
𝐂𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫 𝟓
»Stella, jetzt beruhige dich endlich mal.« versucht Ezra seit Minuten schon die Blondine zu beruhigen. Doch stattdessen regt sie sich immer weiter auf. Ich sitze stillschweigend auf der Couch im Wohnzimmer, während meine Augen Stella verfolgen. Wie eine unruhige Katze läuft sie vor mir hin und her. Mein Magen zieht sich schmerzhaft zusammen. Ezra hingegen war neben seinem genervten Auftreten die Ruhe selbst, fast schon so, als würde er Stellas Aufstand nicht zum ersten Mal erleben.
»Mich beruhigen? Mich beruhigen! Du wagst mir sowas zu sagen? Du bist doch derjenige, der hier ein Flittchen bei sich wohnen lässt.« Stella sieht wutentbrannt zu dem Mann hin.
»Ich habe dir doch schon gesagt, dass sie kein Flittchen ist. Es ist komplizierter als das.«
»Ach was kann denn so kompliziert sein, dass du es mir nicht sagen kannst?«
»Akzeptiere doch einfach die Tatsache, dass nicht alles um deine gepuderte Nase geht. Ich bin dir keine Rechenschaft schuldig. Zwischen uns ist nichts mehr. Also wenn du so freundlich wärst drei Gänge runter schalten, dann können wir wie zwei Erwachsene ordentlich reden.« Ezra beginnt, seinen Nasenknochen zu massieren und scheint nicht mehr lange so ruhig zu bleiben können, bevor er gänzlich explodiert. Doch Stella scheint diese Tatsache entweder zu ignorieren oder sie war einfach zu blind es zu sehen.
»Ich soll runter schalten? Du bist einfach ein Arsch Ezra. Ein Arsch sage ich dir.« das waren die Worte, welche das Fass endgültig zum Überlaufen lassen. Seine Faust kracht in den gläsernen Wohnzimmertisch. Das Geräusch lässt nicht nur mich zusammen Zucken. Auch Stella schaut fassungslos zu Ezra hin, welcher tief durchatmet und sich wieder gerade hinstellt.
»Valerie in mein Büro.« sagt dieser viel zu ruhig. Ich traute mich nicht einmal irgendwas zu sagen und stehe von der Couch auf, bedacht meine Füße nicht, in einem der Tausenden Scherben zu treten. So schnell ich vom Teppich herunter komme, hetze ich schon fast in das Büro.
»Stella, du verlässt diese Wohnung auf der Stelle. Ich will dich hier nicht mehr sehen. Hast du mich verstanden?« ich höre ihre Antwort nicht mehr, da ich bereits vor der Tür zum Büro stehe. Einen Moment später öffnet und schließt sich die Haustür wieder, dass Zeichen das Stella doch nicht ganz dumm ist, sowie ich es gedacht habe.
***
Ich sitze erneut auf dem Stuhl vor dem massiven Schreibtisch, hinter dem Ezra Platz genommen hat. Seit Minuten schon schweigen wir uns an. Ich habe keine Ahnung, was Ezra von mir wollte oder ob ich was sagen sollte. Es war seltsam, seine Ex-Freundin kennengelernt zu haben. Und das dann auch noch in solch einem Moment. Am liebsten wünsche ich mir immer noch, dass sich unter mir ein schwarzes Loch auftut, welches mich auf der Stelle verschlingt. Ich verstehe es einfach nicht, warum mir in der letzten Zeit mir ständig sowas passiert. War ich nicht schon genug mit meiner Last bestraft?
»Es ist an der Zeit dir endlich zu sagen, warum du hier bist. Was meine Intention ist, um genauer zu sein.« Ezra lehnt sich in seinem Stuhl zurück und verschränkt die Arme vor der Brust. »Doch vorab finde ich es sehr löblich von dir, dass du dich, bis auf das eine mal, immer an meine Regeln gehalten hast.«
Ich nicke. Was anderes wusste ich in diesem Moment nicht zu tun. Naja, brechen konnte ich seine Regeln in der letzten Zeit eher weniger. Immerhin war ich nur in meinem Zimmer gewesen und ein Handy zum telefonieren hatte ich so oder so nicht. Was also hätte ich machen können? Genau nichts. Na gut zugegebenermaßen, gab es schon Sachen, die ich hätte machen können, aber meine Angst, wirklich Ärger von Ezra zu bekommen, war dann doch zu groß.
»Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es dir seltsam erscheint, dass ich dich noch nicht zur Polizei gebracht habe. Nun, das hat auch einen Grund.« Ezra legt eine dramatische Atmen Pause ein, ehe er mich mit seinen Augen verschlingt und mir die Luft zum Atmen raubt.
»Ich bin Teil der größten Mafia in ganz Amerika und du meine Liebe hast vor einigen Tagen meine rechte Hand getötet. Dafür wirst du nun bezahlen müssen.«
Ungläubig starre ich Ezra an. In meinem Kopf beginnen sämtliche Zahnräder zu rattern. Was hat er gesagt? Ich habe was getan? Seine rechte Hand getötet? Das kann nicht wahr sein. Das durfte nicht wahr sein. Ezra muss mit Sicherheit lügen. Alexander, er war nie ein Teil einer Mafia. Das hätte ich mit Abstand wissen oder merken
müssen. Sowas kann man doch nicht geheim halten.
In meinem Kopf gehe ich die letzen Jahre meines Zusammenlebens mit Alexander durch. Wir waren auf Galen, Parties oder auch einfach nur irgendwelchen simplen Abendessen mit seinen Kollegen. Ich grabe weiter durch meine Erinnerungen. Langsam schieben sich Dinge in den Vordergrund, die ich damals einfach ausgeblendet habe. Zum Beispiel kleinere Blutflecken auf Alexanders Klamotten oder auch seine Verschwinden von Veranstaltungen. Dann merkwürdige Anspielungen von seinen Freunden auf Dinge, die ich nicht verstanden habe. Ebenso realisiere ich, dass ich Ezra schon mal gesehen habe. Immer nur kurz und meistens nur im Augenwinkel. Er war ebenfalls auf den ganzen Events wie Alexander gewesen. Meistens hatte sich dieser im Hintergrund gehalten, aber dennoch. Ezra war immer ein Teil von ihnen gewesen.
»Wie bitte?« bringe ich hervor. Meine Augen mussten sicher so groß wie Kugeln sein. Innerlich hoffte ich, dass Ezra nur einen Spaß macht. Doch nichts an ihm deutet darauf hin, dass er Spaß macht. Sein Blick ist todernst. Ebenso seine Haltung, die er hat.
»Du musst deine Schulden begleichen, Valerie. Niemand entkommt den Los siete Pecados.« Ezra löst sich aus seiner Position und beginnt, durch seine Papiere zu wühlen, die auf seinem Schreibtisch liegen. Bis er das gewünschte Blatt findet und mir dieses entgegen schiebt.
»Es ist simple. Du hast 365 Tage Zeit deine Schulden zu begleichen. Nach diesem Jahr wirst du frei sein und kannst machen was auch immer du willst.«
Ich schlucke und nehme das Papier in die Hand. Es war nicht viel geschrieben auf dem weißen Blatt. Der Vertrag war einfach. Wie Ezra gesagt hat, habe ich ein Jahr Zeit meine mir zukommenden Schulden abzubezahlen. Ich sehe zu dem Mann auf.
»Da steht nicht, wie ich sie bezahlen soll.« flüstere ich leise. Meine Hände beginnen zu zittern und alles in mir zieht sich zusammen. Ein fieses Grinsen breitet sich auf Ezra's Lippen aus.
»Du wirst für dieses Jahr Teil meiner Mafia werden, Valerie. Natürlich wirst du nicht dieselben Aufgaben haben wie es Alexander hatte, aber wir werden schon etwas Passendes für jemanden wie dich finden. Glaub mir, du wirst mit jedem weiteren Tag deine Schulden mehr und mehr begleichen. Aber lass dich gewarnt sein, strapaziere nie meine Geduld wenn dir dein Leben lieb ist.«
***
Ich wusste nicht, warum ich es tat. Ich konnte nicht sagen, was mich dazu trieb, auf der Linie unter dem Vertrag zu unterschreiben, der mein nächstes Jahr auf den Kopf stellen wird. Der alles verändern wird, als das ich es gekannt habe. Ich wollte endlich Ruhe haben und die bekomme ich nur, wenn ich diese 365 Tage überlebe. Meine Psyche war im Eimer, selbst wenn sich diese in der letzten Zeit etwas erholen konnte. Dennoch.
Ich habe nicht damit abschließen können, was ich getan habe. Ich bin immer noch eine Mörderin, die ihren Ehemann auf dem Gewissen hat. Auch wenn es nur ein Tropfen war, der mein Fass zum Überlaufen gebracht hat, trage ich diese Schuld in mir wie ein Parasit, der sich in meinem Körper eingepflanzt hat.
