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𝟎𝟑 | 𝐭𝐡𝐞 𝐰𝐡𝐨𝐥𝐞 𝐭𝐫𝐮𝐭𝐡

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Levis Kopf schmerzte höllisch, als er langsam wieder das Bewusstsein erlangte. Er hatte keine Ahnung wie lang er weggetreten war, doch es konnte nicht mehr als wenige Minuten gewesen sein. Er war zwar gefesselt, lag aber noch immer auf der gleichen Stelle, an der er zusammengebrochen war. Er war allein, trotzdem konnte er die entfernten Stimmen seiner Angreifer hören.

Auch wenn er gefesselt war, hätte er sich davon losreißen können. Dachten sie etwa wirklich, dass ihn einfache Seile zurückhalten konnten? Mittlerweile war eigentlich davon überzeugt das die Frau wusste, wie stark er war, aber scheinbar überzeugte sie ihre eigene Arroganz noch immer mehr. Trotzdem entschied er sich dagegen, sich sofort zu befreien. Die Stimmen wurden klarer, Worte begannen Sinn zu ergeben. Es wäre gerade wohl das Beste, die Situation erst einmal zu beobachten und den beiden erst die umzubringen, wenn er wieder ganz der Alte war.

Levi wusste, dass er es Furlan versprochen hatte und er es zuerst selbst nicht zulassen wollte, doch nach diesem Hinterhalt war es ihm egal geworden. Y/N hatte das Fass zum Überlaufen gebracht.. nach dem er erfahren hatte was hier los war, würde er sie töten. Er hatte endgültig genug von dieser Göre.

,.. ich hab' meinem Teil der Abmachung erfüllt, also sag mir endlich wo sie sind", sprach die Frau und es war fast so, als wäre sie nervös. Levi hielt seinen Atem flach, konzentrierte sich allein auf ihre Stimmen, um nicht aufzufallen. Doch das plötzliche Auflachen des Mannes ließ ihn beinahe zusammenzucken.

,,Ach ja, die beiden Gören.. hab' ich fast schon wieder vergessen. Die haben wir umgebracht, konnten einfach nicht ihr Maul halten und schrien' die ganze Zeit nach Dir.. war echt verdammt nervig", sagte er belustigt, fast so als wolle er ein Witz machen. Doch die Stille, die danach in dem Raum herrschte, war wohl Antworte genug. ,,W-Was habt ihr getan", Y/N Stimme war beinahe nur noch ein flüstern, von Levis Position kaum noch zu verstehen. Er konnte die junge Frau zwar nicht sehen, doch diese paar Worte reichten ihm schon aus um zu erkennen, dass ihre Maske endlich anfing zu bröckeln.

,,Was gibt's daran nicht zu verstehen? Die Beiden konnten ihre Fresse einfach nicht halten. Es war kein Vergnügen für mich sie zu töten, aber wäre das so weitergegangen, dann wäre noch jemand auf uns aufmerksam geworden", sprach er so unglaublich herzlos, dass selbst Levis Puls sich allmählich erhöhte. Er hatte zwar keine Ahnung über wen der Mann sprach, aber Y/N war doch nicht ganz unschuldig über das Ausmaß, wenn sie mit solchem Dreck Geschäfte machte.. oder?

,,D-Du hast sie getötet?", ihre Stimme brach, doch die Genugtuung das sie anfing zu weinen, wollte sie ihm auf keinen Fall geben. Die Fäuste der Frau ballten sich unauffällig, ihre Traurigkeit und der Schock wurden unterdrückt durch die unglaubliche Wut die sie empfand. Es war alles umsonst. All das was in den letzten Stunden gesehen war.. umsonst. Der Kampf mit Levi, bei dem sie hätte sterben können, die Verletzung am Kopf, die noch immer höllisch schmerzte, die stundenlangen Gespräche mit den Beiden.. die Fassade die sie die ganze Zeit über aufrecht erhalten musste um ihre eigentliche Intension geheim zu halten. Das alles hatte sie auf sich genommen.. nur damit sie die beiden doch nicht retten konnte? So hätte es nicht ablaufen dürfen.. so war es nicht geplant. Levi hätte ihnen ausgeliefert werden sollen, damit die beiden weiterleben konnten. Das war nicht das Ende, was ihr versprochen wurde.

Nein.. sie wurde von diesem Wichsern verarscht. Es gab nie eine Möglichkeit.. Keine Chance darauf, dass sie die Kinder retten konnte. Wie in Trance sah sie dem Mann dabei zu, wie er ein Messer zückte und sich Levi langsam näherte. Ihre Augen folgten ihm, doch kein Muskel in ihrem Körper bewegte sich.

Levi.. der Mann, der ihr die letzten Stunden nicht einfacher machte. Der Mann, der sie versuchte umzubringen, zu erniedrigen und sie mit seiner Art fast zur Weißglut brachte. Er wäre nun der nächste der unnötig sterben musste und was würde dann mit ihr geschehen? Wahrscheinlich müsste dann auch sie sterben.. genauso wie Furlan, damit es keine Zeugen mehr geben würde. Nein, das konnte sie nicht zulassen. Jetzt wo es nicht mehr notwendig war ihnen Levi auszuhändigen, war sie auch nicht bereit dazu ihn auch noch sterben zu lassen. Das alles musste aufhören. Jetzt sofort.

Während Y/N noch immer regungslos da stand, waren Levis Sinne scharf, seine Hände am Knoten der Fesseln so platziert, dass er sich rechtzeitig von ihnen lösen könnte, bevor der Mann mit dem Messer nur in seine Nähe kommen konnte. Während er begann sich unauffällig zu befreien um im richtigen Moment angreifen zu können, sah Levi plötzlich wie sich die junge Frau aus ihrer Starre löste. Ohne einen richtigen, wie sonst durchdachten Plan, ging sie schnellen Schrittes auf den Mann zu, nutzte seine Unaufmerksamkeit um ihm das Messer aus der Hand zu reißen.

