48. 𝐃𝐞𝐫 𝐀𝐥𝐛𝐭𝐫𝐚𝐮𝐦 𝐚𝐥𝐥𝐞𝐫 𝐕𝐚̈𝐭𝐞𝐫
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MIT SCHWEREN AUGENLIDERN, versuchte ich mich ebenfalls auf die einsame Straße vor uns zu konzentrieren, welche mit sachten Nebelschwaden bedeckt war. Doch selbst mein Kopf fühlte sich um die Uhrzeit zu schwer, um ihn selbst halten zu können, weshalb ich ihn einfach an die kalte Fensterscheibe neben mir lehnte. Obwohl es unvorteilhaft und alles andere als bequem war, weil ich dadurch jede noch so kleine Bodenwelle spüren konnte.
Rick wusste zwar, mit wem ich den Abend verbrachte oder eher die Nacht, doch konnte ich mir nicht sicher sein, was er davon halten würde, wenn ich um fast zwei Uhr nachts plötzlich nach Hause komme. Mitten in der Woche.
Inzwischen hat er aufgehört unangenehme Fragen zu stellen, ob wir nun ein Paar sind oder nicht. Vielleicht hat Janice auch mit ihm gesprochen... Aber ich hielt es für wahrscheinlicher, dass er es sich schon denken konnte und Billy nur nicht erwürgt, weil er weiß, dass ich ihm das übel nehmen würde.
So sehr Billy auch eine gewisse Wirkung auf das weibliche Geschlecht haben mag, mit seinen berechnenden kalten Augen und dem schelmischen Hollywoodlächeln. Lag es auf der Hand, dass dies nicht spurlos an den Männern vorbei ging. Schlichtweg verkörperte er den Fleisch gewordenen Albtraum eines jeden Vaters, der eine Tochter in meinem Alter hat.
Wieso, muss ich wohl niemanden erklären.
Natürlich machte Rick keine Anstalten, ihn zu belehren oder mir irgendwas zu verbieten. Schließlich hat er an seiner Schwester hautnah miterlebt, wie das ausgehen könnte und er wahrscheinlich davor Angst hatte, ich könnte mich verschließen und von ihm distanzieren.
Auch wenn ich mich nicht mit meiner Mutter vergleichen wollte, musste ich zugeben, dass ich mir wohl auch eher nicht den Kontakt verbieten lassen würde, sondern es dann einfach heimlich gemacht hätte.
Und weil mein Onkel das wusste, spielte er den coolen Dad und ließ mich meine Erfahrung machen. Was in vielerlei Augen schlichtweg unbegreiflich war, rechnete ich ihm hoch an. Immerhin wusste er zu neunzig Prozent, wo ich war, mit wem ich war und wir vertrauten uns einander. Denn das war der springende Punkt, den all meine Freunde, nicht von sich und ihren Eltern behaupten konnten. Als Billy unsere innige vertraute Bindung das erste Mal miterlebte, wirkte er reserviert und nachdenklich. Wundern tat es mich natürlich nicht, schließlich durfte ich seinen Vater und deren unangenehmes Verhältnis zueinander schon öfter bewundern. Neil war wohl einer dieser Menschen, die man weder als Feind, noch als Vater haben wollte.
Vor ein paar Stunden noch, bevor ich eingeschlafen bin, wirkte Billy wirklich so, als hätte sich Etwas zwischen uns verändert. Anders als sowieso schon, in der letzten Zeit. Viel mehr etwas Grundlegendes, wie als würde er seine Maske ablegen, die mir immer suggeriert, dass ich keine Hoffnung haben soll. Mehr für ihn sein zu können. Mehr als nur ein Mensch den er in seiner Nähe toleriert, mehr als nur unverbindlicher Sex.
Nachdem er mich aber ungewohnt disziplinarisch geweckt hat, in dem er mir einfach die Bettdecke wegriss und mir in der selben Sekunde schon meine Anziehsachen in die Hände drückte. Ebenfalls kam nicht mehr, als ein rigoroses »Komm, ich fahr dich nach Hause.« wonach er das Schlafzimmer wieder verließ und mich verwirrt und gerädert im Bett sitzen ließ.
