ich, dass ihre Hand noch immer auf meinem Oberarm liegt und ihn leicht drückt, ehe sie zurückweicht und ihre Tasche greift. »Ich wollte dir nur sagen, dass wenn irgendwas sein sollte, du jederzeit zu mir kommen kannst. Als du die Tage nicht in der Schule warst, habe ich mir schon Sorgen gemacht. Nur ich hab Tina nicht erreicht, weil ich sie nach deiner Telefonnummer fragen wollte.«
Carol wirkte nicht, als würde sie mich anlügen oder irgendwas im Schilde führen. Dennoch war es seltsam für mich, solch netten und hilfsbereite Worte aus ihrem Mund zu hören. Die einzigen Dinge, die wir bisher zusammen unternommen haben, war auf irgendwelche Partys zu gehen und uns zu betrinken. Statt aber darauf groß zu antworten, nahm ich sie einfach in den Arm und atmete tief durch, während ich ein leises Danke murmelte. Ohne zu zögern, erwiderte sie die Umarmung und ein Gefühl sagte mir, dass vielleicht nicht nur mir die Geste gut tat.
KURZ NACHDEM CAROL wieder zurück in ihren Unterricht gegangen ist, verließ ich nach kurzem überlegen, spontan das Schulgebäude. Es stieß mir irgendwie übel auf, dass keiner meiner Freunde es für nötig hielt, den Unterricht zu besuchen und davon abgesehen, hielt ich es nicht mehr aus und wollte das endlich mit Steve klären. Auch wenn er sich in den letzten Monaten einiges zu Schulden kommen lassen hat, wollte ich ihm wenigstens die Wahrheit sagen. Die Zeit, in der wir so gut wie gar keinen Kontakt mehr hatten, vermisste ich ihn so sehr und das obwohl noch so viel zwischen uns stand. Und ausgerechnet dann, wenn wir uns wieder vertragen haben und es sich schon fast so anfühlte, wie früher, musste dieses bescheuerte Missverständnis aufkommen. Er hat es verdient, dass ich ihm wenigstens sage, was Sache ist. Damit er nicht denkt, dass es mir völlig egal ist, dass Billy ihn so angreift und ich trotzdem mit ihm mitgehe.
Unweigerlich drängten sich wieder die verletzenden Worte in meine Gedanken. Wie er mich mit diesem wütenden Lächeln angesehen hat und dabei so amüsiert äußerte, dass er Steve vor der ganzen Schule fertig gemacht hat und ich als Dank noch die Beine für ihn breit gemacht habe. Vielleicht bist du doch viel mehr Bitch, als du dachtest...
Auf dem Weg zu meinem Fahrrad fummelte ich in meiner Tasche rum und suchte nach den Schlüsseln von meinem Fahrradschloss. Da fiel mir ein, dass ich den Schlüsselbund noch in meinem Spind habe. Genervt drehte ich mich um und stieß prompt gegen jemanden. Erschrocken wich ich einen Schritt zurück, als ich mit aufgerissenen Augen in Tommys Gesicht sah und schluckte unweigerlich hart. Bevor ich aber die Flucht ergriff, tauchte Billy mit ernstem Gesichtsausdruck neben ihm auf.
Erst da fiel mir die blutige Lippe von Tommy ins Auge und sein geschwollenes Auge. Das wird mit Sicherheit blau sein. Verwundert darüber, Billy plötzlich wieder zu sehen, da er wie vom Erdboden verschlungen schien, zwang ich mich trotzdem wieder Freckleface anzuschauen. Er sah mich schon fast reumütig an und schien sichtlich mit den Worten zu hadern. Als Billy ihn kräftig in die Seite stieß, keuchte er leicht und stolperte zur Seite, ehe er sich hastig räusperte.
»I-Ich...« Tommy biss sich leicht auf die Lippe und sah mir traurig in die Augen. Unsicher verschränkte ich meine Arme vor der Brust und schluckte leise. Versuchte partout nicht zu Billy rüber zu luken. Was zum Henker soll das alles werden? »Ich wollte mich bei dir entschul–«
»Sag es!« Damit schlug Billy ihm auf den Hinterkopf und Tommy nickte nur verängstigt. Wobei er sich kleiner machte. Unter anderen Umständen hätte er mir wahrscheinlich leid getan und ich wäre dazwischen gegangen, doch ich schwieg und ließ es einfach geschehen. »Was wir besprochen haben! Du sollst dich nicht entschuldigen...« Warte, was?