,,He-Hey was soll das?", schrie er panisch auf, als die junge Frau ihn entwaffnet hatte. Levi tat nicht mehr als zuzusehen, als sie mit voller Kraft die Klinge zuerst in seine Schulter stach, woraufhin er sich ruckartig von ihr entfernte. Doch er hatte keine Chance, seine schmerzerfüllten Schreie trafen bei ihr nur auf taube Ohren. ,,B-Bitte.. hör auf damit.. i-ich gebe dir Geld.. eine Freikarte nach oben.. a-alles bitte..", flehte der Mann ängstlich. Doch er konnte ihr in diesem Moment alles versprechen, es war ihr egal. All das war egal. Sie waren tot. Er war es. Er hatte sie getötet..

Plötzlich knallte der Mann mit seinem Rücken gegen die Wand hinter sich, hatte somit keine Chance mehr zu flüchten. Schützend hielt seine Hände vor sich, ein letzter verzweifelter Versuch zu überleben. Beinahe willkürlich stach Y/N immer wieder mit der schärfen Klinge in seinen Oberkörper. ,,Stirb endlich", murmelte sie kühl, ihr Blick dabei starr auf ihn gerichtet. So lang, bis der Mann langsam zu Boden sank, die weiße Wand dabei von seinem Blut rot gefärbt. Als seine Schreie verstummten und sein Körper regungslos auf dem Boden zurück blieb, fiel das Messer aus ihrer Hand, hinterließ ein lautes Klirren dass den mittlerweile stillen Raum flutete. Für einen kurzen Moment blickte sie noch einmal auf die Leiche vor sich, bevor sich die junge Frau zu ihm nach unten beugte, in seinen Jackentasche nach etwas suchte, dass sie letztendlich auch finden konnte.

Levi beobachtete sie mit weit aufgerissenen Augen dabei, wie sie einen Schlüssel fest umfasste, sich daraufhin erhob und begann die weiteren Türen mit diesem zu öffnen. Wenn Levi sagen würde, dass er über das was gerade geschehen war schockiert war, dann wäre das wohl noch ziemlich untertrieben. Was zur Hölle ist hier gerade geschehen? Über wen hatten die Beiden vorhin gesprochen? Zwei Gören? Das war der eigentliche Plan? Diese ganze Geschichte die sie ihm erzählt hatte war gelogen? Nicht, dass er das nicht eigentlich geahnt hatte.. aber das?

Levis Kopf schmerzte von der Verletzung noch so sehr, dass es ihm kaum gelang einen logischen Gedanken zu fassen, noch diese ganze Situation zu verstehen. Was er jedoch wusste war, dass sie ihn gerettet hatte. Ob sie es bewusst tat oder ihre Mordlust in diesem Moment einfach nur zu hoch war, konnte er nicht wissen. Fuck, sie hatte auf jeden Fall doch mehr drauf als er gedacht hatte. Für ihn stellte sie zwar keine große Gefahr da, aber für andere war sie beinahe ein Biest vor dem man sich verstecken musste.

Während Levi noch immer wie erstarrt auf dem Boden saß, fand Y/N den Raum, den sie zwar gesucht hatte, doch hoffte, dass er nicht existieren würde. Hinter diese unscheinbaren Tür, eine, von der es in dieser Halle so viele gab, verbarg sich ein Albtraum. Das Szenario, welches sie doch versucht hatte zu verhindern. Leise betrat sie den Raum, so als würden die beiden Kinder nur schlagen und sie wolle sie nicht wecken.

Achtlos hatte man sie in eine Ecke abgelegt, dass Blut auf ihrer Kleidung war schon längst getrocknet. Ob sie gelitten haben? Oder hatten diese verdammten Wichser wenigstens noch die Güte sie schnell umzubringen? Obwohl in ihrem Kopf so viele Gedanken kreisten, fühlte es sich so an, als wäre Y/N nur eine leere Hülle. Eine Art Beobachter, der gar nichts mit dieser Situation zutun hatte. Doch leider war das vor ihr Realität.

Es waren die beiden Kinder, denen sie geschworen hatte immer auf sie Acht zu geben. Deren sie ihr eigenes Leben opfern wollte, nur damit sie eine Chance hatten. Doch all das war umsonst. All die Jahre.. All das, nur um für einen Fehler, eine Unachtsamkeit so bestraft zu werden. Das war nicht fair. Nicht einmal sie hatte das verdient. Niemand. Vor allem nicht diese verdammt Kinder, denen sie so viel versprochen hatte. Mit letzter Kraft näherte sich Y/N den Körpern, bevor sie vor ihnen auf die Knie fiel.

Oh wie gern sie doch gerade weinen würde. Wie sehr die diese Gefühle herausschreien wollte. Warum konnte sie es dann nicht? Warum konnte sie nicht mehr tun als vor diesen Leichen zu sitzen, deren Gesichter einst noch so viel Leben ausstrahlen und jetzt so leer waren? War das Alles doch nur ein Traum? Würde sie gleich durch das toben und Gelächter der Kinder wieder aufwachen? Aber wann wäre das? Wann hat das alles ein Ende? Wann würde sie jemand aus diesem Albtraum erlösen?

,,All das was du uns erzählt hast war eine Lüge, oder? Es gab weder Geld, noch ein Aufenthaltsrecht wenn du mich auslieferst", hörte die am Boden sitzende Frau plötzlich hinter sich.

Levi hatte sich in Zwischenzeit von den Fessel befreit und war ihr unauffällig in den Raum gefolgt. Obwohl sein Körper sich dagegen gewährt hatte noch eine Sekunde länger seine Zeit hier weiter zu verschwenden, entschied er sich letztendlich dagegen. Ob es reine Neugierde, Missgunst oder doch sogar Mitleid war konnte er nicht wirklich benennen. Was er jedoch wusste war, dass dieser Tag nicht aufhören wollte ihn mit neuen Überraschungen zu quälen.