Viel zu schlaftrunken, um nach dem Grund zu fragen, zog ich mich im Halbschlaf an und stiefelte frierend hinter ihm her, zu seinem Wagen. Es wirkte, als würde er bereuen, mir so nahe gekommen zu sein. Rein emotional gesehen.
Fast jedes Mal, wenn wir uns – in welcher Form auch immer – näher kamen, mied er mich danach regelrecht. Egal ob wir über seine eher problematische Beziehung zwischen ihm und seinen Vater sprachen, die eher spartanisch, statt liebevoll war. Oder er mir das eine Mal, über seine Mutter erzählte, die ihn auf Grund ihrer Drogenprobleme verlassen hat. Selbst zu seiner Stiefschwester Max, hat er mal ein besseres Verhältnis gehabt. Doch auch von ihr distanzierte er sich soweit es nur ging, bis auch sie aufgab und Abstand hielt. Was du vielleicht auch in Betracht ziehen solltest...
Dieses Mal fühlte es sich dennoch anders an, als die Male davor. Denn ich hätte schwören können, dass ich in seinen Auge etwas Fremdes sehen konnte. Ungewohnte Wärme, Sanftmut oder so Etwas wie Liebe, wenn auch in Form von Mitgefühl. Oder du wolltest es sehen und eigentlich war es so etwas wie eine Fata Morgana, weil du Liebesdurst hast und komplett ein an der Waffel hast.
Ein leises Seufzen verließ meine Kehle, dicht gefolgt von einem ausgiebigen Gähnen. Ich musste eigentlich gar nicht zu ihm schauen, um zu wissen, dass er angespannt auf die Straße vor sich stierte. Denn die Schwingungen waren so niedrig und sprachen für sich, man konnte die Luft förmlich zerschneiden.
»Was hast du?« murmelte ich und durchbrach damit das Schweigen. Ich kuschelte mich weiter in seine Lederjacke, die über mir, wie eine schwere Decke lag. Die nach ihm und seinen Zigaretten roch. Auch wenn er kein Mann der gefühlvollen Worte sein mag, zeigte er dennoch auf seine Art Fürsorge. Man musste nur auf die kleinen Gesten achten. Egal ob er es nicht zu ließ, dass ich irgendwohin alleine nachts hinlief, er mir seine Jacke wie selbstverständlich gab, wenn es kühl wurde oder er wütend wurde, wenn ich mir auch nur ein Wasser, von meinem Geld kaufen wollte. Es waren wohl die kleinen Dinge, mit denen er mir zeigte, dass ich nicht wertlos oder mein Wohlbefinden im egal ist. Und was soll ich sagen? Daran hielt ich fest. Krampfhaft.
Erst nach ein paar Sekunden ohne Antwort, schaute ich fragend zu ihm rüber, worauf ich unweigerlich bedrückt lächelte. Billy saß genau so hinterm Steuer, wie ich es erwartet habe. Er bereut es. Er bereut dich. Und du darfst es ihm nichtmal übel nehmen, weil ihr darüber gesprochen habt, dass alle Gefühle die über Freundschaft hinaus gehen, tabu sind.
Warum fühlte es sich an, als hätte ich eine Grenze überschritten? Vielleicht weil ich genau das getan habe, als ich aus Trauer und Schmerz heraus, unbedacht emotional gehandelt und geredet habe. Denn selbst wenn er mich immer damit neckte und mich schon früh durchschaut hat, ich habe es ihm nie gesagt. Ich traute mich nicht, es auszusprechen oder habe es besser gesagt, nicht gewagt es auszusprechen. Nun fühlte es sich nach einem bedauerlichen Fehler an, das ohnehin Offensichtliche benannt zu haben.
»Nichts.« War die einzige monotone Antwort, die ich schließlich bekam. Ohne mich auch nur für eine verdammte Sekunde anzuschauen. Wow. Das sah so gar nicht nach 'Nichts' aus.