Verwundert legte ich die Stirn in Falten, blieb aber trotzdem stumm und in sicheren Abstand von ihnen stehen. In dem Moment ließ mein Herz einen Schlag aus, als Billy mir tot in meine Augen blickte. Obwohl er allem Anschein nach das für mich tat, machte er mir dennoch Angst. Irgendwas stimmte nicht mit ihm. Ja, vielleicht weil er ein kaltherziges Arschloch ist?
»J-Ja... ach ja, stimmt...« Als Tommy umgehend vor mir auf die Knie ging, schaute ich ungläubig zu Billy, nur um festzustellen, dass dieser mich noch immer genauso anstarrte wie zuvor. »Ich wollte dir meinen tiefsten Dank aussprechen Grace.«
Verwirrt und auch unangenehm überfordert mit dieser wirklich befremdlichen Situation, schaute ich hinab zu dem Kerl vor mir. »D-Danke, dass du mich verprügelt hast, als wäre ich ein kleines Mädchen. Danke, dass du mir in die Eier getreten hast. I-Ich habe das wirklich verdient, weil ich eine erbärmliche Wurst bin.« Nein, du darfst jetzt nicht lachen. Wehe. Leise schluckte ich den Kloß in meinem Hals hinunter und schüttelte nur leicht den Kopf.
Ohne Billy nochmal anzuschauen oder auf irgendwas davon zu reagieren, drehte ich mich wieder um und ging einfach Richtung Bushaltestelle. Ich wollte nicht riskieren, in der Schule von einem Lehrer gesehen zu werden und wieder in den Unterricht zu müssen. Also laufe ich halt nach Loch Nora, wenn kein Bus kommt.
Auch wenn es eigentlich nur Tommy peinlich sein sollte, spürte ich trotzdem die Blicke von den vereinzelten Leuten auf mir, die das allesamt mitbekommen habe. Gosh, bitte lass die wenigstens nichts gehört haben.
Wobei erbärmliche Wurst eigentlich ganz zutreffend war.
»Was soll das werden?«
Kurz darauf hörte man sein Zippo, doch ich dachte gar nicht daran, mich zu ihm umzudrehen, damit er die Tränen in meinen Augen sehen kann. Vielleicht war es irgendwie auf seine verkorkste Art, Heldenhaft Tommy so bloßzustellen und ihn wissen zu lassen, dass ich nicht alleine bin. Aber es änderte nichts daran, dass er ein Arschloch ist und mich seine Worte vor ein paar Tagen, mich mehr als nur ein bisschen verletzt haben. Ich war mir nicht mehr sicher, wie lange ich dieses Spiel noch spielen konnte, bis es mich komplett zerstört hat. Denn so gut der Sex auch war und ich der Grund sein wollte, dass er sich ändert, so sicher war ich mir langsam, dass ich ihm nicht genug sein kann. Selbst wenn ich ihm alles geben würde.
»Was ist dein scheiß Problem?«
Damit drehte ich mich um und wollte ihn gerade anschreien und ihm am liebsten gleich noch eine reinhauen. Doch alles, was ich zu Stande brachte, war mit zittrigen Finger auf ihn zu zeigen, während Tränen meine Wangen runter liefen. Wow...
Billy zu schlagen, würde wohl das Letzte sein, was in dem Moment gut für mich wäre. Auch wenn ich nicht daran glauben wollte, dass er mir gegenüber handgreiflich werden würde. Ich wollte es auch nicht ausprobieren und mein Einschätzungsvermögen herausfordern.
Mit monotonen Zügen musterte er mich und nahm langsam seine Zigarette von seinen Lippen. Erst da fiel mir auf, wie geschunden seine Fingerknöchel waren und dass auch sein Gesicht nicht ganz unbeschädigt aussah.
»Du...« flüsterte ich nur ergeben als Antwort und wich seinem Blick aus, weil ich gar nicht erst sehen wollte, wie er darauf reagiert. Denn aus Erfahrung wagte ich zu behaupten, dass es mich mit großer Wahrscheinlichkeit verletzen würde. Als aber nichts von ihm kam, wandte ich mich, ohne weiter zu zögern, zum Gehen.
Hastig wischte ich mir die Tränen von meinen Wangen und lief Richtung Loch Nora, um mich der nächsten Herausforderung zu stellen. Gosh, reiß dich zusammen. Du hättest es doch von Anfang an wissen sollen, dass es bei ihm gar nicht gut enden kann. Trotzdem fühlte es sich an, als wäre mein Herz zerrissen.