,,Vor zwei Tagen suchte mich ein Mann auf.. widerlichen Typ, bot mir ein wenig Geld dafür an, wenn ich dich töten würde. Ich tat nicht mehr als ihn auszulachen und das Angebot abzulehnen. Nicht einmal das dreifache hätte mich dazu verleitet mein Leben so aufs Spiel zu setzen", begann sie zu erzählen, dabei so leise, dass Levi sich ihr noch ein wenig nähern musste um sie besser zu verstehen.

,,Ich bin vielleicht in deinen Augen überheblich, aber nicht dumm. Ich wusste, dass ich gegen deine Kräfte keine Chance haben würde", beichtete sie, ohne diesmal davor zurückzuschrecken, sich ihre eigene Schwäche einzugestehen. Diese Offenbarung ließ Levi stutzig werden.

,,Moment mal, du hast gesagt, dass du mich vorher nicht gekannt hast. War das etwa auch gelogen?", fragte er sie, wollte dabei seine Neugierde nicht allzu sehr preisgeben. Die junge Frau lachte daraufhin kurz auf, dabei mehr gezwungen als durch wirkliche Belustigung.

,,Natürlich tat ich das. Selbst hier in der Ecke bist du gefürchtet, aber sollte ich dein sowieso schon viel zu großes Ego weiter pushen wollen?", sprach sie, woraufhin Levi nur wortlos die Augen verdrehte. Zumindest war ihre schnippische Art keines der Dinge, die sie ihm über die letzten Stunden vorgespielt hatte.

Als Y/N wieder verstummte, legte sich Levis Blick zum ersten Mal wirklich auf die zwei Leichen. Er hatte die ganze Zeit über versucht diese keine große Aufmerksamkeit zu schenken, doch er konnte es nicht mehr. Auch wenn der Untergrund es schafft beinahe jeden seiner Bewohner in gewisser weise abzustumpfen, war der Anblick kaum zu ertragen. Ein Mädchen und ein Junge, nicht älter als acht Jahre lagen blutüberströmt auf den kalten, weißen Fliesen. Nicht einmal ihre Augen hatten sie geschlossen, mit leerem Blick schien es so, als würden sie Levi direkt ansehen. Ein kälter Schauer lief ihm dabei über den Rücken. Es ging ihn nichts an, nein. Eigentlich sollte es ihm egal sein und er hätte einfach gehen sollen, doch er konnte nicht.

,,Wer sind die beiden?", fragte er deshalb plötzlich, woraufhin die Frau für einen kurzen Moment erstarrte. Zuerst wollte sie ihn anschreiben, wütend darüber werden was es ihn interessierte, doch sie entschied sich dagegen. Was hatte es überhaupt noch für einen Sinn die Maske weiter zu bewahren. Es war doch sowieso sinnlos. Die beiden Kinder vor ihnen waren nicht die einzigen, die an diesem Tag gestorben waren.

,,M-Meine Geschwister", brachte sie hervor, die Worte allein fühlten sich schmerzhaft an. Bevor Levi jedoch etwas sagen konnte, schluckte sie den Kloß in ihrem Hals herunter und sprach weiter. ,,.. sie waren nicht meine leiblichen Geschwister, aber wir haben uns schon immer wie eine Familie gefühlt", erzählte sie weiter, stoppte dann aber, ließ ihre Stimme verstummen.

Warum erzählte sie davon überhaupt? Und warum ausgerechnet Levi? Warum hörte er ihr noch zu und beendete es nicht einfach? Doch ihr Mund bewegte sich beinahe wie automatisch. Die sonst so verschlossene Frau erzählte über die Dinge, die sonst nur sehr wenige Menschen über sie wussten.

,,Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, du kannst dir wahrscheinlich denken, dass dies kein Ort ist an dem man seine Kindheit verbringt. Die Aufpasser waren gewalttätig, dass Essen schmeckte scheiße und wir lebten zusammengepfercht wie Tiere auf engstem Raum. Als die Beiden noch als Babys abgegeben worden sind, kümmerte ich mich um sie, da die Chance, dass sie in diesem Drecksloch sterben würden einfach zu hoch war. Ich hatte schon oft genug miterlebt dass kranke und schwache Kinder einfach ihrem Schicksal überlassen wurden", eine leise Tränen lief der Frau die Wange herunter, doch sie weigerte sich noch mehr zu verlieren.

,,Ist das nicht lustig? Ein Ort an dem verwaiste und im Stich gelassene Kinder eigentlich Schutz geboten werden müsste ist der, der letztendlich ihr Ende beschließt..", murmelte sie kaum verständlich, doch Levi verstand jedes ihrer Worte. Was wohl aus ihm geworden wäre, wenn Kenny ihn damals nicht aufgenommen und ihm das überleben im Untergrund beigebracht hätte? Er hasste diesen Bastard, aber für diese Zeit war er ihm beinahe dankbar. Levi antwortete nicht auf ihre rhetorische Frage, ließ sie weiter erzählen.

,,Als ich achtzehn wurde und das Waisenhaus verlassen musste, waren die beiden nicht älter als drei. Mein Handeln war nicht unüberlegt, ich hatte mir an dem Tag, als ich sie das erste Mal sah geschworen, dass ich ihnen dieses Leben ersparen würde. Das ich dafür verantwortlich war, dass sie nicht die gleiche Scheiße wie ich durchmachen mussten.." tief atmete sie ein, eine weitere Träne konnte sie nicht mehr aufhalten.

,,.. aber das Alles war letztendlich umsonst. Sie sind tot und ich kann es nicht mehr rückgängig machen", ein leisen Schluchzen war zu hören, als Y/N darüber nachdachte, die beiden nie wieder zu sehen. Sie waren tot, für immer fort, nie wieder würde sie ihr Lachen hören, sie nie wieder trösten oder Nachts mit ihnen im Bett kuscheln damit sie besser einschlafen konnten. Das alles war vorbei.

Levi wusste nicht wie er reagieren sollte. Konnte man in solch einer Situation überhaupt richtig reagieren? Warum verdammt berührte ihn diese Geschichte nur so sehr? Diese Frau hatte ihn die letzten Stunden nur Kopfschmerzen bereitet und er hätte alles dafür getan um ihr dieses selbstgefällige Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen. Warum musste das alles nur so kompliziert sein? Warum konnte er nicht einfach gehen und das alles vergessen?