Verbittert stieß ich nur die Luft aus und lehnte meinen Kopf wieder an die kalte Scheibe neben mir. Mein Leben fühlte sich an, als würde ich in eine Art Trancezustand hängen. Nicht, weil immer das Selbe passierte, sondern viel eher, weil es sich anfühlte als würde ich nicht voran kommen, egal was ich auch versuchte. Es wirkte irreal und bedrückend. Wie eine Art Zwischenphase, in der ich hingehalten werde, bis Etwas passiert. Die Frage ist nur, was?
»Du brauchst jetzt gar nicht so seufzen.« Dieses Mal klang seine Stimme zwar gereizt, aber irgendwie gefiel es mir immer noch besser, als dieses desinteressierte Monotone. Wissend, dass er es sowieso nicht sehen konnte, verdrehte ich stumm meine Augen und sah weiterhin auf den dunklen Highway vor uns, der umgeben von Bäumen gruselig erschien. »Ich hab einfach keinen Bock, dich morgen früh vor der Schule nachhause zu fahren, dann Max abzuholen, um sie zur Schule zu bringen und dich bestenfalls auch vorher wieder abzuholen. Ich bin kein verdammtes Taxi.«
Zugegeben habe ich gar nicht daran gedacht, dass er dazu verdonnert ist seine kleine Stiefschwester überall hin zu chauffieren und er deshalb morgen früh noch zu sich fahren muss. Trotzdem glaubte ich es ihm nicht. Wollte aber auch keine Diskussion provozieren, erstrecht nicht um diese Uhrzeit und nach so einem Tag.
Von dem gleichmäßigen tiefen Geräuschen seines Motors und dem Schwanken, fielen mir wieder ungehalten die Augen zu. Auch wenn mein Kopf voller Gedanken von dem Sex, der Sache mit Tommy und auch Steve war, der mit Sicherheit mehr als nur ein bisschen verärgert sein wird. Wozu er auch jegliches Recht besaß, dem war ich mir im Klaren.
Konnte mein Körper langsam nicht mal mehr genug Energie dafür aufbringen, meine Augen offen zu halten, alles was ich wollte, war zehn Stunden Schlaf und meine Wärmflasche. Erst als ein wütendes »Fuck« von Billys Seite kam, gefolgt von dem Betätigen der Bremse, raffte ich mich wieder auf.
Keine fünfzig Meter vor uns stand die Polizei mit Blaulicht und versperrte die Straße.
Um Einiges wacher, setzte ich mich eilig aufrichtig hin. Das grelle blaue Licht der Polizeisirene, war kaum zu ertragen.
Als ich aber Hoppers breite Silhouette, neben dem Wagen mitten auf der Straße, erkannte, atmete ich erleichtert auf und schaute flüchtig zu Billy. Mit gereizten Blick und aufeinander gepressten Lippen, fummelte er sein Portmonee aus der Jacke heraus, während wir direkt neben Jim zum Stehen kamen.
Nachdem er fündig geworden ist, legte er seine Jacke wieder über meine Beine und schaute kurz zu mir auf. Auch wenn er mein müdes Lächeln nicht erwiderte, wirkten seine Augen für einen kleinen Moment, weniger kühl.
Ehe er sich zu seinem runterfahrenden Fenster wandte und der Chief sich schon runter beugte, um mir prompt mit seiner Taschenlampe ins Gesicht zu leuchten. Aus Reflex kniff ich die Augen zusammen und hielt die Hand vor den Lichtpegel.
»Grace?« sichtlich verwundert, legte sich seine Stirn in Falten, als er die Taschenlampe senkte und von mir, direkt vor sich, zu Billy sah. Mit einem eher entschuldigenden Lächeln, gab ich ihm einen kleinen Wink und presste die Lippen aufeinander. Unangenehm. »Was treibt ihr um die Uhrzeit hier, Kiddo?«
Da ich mich das Gleiche auch fragte, überlegte ich kurz. Doch Hopper nickte wohlwissend, mit düsteren Blick an Billy gerichtet, von dem er schweigend den Führerschein entgegen nahm und sich seinen braunen Hut wieder aufsetze.