Eigentlich dachte ich immer, dass meine Menschenkenntnis relativ gut ist. Und wenn ich zurück an den Abend in der Hütte dachte, an dem Tag, als das mit Tommy war. Dass ich etwas warmes, sanftes in diesen sonst so kalten Augen erkannt habe. Schon öfter teilten wir Momente, in denen ich merkte, dass Billy auch lustig und aufmerksam sein kann, wenn er sich sicher fühlt. Doch dieser Abend, dieser Abend fühlte sich an, als hätten wir ein anderes Level erreicht. Nur um dann wieder schmerzlichst zurückgestoßen zu werden, mit der Behauptung, dass alles, was ich dachte gesehen zu haben, nur Einbildung und Wunschdenken ist.
»Grace!«
Erschrocken zuckte ich zusammen, da ich nicht bemerkt habe, dass er mir gefolgt ist. Blieb aber nicht stehen, sondern ging weiter schnurstracks vom Schulgelände. Als ich bei der Straße ankam, drehte ich mich nochmal um, stellte aber fest, dass er nicht mehr hinter mir war und atmete erleichtert aus. Was denkt er sich auch? Ist es für ihn wirklich so normal, mit seinen Mitmenschen derart respektlosen und vernichtend umzugehen?
In solchen Momenten bereute ich es, meinen Kassettenrekorder nicht dabei zu haben, weshalb ich in Gedanken einfach Hot Stuff von Donna Summer vor mich hin summte und die einzelnen kleinen Äste vom Asphalt vor mir wegtrat. »Wanna share my love with a warm blooded lover... Wanna bring a wild man back home...«
Hinter mir kam ein Auto überdurchschnittlich, fast schon lebensmüde, schnell näher, woraufhin ich meine Körperhaltung straffte. Diesen Sound würde ich wahrscheinlich unter hunderten von Motoren wiedererkennen. Erstrecht wenn jemand so das Gaspedal misshandelt.
Als der blaue Camaro dann abrupt neben mir in die Eisen ging und Billy mich gereizt durch das Fenster ansah, zeigte ich ihm nur meinen Mittelfinger und lief stur weiter. Allerdings ein bisschen schneller als vorher. Sobald ich aber seine Autotür hörte, schluckte ich leise und schaute über meine Schulter zu ihm. Oh Shit. Billy stieg gerade aus seinem Wagen aus und schlug wutschnaubend seine Tür zu, ehe er mich gereizt ansah.
Erst da bemerkte ich, dass stehen geblieben bin, wie so ein dummes Reh, das von Scheinwerfern geblendet wird und mitten auf der Straße stagniert. Darauf wartend, umgenietet zu werden. Renn!
Noch bevor ich überhaupt losgerannt bin, konnte ich noch aus dem Blickwinkel sehen, wie Billy auch los sprintete. Panisch umgriff ich meine Tasche und rannte schneller, was gar nicht so einfach war mit der Umhängetasche und dem feuchten Laub auf dem nassen Asphalt. Hinter mir hörte ich, wie seine Schuhe immer näher hinter mir auf der Straße aufschlagen. Obwohl ich bis vor Kurzem noch nicht der Meinung war, dass er mir irgendwas tun würde, setzte eine Art Fluchtinstinkt ein und ich rannte, als würde mein Leben davon abhängen. Ich wäre ein erbärmliches Reh. Trotz des Vorsprung, kam ich kaum dreißig Meter, ehe seine Arme sich so fest um mich schlangen, dass er mir jegliche Luft aus den Lungen quetschte.
»Lass mich los!« presste ich atemlos hervor und versuchte mich aus seinen Armen zu winden. Doch Billy lachte nur atemlos, ehe er mich hochhob und sein Gesicht in meine Halsbeuge drückte und mir in meine dünne Haut biss. Wieder quietschte ich auf und fing an, wie ein Baby zu strampeln und meinen Kopf so zur Seite zu neigen, dass er sich von meinem Hals zurück zog.
»Ich meine es ernst, verdammt. Lass mich los!«
In der Sekunde, in der ich wieder auf der Straße stand und mich zu ihm umdrehen wollte, schmiss er mich schon über seine Schulter. Widerwillig machte ich mich steif, versuchte runterzukommen, doch er ließ es nicht zu und ging ohne ein Wort zu sagen wieder zurück zum Camaro. Hättest du nicht solche Hemmungen, ihm eine zu klatschen, wärst du jetzt frei.