,,Wie seid ihr in die ganze Scheiße reingeraten?", fragte Levi nachdem die Frau wieder verstummt war. Seine Augen waren mittlerweile wieder nur auf sie gerichtet, der Anblick der toten Kinder war unerträglich geworden. Er wollte sich nicht vorstellen wie schwer es für sie sein musste.

,,Ich dachte der Typ wäre ein Spinner, weshalb ich unvorsichtig war. Heute morgen ging ich zum Markt um uns ein paar Lebensmittel zu besorgen..", ihr atmen wurde schwerer, doch sie sprach weiter. ,,Ich war nur fünfzehn Minuten weg. Verdammte fünfzehn Minuten, in denen diese Wichser in unser Haus einbrachen und die Beiden mit sich nahmen", der Kloß in ihrem Hals wurde langsam unerträglich, dass sprechen fiel ihr immer schwerer.

,,Ich fand einen Brief, in dem sie mir noch einmal die Anweisung gaben dich entweder zu töten, oder lebendig auszuliefern. Einen Grund gaben sie mir nicht, also hab' ich keine Ahnung was für ein Problem sie mit die hatten. Zusammen mit dem Zettel gab es noch eine Beschreibung und Zeichnung von dir, genauso wie eine eine Karte eurer Wohnung und Plätze, wie Routen, an denen ich den Antreffen könnte", immer mehr Tränen fielen auf ihren Schoß, die Levi nicht sehen konnte.

Sie hatte also keine Wahl gehabt. Entweder er, oder ihre Geschwister. Er konnte ihr keinen Vorwurf machen, jeder hätte in dieser Situation wohl so gehandelt. Levi schluckte schwer, fuhr sich angespannt durch die dunklen Haare. Musste es wirklich dazu kommen? Gab es keine andere Möglichkeit, wie sie die Kinder hätte retten können?

,,Warum hast du uns nicht eingeweiht? Du hast diese Show über Stunden abgezogen, anstatt uns einfach die Wahrheit zu sagen? Denkst du wir sind solche Unmenschen und hätten dir nicht geholfen?", seine Worte wirkten harsch, doch er meinte es aufrichtig. Auch wenn sie die Frau nicht kannten und Elend hier im Untergrund nicht selten war, hätten sie sich irgendetwas ausgedacht. Spätestens wenn Furlan davon mitbekommen hätte, wäre ihre Entscheidung besiegelt gewesen.

Die Frau lachte ein weiteres Mal beinahe ohne Emotionen auf, zum ersten Mal sah sie hinter sich, blickte Levi direkt in die Augen. Ein kalter Schauer durchfuhr seinen Körper, als er in ihr Gesicht sah. Sie war blass, ihre Augen rot, ihre Mimik zeigte zum einen so viel Hass und Trauer, zum anderen jedoch den Kampf mit sich selbst, selbst in solch einer Situation stark zu bleiben. Sie konnte den Blickkontakt nicht lange aufrechterhalten, drehte sich wieder zurück zu den Kindern.

,,Du hast ihn doch gehört, die Beiden waren wahrscheinlich schon tot bevor ich dich überhaupt aufspüren konnte. Egal was ich getan hätte, wir wären genau in der selben Situation", sie war müde, so unglaublich erschöpft. Warum hörte Levi ihr noch immer zu? Wo zur Hölle war dieses egoistische Arschloch nur hin? Warum sagt er ihr nicht, dass allein sie an allem Schuld sei und er mit dem allen nur seine Zeit verschwendet hatte? Weshalb tat er ihr nicht die Güte und beendete endlich ihr leiden?

Ihr Kopf schmerzte, ihr Körper wurde langsam immer schwächer. Das Adrenalin, welches sie die letzten Minuten durchschossen hatte flachte langsam ab und erst jetzt wurde der Schmerz durch den Verlust ihrer Geschwister erst wirklich zu bemerken. Ihr Kopf wurde zwar klarer, doch all die Geschehnisse, all diese Gefühle vernebelten ihre Sinne. Sie wollte schreien, weinen, diesem Wichser noch weitere Löcher in seinen Körper stechen, doch sie konnte nicht. Es blieb ihr nichts weiter übrig, als mit stillen Tränen, die immer wieder vereinzelt über ihr Gesicht liefen, vor den Leichen der Kinder sitzen zu bleiben.

Levi räusperte sich, dachte für einen Moment darüber nach ob es das richtige war sie dies zu fragen, doch seine Neugierde war zu groß. ,,Hey sag mal.. warum hast du diesen Typen mich nicht umbringen lassen? Wäre das nicht für dich sicherer gewesen? Ich könnte ich dich nach der ganzen Scheiße immer noch töten", fragte er sie. War es ihre Mordlust gewesen, welche sie zu voreiligen Schlüssen brachte? Levi hatte oft genug gesagt, dass es für ihn kein Problem wäre sie aus dem Weg zu räumen, wenn sie ihn verarschen würde. Oder steckte doch etwas anderes dahinter?

,,Es war nie meine Intention dich zu töten. Wäre das mein Ziel gewesen, dann hätte ich einem Militärpolizisten eine von diesen Schusswaffen gestohlen und dich auf offener Straße erschossen. Keine Ahnung wie es bei dir ist Levi, aber ich töte niemanden der mir nichts angetan hat.. vielleicht aber auch, weil es nicht notwendig ist, noch mehr Blut zu vergießen. Keine Ahnung, such dir etwas davon aus..", es fiel ihr immer schwerer zu sprechen.

Y/N wollte nichts mehr, als ihre Augen zu schließen und sich zu ihren Geschwistern zu legen. War vielleicht der Grund, warum Levi all die Zeit über hier geblieben war, damit sie ihre letzten Worte sprechen konnte, damit er sie letztendlich doch erlösen würde? Der Gedanke war angenehm, all das könnte endlich enden. Sie würde ihren Geschwistern an dem Ort folgen, wo auch immer sie nun waren. Ein schwaches Lächeln formte sich auf ihren Lippen, welches der Mann hinter ihr nicht sehen konnte.