»Hargrove...« murmelte er leise zu sich selbst, während er das Dokument beäugte. Sein Kollege stieg nun ebenfalls aus dem Polizeiwagen, mit einem kleinem Koffer in der Hand, kam er auf uns zu. Seine Gesichtszüge wirkten ernst, als er zügig auf uns zu stiefelte . Doch Hopper hob kurz beschwichtigend die Hand, woraufhin sein Kollege sich die Brille richtete, ihn verwirrt anschaute und die Schultern spannte.
»Ist okay.« Damit übergab er Billy den Führerschein wieder und lehnte sich in das Fenster. Wissend, was dieser demonstrative Blick bedeutete, war ich froh, dass man in der Dunkelheit meine Röte nicht erkennen konnte. Natürlich wusste er genau, was wir hier trieben.
Schließlich wusste ich von den wilden Zeiten, die Jim und Rick in der High School zusammen erlebten. Von daher wusste er genau, dass wir nicht mitten in der Nacht zusammen Algebra gelernt haben. Und ich hoffte einfach, er würde Erbarmen haben und keinen unangenehmen Dad-Move abziehen.
»Ich hab dir doch Etwas dazu gesagt, bezüglich dem Nachts unterwegs sein.« Dabei blickte er mir mit Nachdruck in die Augen. Verwundert pferchte ich die Augenbrauen zusammen und legte meinen Kopf schräg. Schließlich war Nicole's Mord nun schon um die einen Monat her und das Leben in Hawkins ging weiter. So sehr alle darauf bedacht waren, die erste Zeit aufeinander zu achten und vermieden, abends alleine das Haus zu verlassen. So etablierte sich langsam wieder der gewohnte Alltag und das Sicherheitsgefühl. Immerhin war Hawkins nichts weiter, als eine langweilige Kleinstadt, in der noch nie Etwas schlimmes passierte.
Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, welches aber leicht verblasste, als sein Blick kurz wieder zu Billy wanderte. »Aber ich sehe schon, dass du ja scheinbar jemanden hast, der auf dich aufpasst.« Damit nickte Hopper ihm pragmatisch zu.
Nachdem Billy den ersten Zug von seiner Zigarette nahm, schenkte er dem hochgewachsenen Polizisten ein aufgeschlossenes Zahnpastalächeln und nickte, ehe er flüchtig zu mir rüberschaute. »Immer, Chief. Wie auf meinen verdammten Augapfel.« Verwundert über dieses unübliche Lächeln und den galanten Ton, behielt ich dennoch mein Pokerface bei und konnte erkennen, wie sich Hoppers Gesichtszüge ein wenig entspannten. Wahrscheinlich hat er selbst auch nicht mit einer solchen Reaktion von dem jungen Mann gerechnet, der optisch alle Kriterien für väterliche Albträume, erfüllte.
»Ach Hopper, mach dir keine Sorgen.« ich schenkte ihm mein süßestes Lächeln und versuchte mir nicht anmerken zu lassen, wie unglaublich müde ich war. Geschweige denn von dem inneren Gefühlschaos, dass in mir herrschte wie ein Hurricane. »Ich kann mich ja schlecht für immer Zuhause einsperren.«
Mit einem ergebenen Seufzen nickte er, als er sich ebenfalls eine Zigarette zwischen die Lippen legte und kurz zu seinem Wagen schaute, auf dem noch immer das Blaulicht blinkte. Stumm bot Billy ihm sein Zippo an, welches Hopper mit einem kurzen Nicken entgegen nahm und seine Zigarette anzündete.
»Ich weiß doch Gracie, aber bis das nicht geklärt ist, will ich meine Schäfchen in Sicherheit wissen. Außerdem habt ihr Zwei morgen doch bestimmt Schule, woher kommt ihr also gerade, zu so später Stunde?« Da ich mich vor ein paar Minuten, noch das Selbe gefragt habe, überlegte ich kurz, doch bevor ich zu Wort kommen konnte, räusperte Billy sich leise, ehe der Qualm zwischen seinen Lippen empor stieg.