Wütend stieß ich ihn gegen seine Brust, als er mich neben seinen Wagen und wagte es nicht, ihn anzugucken. Als er mir ans Kinn faste, stemmte ich meinen Kopf dagegen. Was er mit einem Schmunzeln kommentierte, ehe sich sein Griff verstärkte und er mich dazu zwang, ihn anzusehen. Mit Tränen in den Augen starrte ich ihn an und kämpfte darum, dass es nicht zu viele werden. Doch in dem Moment kullerten schon die ersten über meine Wange.
Bevor ich mir wieder einreden konnte, dass ich sowas wie Mitgefühl in seinen Augen erkenne, schloss ich sie einfach. Keine Sekunde später löste sich seine Hand von meinem Kinn und seine beiden Hände umgriffen mein Gesicht und wischten die Tränen weg. Ungläubig öffnete ich meine Augen wieder, da ich eher erwartet hätte, dass er sagt, ich soll nicht so eine Heulsuse sein oder etwas anderes Vernichtendes.
Das bedeutet gar nichts... Er benutzt dich nur, denk daran, was Eddie dir vorhin erzählt hat.
»Mein Vater kam in der Nacht in den Wald, als du schon geschlafen hast.« Seine Stimme war ungewohnt leise, fast so, als würde er Rücksicht nehmen wollen, was mehr als einfach nur untypisch für ihn ist. Billy seufzte schwer, während er mir tief in die Augen sah und weiterhin seine Hände an meinen Wangen hielt. Verwirrt, was er mir damit sagen will, sah ich ihn unsicher an, vielleicht auch eher misstrauisch. »Er war wütend auf mich, wie immer... Und ich hab's dann an dir ausgelassen.« Warte mal, soll das sowas wie eine Entschuldigung sein?
Damit stellte er sich wieder aufrechter hin und nahm seine Hände von meinen Wangen, ehe er zur Seite sah und tief Luft holte, fast schon, als würde er nach den richtigen Worten suchen.
Ich schluckte schwer, als ich verstand, was er mir damit sagen wollte. Mir kam schon öfter der Gedanke, dass Neil seinen Sohn, wohl nicht nur mit Worten, verletzte. Doch das beantwortete mir mit einem Mal sehr viele Fragen, die ich im Laufe der Zeit angesammelt habe. Entschuldigen tat es sein Verhalten trotzdem nicht, schließlich wollte ich nicht sein Wutball sein, den er herumschubsen kann.
»O-Okay?« flüsterte ich und sah ihn fragend an, während ich meine Arme unbehaglich um mich wickelte. »Und dann hat er dir gesagt, dass du mich wie Dreck behandeln musst und zwei Tage später Lisa aus deinem Biokurs bumsen sollst?« Diesmal sah er mich eher überrascht an, bevor er aber kurz nickte und auf seine geschundenen Hände schaute. Er streitet es noch nicht mal ab. Verletzt und fassungslos stieß ich die Luft aus und schüttelte den Kopf. Während ich heulend Zuhause saß..., nein, das tust du dir jetzt nicht an, lass es.
»Nein... Hat er nicht.« murrte er, während er sich eine Zigarette anzündete und mich wieder anschaute. »Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun. Wir–«
Wütend warf ich meine Hand hoch und schnitt ihm das Wort ab. »Ja, Billy... Wir haben darüber geredet, fick dich trotzdem!« schrie ich und fühlte mich so frustriert, dass ich eigentlich kein Recht hatte, wütend auf ihn zu sein.
»W-Während ich Zuhause hing und mich so unglaublich beschissen gefühlt habe, hast du nichts anderes zu tun... als... Als WAS? Spaß zu haben? Weil du nicht genug hast?« Dieses Mal versuchte ich gar nicht erst die Tränen oder meine Wut zurückzuhalten und schlug ihm gegen die Brust. Du bist ihm nicht genug, egal wie viel du ihm gibst...
Ohne auch nur einen Mucks von sich zu geben, sah er mich an, während ich ihm immer wieder weinend gegen seine Brust schlug. Fast schon ungläubig, dass es mich so sehr verletzte, ließ er es einfach über sich ergehen.
Noch immer schluchzend, wich ich schließlich zurück, versuchte mich zu beruhigen und wischte mir die Tränen und die Rotze vom Gesicht. Du musst es beenden, bevor es dich beendet.