,,Na los, worauf wartest du? Tu endlich das, worauf du schon die letzten Stunden gewartet hast. Bring mich endlich um, du hast gewonnen", sprach sie, mit mehr Kraft in ihrer Stimme, als die ganze Zeit zuvor. Gleich wäre es vorbei. Gleich wäre all der Schmerz vorbei. So sehr sie Levi genervt hatte, dafür wäre sie ihm selbst in ihrem Tod dankbar. Keine Ahnung wohin sie gehen würde, es war ihr sogar egal. Sie wollte nur Darian und Helena wiedersehen.

Schritte waren hinter ihr zu hören, doch anstatt, dass sich diese näherten, wurden sie langsam immer leiser. So lang, bis sie vollständig verschwunden waren. Levi war gegangen, ohne ihren letzten Wunsch zu erfüllen. Ein Gefühl von Enttäuschung durchfuhr ihren Körper. Aber konnte sie es Levi übel nehmen? Warum sollte er sich die Hände schmutzig machen, für etwas, mit dem er nichts zutun hatte? Leise seufzte sie, ihr Körper gab nun endgültig nach.

Vorsicht näherte sie sich den beiden toten Kindern, schloss die noch immer offenen Augen und küsste sie auf die Stirn. Ein wenig wollte sie noch Zeit mit ihnen verbringen, bevor sie ihnen folgte.

٠ ✤ ٠

Y/N wusste nicht wie viel Zeit inzwischen vergangen war. Wahrscheinlich war es noch nicht ganz eine Stunde, als sie plötzlich mehrere Schritte hinter sich hörte. Sie hatte erwartet, dass jetzt such der Rest dieser Kriminellen herkommen würden, vielleicht um nachzusehen ob etwas schief gelaufen war, doch sie täuschte sich.

Als sie sich umdrehte waren es keine widerlichen, alten Männer die sie anblickten, sondern Levi und Furlan. Was sollte das? Warum war er wiedergekommen und hatte diesmal seinen Freund mitgebracht. Wollte er ihm nur zeigen, welche Strafe sie erleiden musste? Wollten sie sich darüber lustig machen? Oder waren sie nur hier, um ihr gemeinsam das Licht auszumachen? Schnell wischte sie sich ihre Tränen aus dem Gesicht. Obwohl Levi sie mittlerweile in einem miserableren Zustand gesehen hatte, wollte sie ihnen nicht weiter die Blöße geben, die sie wahrscheinlich erwarteten.

,,Was wollt ihr ihr? Mich gemeinsam umbringen um euch zu rächen?", fragte sie die Männer, woraufhin ihre Blicke, besonders der von Furlan, sanfter wurde. Levi hatte ihn schon vor dem Anblick gewarnt, doch die toten Kinder, beinahe bestialisch ermordet, raubten ihm den Atem. Er war es, der ihr zuerst antwortete.

,,Y/N.. e-es tut mit so unglaublich Leid was geschehen ist. Hätten wir das gewusst dann..", doch er stoppte seine eigenen Worte, wusste, dass dies in dieser Situation unangebracht war. Die Frau litt genug, er musste sie nicht mit der Frage quälen was sie hätten anders machen können. Als es keine sichtbare Veränderung in ihrem Gesicht zu erkennen war, räusperte er sich, fuhr dann fort.

,,Wir sind nicht hier um dich zu töten, hab' keine Sorge.. Levi hat mir von all dem erzählt und wir.. wir wollen dir helfen", sprach er, hoffte dadurch ihr Vertrauen zu gewinnen, doch Y/N schnaufte nur auf. ,,Mir helfen? Ich danke euch wirklich für eure Güte, aber die brauche ich nicht. Ich hab' euch schon viel zu sehr mit in diese Scheiße gezogen, dass habe ich nicht verdient", sprach sie ironisch, obwohl in ihren Worten die Wahrheit steckte.

Sie hatte versucht Levi an eine Organisation auszuliefern, die ihn wahrscheinlich nicht nur getötet, sondern unaussprechliche Dinge mit ihm getan hätten. Sie hatte ihn angegriffen, die beiden verarscht, mit ihren Gefühlen gespielt und ihnen etwas Versprochen, dass nie in Aussicht stand. Trotz all dem wollten sie ihr nun helfen? Niemand im Untergrund tat dies, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Lieber lehnte sie das Angebot ab als noch ihre letzte Würde zu verlieren. So waren die Bewohner hier nun mal, niemand tat etwas aus Nettigkeit, denn das konnte man sich hier nicht erlauben. Gute, aufrichtige Menschen überlebten nicht, deshalb mussten ihre Geschwister sterben und sie lebte noch. Als Strafe. Vielleicht war es ja sogar eine Erlösung von diesem Ort endlich befreit zu werden.

Die Männer waren ihr nichts schuldig, es war schon zu viel verlangt, dass sie nicht die erste Chance nutzten um sie hier und jetzt zu töten. Sie hatte das nicht verdient, nichts davon.

Furlan schien ihren inneren Kampf zu bemerken. Ihm war bewusst, dass sie ihre Hilfe nicht annehmen wollte, oder sogar wollte, aber das konnte er nicht akzeptieren. Solch ein Geschehen konnte niemand allein verkraften. Das Leben hier war hart, aber er war kein Freund davon das einfach so zu akzeptieren. Selbst Levi wollte sie nicht allein lassen.

Als sein Freund zurückkam, war er zuerst erleichtert darüber, dass er bis auf eine Kopfverletzung unversehrt blieb. Doch als er über die Geschehnisse erzählte wurde ihm übel. Zuerst war Furlan unsicher darüber, ob sie zurück zu dem Ort gehen sollten. Er dachte über eine weitere Falle nach, doch Levi war nicht aufzuhalten. Er hatte die echte Y/N gesehen, ihre Geschichte gehört. Es war echt.. sie war echt. Es brauchte keine weitere Überzeugung für Furlan um dem Plan zuzustimmen. Deshalb waren sie hier, um ihr wenigstens die Unterstützung zu geben die jeder Mensch verdient hatte.