»Aus der Cherry Lane, Sir.« mit einem Lächeln, schaute er kurz zu mir rüber. Was ich ihm gleichtat, auch wenn es mich regelrecht schockierte, wie unglaublich begabt er lügen konnte. »Meine Familie und ich wohnen dort, in der selben Straße wie Grace mit ihrem Onkel wohnte. Wir sind versehentlich eingeschlafen, Grace hat aber keinerlei Schul oder Wechselsachen dabei.« Ich weiß nicht was mich in dem Moment nervöser machte. Die Tatsache, dass Billy lügen konnte, als hätte er einen akademischen Abschluss darin oder weil Hopper währenddessen, lediglich mich mit eindringlichen Augen beäugte.
»Dann will ich euch nicht weiter aufhalten.« Damit schenkte mir der Polizeichef ein warmes Lächeln, klopfte zweimal aufs Dach und trat einen Schritt zurück. »Grüß Rick von mir.«
Mit eingefroren freundlicher Miene, schaltete Billy in den ersten Gang und fuhr los, dieses Mal ohne die Reifen auf dem feuchten Asphalt durchdrehen zu lassen.
SCHWEIGSAM LEHNTE ICH MICH WIEDER ZURÜCK in den Sitz und schaute auf die dunkle, wieder verlassene Straße. Kaum waren wir außer Sicht schnipste er seine Zigarette aus dem Fenster, welches kurz darauf hochfuhr.
Wo eben noch heuchlerische Freundlichkeit, lag nun wieder sein gewohnt monotoner Ausdruck. Mit einem Hauch von Wut, die man aber nur fade erkennen konnte, wenn man genau darauf achtet oder ihn kennt.
Also wandte ich meinen Blick von seinem wohlproportionierten Seitenprofil und kuschelte mich wieder in seine Jacke, an die Tür gelehnt.
»Danke für heute.« flüsterte ich, ohne ihn anzusehen und seufzte leise, als ich meinen Kopf wieder an die Scheibe lehnte. Im Augenwinkel konnte ich erkennen, wie er kurz zu mir blickte, woraufhin ich leicht lächelte. Alles was ich wollte, war wieder die Version von ihm aus der Hütte. Die entspannte und achtsame Version. »Ich meine damit –«
Verwundert darüber, dass er zynisch unterdrückt auflachte und den Kopf ungläubig schüttelte, sah ich ihn wieder an. Kurz darauf spannte der Brünette seinen Kiefer merklich an, während das falsche Lächeln auf seinen Lippen allmählich verblasste und die gut versteckte Wut, ihr Gesicht zeigte. »Dass ich dich gefickt habe, nachdem ich King Steve vor der ganzen Schule fertig gemacht habe?«
Kurz sah er mich fast schon abfällig an, was unverzüglich mein Herz zusammen zog. Mit leicht geöffneten Mund, weil ich so erschrocken über seine derart kalten Worte war, versuchte ich die Richtigen zu finden, was sich in dem ganzen Gehirnnebel als gar nicht so einfach herausstellt. So viel dazu, dass du Dumpfbacke Liebe in seinen Augen gesehen hast.
Vor ein paar Stunden noch, verteilte er sanfte Küsse auf meiner Haut, während er mich mit Samthandschuhen berührte und es so sehr danach aussah, dass ich bereits mehr für ihn bin. Mehr als nur sein Sexobjekt. Mehr als die Anderen. Etwas Besonderes.
Mit Tränen in den Augen, wandte ich mich dem Fenster zu. Weg von ihm und seinen verletzenden Blicken.
Ja, ich war naiv. Aber ganz bestimmt nicht dumm, was für mich ein großer Unterschied ist. Nur weil ich versuchte, dass Gute in ihm zu finden, spielte ich das Schlechte nicht herunter. Er konnte so unglaublich kalt und vernichtend mit seinen Worten jonglieren, dass man selbst nichtmal wusste, ob man es verdient hat. Oft sprachen sein Mund und seine Mimik, zwei völlig verschiedene Sprachen.
Doch so zerstörerisch er mit seinen Emotionen umging und sie auf mich, Max oder jeden Anderen in seiner Umgebung projizierte. Genauso viel Gutes, konnte ich trotz der hohen Mauern erkennen. Wenn nicht unbedingt in seinen Worten, dann in seinen Taten.