Der rationale Teil in mir, wusste die ganze Zeit, dass es naives Wunschdenken ist, zu glauben, dass jemand wie Billy loyal ist.
Erstrecht in so einer Beziehung, die wir hatten. Aber es mit Sicherheit zu wissen, tat in Anbetracht meiner Gefühle nicht weniger weh, als wenn wir in einer richtigen Beziehung wären.
»Du weißt, dass ich mit keiner dieser Schlampen, so bin wie mit dir.« Damit griff er mir an meinen Arm, wieder drehte ich mich zu ihm um, aber schüttelte nur schwach meinen Kopf. Meint er das gerade Ernst?
»Ich habe dir von Anfang an klar gemacht, wie das zwischen uns laufen wird, Sweetheart. Und ich habe dich auch nie angelogen.«
Zögerlich zog ich meinen Arm langsam aus seinem Griff und nickte nur kurz. Unwissend, was ich sonst darauf antworten konnte. Vielleicht sagte er die Wahrheit, aber das änderte nichts daran, dass es sich schrecklich für mich anfühlte, nichts weiter als eine Freundin zu sein, die er ficken kann, wann immer es ihn beliebt, ihr aber ansonsten gar nichts schuldig ist.
Scheiße, er konnte ja nicht mal nett zu mir sein. Jedenfalls zu oft nicht. Was kann ich schließlich dafür, wenn sein arschiger Vater ihn wie Dreck behandelt? Statt seine frustrierten Emotionen danach an mir auszulassen, hätte er auch einfach mit mir reden können. Wie normale Menschen das halt für gewöhnlich tun. Doch alles was er tat, war seine Wut an mir danach auszulassen.
Oder eher an jeden Menschen der gerade in seiner Reichweite zu dem Moment ist. Und ich war mir nicht sicher, ob ich das weiterhin für nicht mehr als Sex in Kauf nehmen wollte. Nein willst du nicht, geh.
»Wenn du mich nie angelogen hast...« Ich dachte kurz darüber nach, ob ich das wirklich aussprechen soll und holte tief Luft, ehe ich zu ihm aufsah und traurig lächelte. »Dann macht es ja keinen Unterschied, wenn ich Nervensäge einfach fern bleibe. Weil wir und ja sowieso nie nahe waren und du noch nicht mal zwei Tage brauchst, um die Nächste zu finden die mit dir ins Bett springt.«
Geschockt quiekte ich vor Schreck wie ein Meerschweinchen, als er mich gegen die Autotür mit seinem Körper drückte und seine Lippen einfach auf meine drückte. Ohne den Kuss zu erwidern, starrte ich ihn einfach argwöhnisch an. Da reicht ein einfacher Kuss nicht mehr...
Sein Gesicht war so nahe, dass ich seinen warmen Atem spüren konnte und auch wenn er es nicht aussprach, konnte ich die Entschuldigung sehen. Ja, ich vergebe dir, Billy.
Doch das änderte nichts an meiner Entscheidung, dass ich das, was auch immer es sein mag, nicht mehr weitermachen konnte. Ohne ein Wort zu sagen, wich er zurück und nickte stumm.
Noch immer an die Tür gelehnt, wich ich seinen blauen Augen aus, damit ich nicht wieder auf dumme Gedanken kam.
Erst als er sich in Bewegung setzte und zur Fahrerseite ging, stellte ich mich auch wieder richtig hin und schulterte meine Tasche erneut.
»Steig ein...« verwundert schaute ich zu ihm und wollte gerade patzig fragen, ob das sein Ernst ist. Da öffnete er seine Autotür und winkte genervt ab.
»Ich fahr dich einfach nach Hause, dann lass ich dich in Ruhe.« Damit stieg er ein und schlug die Tür hinter sich zu.
⋆✩☽𖤓⋆
Hello Partypeople,
ich hoffe euch hat das Kapitel gefallen! ☺️
Eigentlich wollte ich das gestern schon hochladen, aber die Überarbeitung hat so lange gedauert, dass ich dachte es wäre zu spät. 🥲
Langsam neigt es sich dem Ende zu und ich versuche auch, dass so gut es geht schon zu vermitteln. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob das auch klappt. Mal schauen. 😅
Noch eine Handvoll, dann ist es hier zu Ende.
Kann's noch gar nicht glauben. 🥺❤️
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