,,Hör zu.. wir sind nicht den ganzen Weg zurückgekommen damit du uns 'ne Abfuhr gibst du..", begann Levi zu antworten, doch Furlan stoppte ihn. Er wusste wie der Dunkelhaarige sich in diesem Moment fühlte. Es war nicht einfach für ihn fremde Menschen in sein Leben zu lassen, geschweige denn zu helfen. Seine Worte waren harscher gewählt, als er eigentlich damit aussagen wollte. Deshalb fiel Furlan ihm ins Wort. Wenn sie dieses Gespräch falsch angingen, könnten sie die Frau verschrecken.

,,Y/N, wir können uns beide nicht ausmalen was du gerade fühlst und wir wissen, dass nichts in diesem Moment dir wirklich helfen kann. Aber.. wir wollen den Beiden wenigstens ein anständiges Begräbnis ermöglichen. Es ist nicht viel, aber sie haben nicht verdient hier an diesem Ort zu bleiben. Auch du brauchst ein Ort zum trauern.. deshalb lass und dir bitte damit helfen. Sie haben eine Beerdigung verdient, auch wenn der Weg schwer ist", sprach Furlan einfühlsam auf sie ein.

Dies war der Moment, an dem ihre Maske nun komplett zerbrach. In ihrem Gesicht formte sich ein Ausdruck von Schock und Unverständnis. Die meinten es wirklich ernst? Nach all dem wollten sie ihr dies ermöglichen? Y/N wusste nicht ob sie lachen oder weinen sollte. Den Beiden um den Hals fallen, oder ihnen ins Gesicht schlagen musste. Levi ist wirklich gegangen, um Furlan um seine Mithilfe zu bitten? Das alles war so surreal, dass sie ihre nächsten Worte beinahe ungewollt aussprach.

,,Ja.. ja das wäre schön", hauchte sie, sah dann zu Boden um ihren mitfühlenden Blicken zu entkommen. Sie wusste nicht, wann sie das letzte Mal Hilfe angenommen hatte. Wann in ihrem Leben wurde ihr überhaupt welche Angeboten? Seit dem sie denken konnte, war sie auf sich allein gestellt, hatte sich damit abgefunden für alles selbst zu sorgen. Und jetzt standen zwei Männer vor ihr, die sie doch eigentlich gar nicht kannte und baten ihre Hilfe an.

Nach ihrer Zusage passierte alles wie in einem Traum. Levi und Furlan kümmerten sich darum die Kinder aus Halle mitzunehmen, wickelte sie in weiße Tücher, damit sie vor Gaffern geschützt blieben. Zwar waren die Straßen noch immer Menschenleer, jedoch wollten sie kein Risiko eingehen. Es war keine Seltenheit jemanden mit Leichen auf dem Arm zu beobachteten, jedoch wollten beide mit einem Mord nur ungern in Verbindung gebracht werden.

,,Es war also wirklich alles gelogen? Das Aufenthaltsrecht hat es nie gegeben?", flüsterte Furlan leise zu seinem Freund. Das er darüber enttäuscht war, wäre wirklich eine Untertreibung. Aber trotz aller dem wollte er Y/N nicht auch noch damit belasten. Es war nicht richtig sie darüber zu belügen, einen ihrer größten Wünsche dafür auszunutzen damit sie bei ihrem Plan mitmachten. Aber Furlan wusste mittlerweile, dass sie keine andere Wahl gehabt hatte. Es war die einzige Möglichkeit die ihr einfiel um sie zu locken. Levi seufzte, umgriff die Leiche des kleines Mädchens so fürsorglich, als wäre sie eine zerbrechliche Porzellanpuppe.

,,So sieht es aus. Der einzige Deal die sie miteinander hatten war es die Kinder wieder freizugeben, über ein Aufenthaltsrecht wurde nie ein Wort gesprochen", antwortete Levi, ließ seinen Blick für einen Moment zu der Frau hinter sich wandern.

,,Mach dir darüber nicht so viele Gedanken. Ich glaube insgeheim hatten wir beide sowieso keine große Hoffnung durch sie endlich von hier zu flüchten. Es war eine Wunschvorstellung an die wir uns beide geklammert haben.. aber ich glaube daran, dass wir irgendwann einen Weg nach oben finden werden", sprach Furlan wie immer optimistisch.

Levi hingegen wusste nicht genau wie er sich damit fühlen sollte. Er hatte recht, die Wahrscheinlichkeit das sie sich diese Geschichte nur ausgedacht hatte was von Anfang an höher als das sie ihnen die Wahrheit sagte. Trotz dessen fühlte Levi Enttäuschung. Es war nicht so, als hätten sie die Tür am Ende der endlos wirkenden Treppe schon erreicht, doch das Durchgehen wurde ihnen versperrt. Sie waren noch ganz am Anfang, noch weit davor. Doch es hatte sich so angefühlt als wären sie zumindest für einen Moment näher an ihrem Ziel.

Während das Gespräch der beiden Männer langsam wieder verstummte, lief Y/N ebenfalls wortlos neben ihnen her. Sie war so in Gedanken versunken, tausende Gefühle kreisten noch immer in ihrem System, die sie kaum zuordnen konnte. Sie hatte in ihrem Leben einiges an verdammt Beschissenen Dingen erlebt, wie ihre Kindheit im Waisenhaus, oder das Überleben allein im Untergrund, aber dies übertraf alles. Der Tod lauerte überall, doch nie hätte sie erwartet, dass die beiden Kinder, die so voller Lebensfreude und Gesundheit strahlten vor ihr gingen musste. Y/N war immer im Glauben, dass sie für die Kinder sterben würde, und nicht anders herum.