Wäre es nicht so, hätte er diese Party damals nicht verlassen. Billy hätte einfachen Sex mit hemmungslosen Collagegirls genießen können. Aber er folgte mir, obwohl wir uns gestritten haben, entschied er sich gegen die Party, um nach mir zu schauen. Um sicher zu gehen, dass ich wohlauf bin.
Wer weiß wie weit Brad gegangen wäre, wenn Billy ihm nicht die Nase gebrochen und mich mitgenommen hätte. Und als er sich so um mich kümmerte, machte er mich abhängig, als wär er eine berauschende Droge. Von der ich nicht genug bekam, obwohl ich wusste, dass sie mich auf lange Zeit zerstört.
Jemand wie Billy ging nicht zu Abendessen, um Eltern kennenzulernen und sie zu überzeugen, ein guter Kerl zu sein, weil er ernsthaftes Interesse an langlebige Beziehungen anstrebt. Um das zu verstehen, musste ich ihn nicht lange kennen. Er war niemand, der sich gerne Verpflichtungen hergab, es sei denn er entschied sich von alleine dafür oder es verschafft ihm Opportunität.
Wenn man Neil kennenlernt, versteht man schnell, wieso Billy sich von allen Verbindlichkeiten distanziert und ein sehr aus dem Effekt heraus handelnder Mensch ist. Man könnte sagen, er lebt für den Moment, weil er es gar nicht anders kann.
Einer von vielen Gründen wieso ich jeden negativen Gedanken regelrecht boykottierte und mich steht's mit Freunden, Filmen oder Sport ablenkte, wenn er auf Partys ging oder mit seinen asozialen Freunden unterwegs war.
Tief im Inneren, hoffte ein kleiner verzweifelter Funke in mir, dass ich ihm schlicht genug war und er es nicht für nötig hielt, irgendwas bei anderen Mädchen zu suchen. So schön die Vorstellung auch war, hielt ich sie dennoch eher für Wunschdenken.
Billy hatte diese Wirkung auf Frauen, ich war das beste Beispiel. Sie hingen an ihm, umgarnten ihn, boten sich an und wie meine Oma immer sagte: „Männer sind Jäger und Sammler, so sehr sie die Jagd lieben, sammeln sie auch gerne die süßen Früchtchen auf dem Weg ein".
Keiner von uns Beiden hat das Thema je angeschnitten, aber das wollte ich auch gar nicht. Schließlich bin ich keine Masochistin, die absichtlich in den Schmerz geht. Na jaaa... Und so viele Defizite er auch haben mag, Unehrlichkeit gehörte nicht dazu.
Wenn du die Wahrheit wissen willst, sei erst ehrlich zu dir selbst, ob du sie ertragen kannst.
Und weil ich mir diesbezüglich absolut nicht sicher war, ob ich das konnte, forderte ich sie nie ein. Schließlich würde es sowieso nichts daran ändern, dass ich kein Anrecht auf ihn habe. Oder auf etwas derart passioniertes, wie Loyalität.
»Scheiße verdammt, wir haben darüber geredet Grace.« knurrte er, dass ich zusammenzuckte, aus der Endlosschleife meiner Gedanken gerissen.
Doch ich dachte gar nicht daran ihn wieder anzuschauen. Selbst als er so fest aufs Gaspedal trat, dass ich in den Sitz gedrückt wurde. »Ich hab dir gesagt, dass so bald es anstrengend wird, ich weg bin.« Ja, das hat er gesagt. Wie anstrengend er aber ist, hat er dabei wohl glatt vergessen. Schnell wischte ich mir die Tränen von den Wangen, als ich ihn kurz musterte. Eigentlich hätte ich ihn am liebsten einfach nur dafür geschlagen. Die Tatsache, dass er aber gerade mit über hundert Meilen die Stunde über die Straße heizte, ließ mich dann doch zögern.
»Jedes Mal, wenn ich denke, dass vielleicht doch etwas Gutes in dir steckt. O-Oder du mir eine Seite an dir zeigst, die das bestätigt, kommt sowas. Jedes. Einzelne. Mal.« ich gab mir wirklich Mühe, dass ich nicht ganz so erbärmlich klang, wie ich mich fühlte. Aber so richtig klappen, wollte es nicht.
»Du bist so ein egoistisches Arschloch, i-ich verstehe selbst nicht, warum ich überhaupt so bescheuert bin und versuche das Gute in dir zu sehen, mag es auch noch so wenig sein.« Obwohl meine Stimme weinerlich und brüchig klang, schaute ich ihn wütend an.
»Nur weil du in deinen Taten vorgibst, dass ich dir nicht komplett egal bin?« Als er es nicht wagte mich anzusehen, schüttelte ich leicht den Kopf, wohl eher aus dem Gefühl heraus zu mir selbst. »Wie — Wie kann mir das genug sein?« Den letzten Satz murmelte ich eher zu mir selbst, als ich vor lauter aufkommender Tränen, sein Gesicht nichtmal mehr erkennen konnte und ergeben den Blick abwandte.
»Wenn ich dann wieder daran glaube, d-dass...« zögerlich sah ich auf das schwarze Amaturenbrett vor mir, als würde ich dort nach den passenden Antwort suchen. »Na ja, w-wir uns näher kommen oder irgendwie sowas halt... D-Dann stoßt du mich wieder von dir weg.« Unsicher zu weit gegangen zu sein, wanderten meine Augen langsam zu ihm. Eher verwundert, über seinen nicht mehr angespannten Blick, als sowieso für gewöhnlich. Welcher weiterhin stur nach vorne gerichtet war, schluckte ich leise. Billy biss sich auf die Innenseite seiner Wangen, ehe er kurz spottend schnaubte. Aber nichts darauf antwortete.
Vielleicht auch besser so.
Ohne mich nur einmal anzusehen, fuhr er schweigend nach Loch Nora rein. Damit ließ ich es ebenfalls fallen und konnte es gar nicht abwarten, einfach dieses verdammte Auto zu verlassen.
Nicht nur das mit Tommy – Nein – auch das mit Steve, erdrückte mich förmlich und als wäre das Alles nicht genug, kam zusätzlich noch die Erkenntnis, dass all die Monate, nichts weiter waren, als verschwendete Zeit. Denn egal wie viel ich auch gab, es würde nie genug sein. Ich würde nie genug sein, damit jemand wie Billy, sich ändern will.
Das Auto stand keine zwei Sekunden, da schob ich schon seine Jacke hastig von mir und öffnete die Tür, bereit abzuhauen, um am nächsten Tag die Schule zu schwänzen und mich vor meinen Problemen zu verstecken.
Die kalte Nachtluft schlug mir mit feinen Nieselregen entgegen. Unweigerlich spannte ich meinen Körper an und stülpte mir meine Kapuze über den Kopf.
»Ich kann dich gar nicht wegstoßen, Grace...« ich stagnierte, in meinen Bewegungen und drehte mich mit misstrauischen Gesichtsausdruck leicht zu ihm um, als seine müde monotone Stimme erklang.
Ohne mich anzusehen, fingerte er sich seine Zigarettenschachtel aus seiner Jackentasche und zündete sich genüsslich Eine an. Erst nach dem ersten Zug und dem weißen Qualm, den er durch seine Nasenlöcher ausatmete, sah er mir temperamentlos direkt in meine Augen. Mit einem für mich so undefinierbaren Gesichtsausdruck, der mich verunsichert darüber nachdenken ließ, ob ich besser auf der Stelle aussteigen soll.
»Weil wir uns nie nah gewesen sind, dass das überhaupt möglich wäre.«
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*vorsichtig um die Ecke guck*
Hallöcheeeeen,
wie Einige von Euch vielleicht schon gelesen haben, bewegen wir uns auf das Ende zu. Geplant sind nur noch 6 weitere Kapitel. Auch wenn ich irgendwie traurig bin, fühlt es sich richtig an und ich bin total stolz, endlich mal ein Buch fertig gebracht zu haben. Yay! 🥲🤣
Um vielleicht den ein oder Anderen von euch zu beruhigen: Ein zweiter Teil könnte folgen, ich schaue aber erstmal wie das hier jetzt genau enden wird. Ich hoffe ihr werdet die letzten Momente mit Grace noch genießen, lasst mich gerne wissen, was ihr von einem zweiten Teil halten würdet. 🥰❤️
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