Obwohl sie den gesamten Weg über in ihren Gedanken gefangen war, wurden ihre Sinne plötzlich klarer. Eine Vorstellung pflanzte sich in ihren Kopf, den sie einfach nicht mehr loswerden konnte. Sie wollte es sich eigentlich nicht herausnehmen noch irgendwelche Ansprüche zu stellen, doch dies war ihr wichtig.

,,Bei unserem Haus", sprach sie so zögerlich, dass Levi und Furlan es beinahe nicht gehört hätten. ,,Was meinst du?", fragte der blondhaarige deshalb neugierig. Es waren die ersten Worte die sie seit der Halle mit ihnen gesprochen hatte.

,,Wenn es okay ist, dann würde ich sie gerne im Hof unseres Hauses besetzen. E-Es ist zwar kein offizieller Friedhof, aber unser.. ihr zuhause", sprach sie, ihren Blick dabei zu Boden gesenkt.

Es war so ungewohnt, die sonst so schnippische Y/N so kleinlaut zu erleben. War das ihr eigentlichen Wesen? Eine junge Frau, die eigentlich nicht in diese Welt passte, egal wie sehr sie es versuchte und anderes etwas vorspielte. Furlan lächelte daraufhin, auch wenn sie es nicht sehen konnte.

,,Natürlich, ich denke das ist eine schöne Idee", antwortete er ihr und auch Levi war mit dem Vorschlag einverstanden.

Der eigentlich recht kurze Weg fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Die eigentlich so leichten Kinder begannen auf den Schultern der Männer immer schwerer zu werden. Es war nicht das Gewicht, sondern der Gedanke daran sie gerade zu ihrer ewigen Ruhestätte zu tragen. Deshalb war es beinahe eine Erleichterung, als sie endlich ihr Ziel erreichten.

Ein unscheinbares Haus, etwas heruntergekommen, aber dennoch von außen so gut gepflegt, dass Levi sich vorstellen konnte, dass sie sich auch gut um das innere des Hauses gekümmert hatte. Wie die Frau wohl lebte? Wie ihr Alltag wohl vor dieser ganzen Scheiße aussah? Auch wenn er es nicht wusste, konnte er sich vorstellen, dass sie den beiden Kindern das beste Leben ermöglichten wollte.. so gut es in diesem Drecksloch überhaupt möglich war.

Die Beerdigung verlief still. Während Levi und Furlan die Gräber aushoben, ritzte Y/N mit einer Klinge die Namen der Kinder ein selbstgebaute Holzkreuze. Es war nicht viel, aber zumindest ein Versuch ihnen die letzte Ehre zu erweisen. Blumen gab es hier im Untergrund nicht und da sie kein Unkraut auf die Gräber legen wollten blieben diese leer. Sie alle hätten sich gewünscht, dass sie die gleichen Möglichkeiten wie innerhalb der Mauern gehabt hätten. Riesige Blumensträuße, pompöse Grabsteine und Kränze mit letzten Botschaften.. doch diese gab es hier nicht. Unfair.. das alles war mehr als Unfair.

Doch während Furlan und Y/N das letzte bisschen Erde auf der Ruhestätte zu verteilen, kramte Levi etwas aus seiner Tasche, platzierte die beiden Gegenstände bedacht neben die Steine. Y/N Atem stockte, als sie den Mann dabei beobachtete, wie er die Kerzen sorgsam mit einem Streichholz zum brennen brachte. Langsam richtete er sich wieder auf, stellte sich daraufhin zu den Beiden. Als er Furlan von seiner Idee berichtete und sie ohne weitere Vorbereitung zurück zu Y/N kehren wollten, nahm er im Effekt zwei Kerzen aus der Kommode und steckte sie ein. Er wusste in dem Moment nicht ob er sie überhaupt benutzen würde, doch jetzt war er froh darüber, dass er es doch getan hatte.

Die zuerst noch stummen Tränen liefen nun unkontrolliert über die Wangen der jungen Frau. Das Leben war nicht Fair. Es gab keine Hoffnung. Ab jetzt würde es noch schwerer werden, dass war ihr nun klar. Doch es waren nicht nur Tränen der Trauer, sondern auch die Dankbarkeit darüber, dass diese zwei ihr eigentlich wildfremden Männer, die sie beinahe mit sich in den Abgrund gezogen hatte, solch etwas für sie taten. Es gab ihr ein Gefühl, dass sie vorher noch nie gespürt hatte.

,,D-Danke..", waren die einzigen Worte die sie herausbringen wollte, obwohl es so viel gab das sie Sagen sollte. Sie sollte sich entschuldigen, um Vergebung bitten, doch die Worte hätten in diesem Moment zu sehr geschmerzt. Doch Y/N musste nicht weiter sprechen, denn die beiden Männer hatten eine Ahnung davon welche Bedeutung dieses einzelne Wort hatte.

Während auch Furlan seine Tränen nicht mehr zurückhalten konnte, legte Levi vorsichtig seine Hand auf die Schulter der Frau und streichelte sanft über diese.

Niemand sagte etwas, jeder von ihnen war in seinen eigenen Gedanken verloren. Levi als auch Furlan wussten, dass sie in dieser Situation sowieso nicht das richtige sagen würden. Sie kannten diese Kinder nicht, sie würden für sie für immer nur als leblose Körper in Erinnerung bleiben.

Anders als bei Y/N, die sie nicht nur aufwachsen gesehen hat, sondern sie über all die Jahre aufzog. Kinder die noch eine Zukunft hatte. Kinder, die noch so viel in ihrem Leben erleben konnte. Kinder, die vielleicht eine Chance hatten irgendwann aus dieser Hölle auszubrechen. Nach einigen weiteren Minuten, in denen nur das leise Schluchzen zu hören war, wischte sich Y/N die Tränen aus dem Gesicht und atmete tief durch, ein stummer Hinweis darauf, dass es Zeit war, Abschied zu nehmen und die Beerdigung zu beenden.

Was nun? All die Jahre hatte sie für die Kinder gelebt. In Situationen nur weitergemacht, weil sie nicht einfach aufgeben konnte. Sie hatte die Aufgabe sich um die Kinder zu kümmern, sie durchzufüttern, ihnen Liebe, Sicherheit und Geborgenheit zu geben. Und jetzt? Der Sinn in ihrem Leben war fort.

Levi begriff, dass es nun Zeit war die Frau allein zu lassen.. mehr konnten sie im Moment nicht für sie tun. Im Endeffekt war sie nur eine Fremde, mehr nicht. So hart der Gedanke auch war. Doch bevor sich ihre Wege wohl endgültig trennten, ergriff Furlan das Wort.

,,Hey Y/N willst du uns nicht vielleicht beitreten? Ich weiß, es vielleicht etwas plötzlich, aber ich denke das es funktionieren könnte. Es könnte zuerst schwer werden abe-", doch bevor Furlan weiterreden konnte unterbrach sie ihn. ,,Das ist nett von dir, aber das kann ich nicht annehmen. Ich hab' mich mein ganzes Leben allein durchgeschlagen, dass sollte lieber so bleiben", lehnte sie sein Angebot ab.

Als Furlan es ein weiteres Mal versuchen wollte, war es diesmal Levi der ihm ins Wort fiel. ,,Lass es gut sein, sie hat ihre Entscheidung getroffen", sprach der dunkelhaarige, worauf sein Freund beigab. Auch wenn Levi von seiner Einladung unberührt wirkte, brachte es ihn ein wenig aus der Bahn. Y/N bei ihnen in der Gang? Nein, das war nicht möglich. Auch wenn sie nicht die Person zu sein schien, die sie die letzten Stunden so zum Verzweifeln brachte, war es noch immer viel zu gefährlich. Von der Frau wussten sie kaum mehr als ihren Namen, und von ihren Gegnern noch weniger. Vielleicht war ihr Leid weitaus größer als alles, was sie sich vorstellen konnten. So selbstlos es auch klang, Levi hatte genug eigene Probleme und Ziele die er verfolgte. Zu seinem Glück schien sie zum ersten mal seiner Meinung zu sein, weshalb er sich nicht weiter einmischen musste.

Die beiden Männer beobachteten sie, während sie auf dem Weg zu ihrem Haus machte. Doch gerade als sie die Tür öffnete und wahrscheinlich für immer verschwand, hielt Levi sie auf. Er hatte keine Ahnung warum es ihm plötzlich so wichtig war, doch dieses eine Geheimnis musste er noch wissen.

,,Sag mal, ist Y/N eigentlich dein richtiger Name?", rief er ihr zu. Überrascht blieb die Frau stehen, drehte sich daraufhin zu ihm, ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf ihren Lippen ab.

,,Das war wohl eine der einzigen Dinge bei denen ich die Wahrheit gesagt habe", sprach sie, drehte sich daraufhin wieder zurück und verschwand hinter der Tür.

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Einige Monate waren seit dieser Begegnung vergangen. Obwohl die beiden Männer augenscheinlich ihr Leben fortsetzten, blieb ihnen die Frau noch immer im Kopf. Vor allem Levi schien sie einfach nicht vergessen zu wollen.

Heimlich ging er Nachts raus, lief teilweise Ziellos die Straßen entlang, in der Hoffnung sie wieder zu sehen. Was er tat, wenn er sie wirklich treffen würde, wusste er selbst nichts. Vielleicht wollte er einfach sicher gehen, dass sie mit dem Verlust zurecht kommt.. wenn das überhaupt möglich war. Irgendwann schaffte er es sogar an ihrem Haus vorbeizukommen, doch nie brannte dort Licht. Obwohl die Gräber noch so aussahen wie am tag der Beerdigung, schien das Haus beinahe unbewohnt. Ob sie umgezogen war? Oder einer dieser Typen sich an ihr gerächt hatte? Levi würde es wohl nie erfahren.

Nachdem er eine weitere Nacht damit vergeudet hatte, betrat er leise seine Wohnung, versuchte dabei so wenig Geräusche wie nur möglich zu verursachen. ,,Warst du wieder erfolglos?", fragte ihn Furlan, der im dunkeln am Küchentisch saß, ein schmunzeln dabei auf seinen Lippen. Levi zuckte zusammen, schloss die Tür hinter sich nun lauter als notwendig.

,,Verdammt.. warum bist du noch wach?" fragte ihn Levi, versuchte dabei bewusst seiner Frage aus dem Weg zu gehen. Wusste er etwa davon? Levi war sich sicher, dass seine nächtlichen Ausflüge unentdeckt blieben.

,,Denkst du wirklich ich bin so dumm und hab' nicht mitbekommen, dass du beinahe jede Nacht nach ihr suchst? Es ist schon sehr auffällig, vor allem weil du das vor ihrer Begegnung nie getan hast", stellte der blondhaarige fest. Levi wusste nicht wie er antworten sollte, immerhin wusste er doch selbst nicht warum er es tat.

,,So schwer es auch ist, sie hat sich damals entschieden. Vielleicht ist sie ja umgezogen.. oder naja, sie hat-", wollte Furlan andeuten, doch Levi unterbrach ihn. ,,Sie hat sich nicht umgebracht. Diese sturrköpfige Göre würde das nicht tun, da bin ich mir sicher", sprach er, ließ keinen Raum für Diskussionen offen.

Furlan seufzte daraufhin, fuhr sich durch die blonden Haare und stand von dem Stuhl auf. ,,Na gut.. komm schon, lass uns ins Bett. Nicht, dass wie noch Isabel wecken", sprach er, bevor er in seinem Zimmer verschwand.

Isabel, ein junges, rothaariges Mädchen welches sie vor einigen Wochen aufgenommen hatten. Auch wenn sie und Y/N sich in keiner Weise ähnelten, erinnerte sie ihn doch ein wenig an die Frau. Vielleicht war das Treffen mit Y/N ausschlaggebend dafür, dass Levi weniger Probleme damit hatte jemand Fremdes aufzunehmen. Zumindest wollte er Isabel die Chance geben, ein neues Leben zu beginnen.

Ob es mit ihr auch geklappt hätte? Diese Frage würde wohl für immer unbeantwortet bleiben.

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