Ezra hält mir stillschweigend einen Kugelschreiber entgegen. Mit Sicherheit amüsiert er sich sehr über meine innere Zerrissenheit. Irgendwann jedoch lege ich den Vertrag zurück auf den Schreibtisch und greife nach dem Kugelschreiber. Das leise Kratzen des Schreibers erfüllt den Raum, als ich mit schwarzer Tinte meine Unterschrift auf das weiß setzte. Ich kann nicht einmal sagen, was mich dazu getrieben hat, zu unterschreiben. Langsam lege ich den Stift zur Seite und sehe Ezra an. Mein Körper scheint ab diesem Moment wie paralysiert zu sein. Mein Kopf verstand nicht wirklich, was ich gerade getan habe. Das einzige, was ich definitiv wusste, ist, dass ich mein nächstes Jahr endgültig einem Mafiaboss verschrieben habe. Nur ob dies eine gute oder schlechte Entscheidung war, wird sich noch zeigen.
Ezra nimmt sich das Stück Papier, öffnet eine Schublade und legt das Papier in die Schublade rein. Jetzt konnte ich nichts mehr an meinem Schicksal ändern und musste es so hinnehmen, wie es nun auf mich zukommen wird. Ezra lehnt sich auf seinen Schreibtisch und sein Blick wandert über meinen Körper. Eingehend mustern mich seine braunen Augen.
»Du brauchst definitiv eine Veränderung. So kann ich dich nicht mitnehmen.« sagt Ezra und ich schlucke.
»Wohin mitnehmen?« Frage ich vorsichtig.
»Zu einer Party, auf der ich eingeladen bin. Und dort kam ich schlecht mit einer Begleitung auftauchen, die einer Leiche Konkurrenz macht. Immerhin habe ich auch einen Ruf zu verlieren.«
***
Dreißig Minuten später sitze ich auf einem Friseurstuhl und starre angespannt auf mein Spiegelbild. Ezra hat mich persönlich zu diesen Bekannten gefahren und war danach einfach abgehauen. Nun sitze ich hier mit einer dampfenden Tasse Kaffee und warte darauf, dass der Friseur kommt.
»Dann sehen wir uns mal unser heutiges Projekt an.« ertönt eine helle Stimme. Kurz darauf erscheint ein Mann mittleren Alters hinter mir und sieht mich prüfend im Spiegel an. Dafür dass er schon älter ist, ist sein Haar immer noch voll und glänzt in einem tiefen Schwarz Ton. »Mein Name ist Pietro Schätzchen und ich werde dich erneut in eine Prinzessin verwandeln.«
Mit diesen Worten schließt er seine Musterung ab und greift nach einem schwarzen Umhang, den er mir umlegt. Schnell holt er noch einen kleinen Wagen und greift nach der Schere.
»Irgendwelche Wünsche? Nein, gut. Ich habe schon eine Vision, die ich an dir sehe. Du wirst fabelhaft aussehen!« Pietro lässt mir nicht einmal Zeit zum Antworten, da greift er ebenfalls nach einem Kamm und beginnt, sich an meinen Haaren zu schaffen.
Stillschweigend sitze ich vor dem Spiegel, lausche dem Schneiden der Schere oder sehe Pietro dabei zu, wie er meine Haare kämmt. Zentimeter für Zentimeter landen meine Haare auf dem Boden und ich muss mir in die Wange beißen, damit ich keinen spitzen Kommentar von mir gebe. In diesem Moment muss ich dem Mann hinter mir vertrauen, was er macht.
Alexander hatte es nie sonderlich gut geheißen, wenn ich zum Friseur und eine Veränderung haben wollte. Somit habe ich in den letzten Jahren auch kaum etwas an meiner Frisur getan. Alexander wollte immer, dass ich natürlich aussehe, damit ich ja nicht mich vor seinen Kollegen blamiere. Das, was Pietro nun mit mir macht, ist seit Jahren das meiste, was einer Typveränderung nahe kommt. Ehrfürchtig verfolge ich die Bewegungen des Mannes. Seine Arbeit konnte ich nur mit einem Tanz vergleichen, die er absolviert. Zwischendurch fangen wir beide einen leichten Smalltalk an und das erste mal seit Tagen konnte ich mich wirklich entspannen. Ich greife nach meinem Kaffee und trinke diesen Schluckweise aus der Tasse.
»Und was sagen wir? Das ist doch mal ein wahrlich schönes Ergebnis.« Pietro legt mir meine Haare über die Schultern. Ungläubig lehne ich mich vor und sehe mich im Spiegel an. Ich sehe unglaublich schön aus. Pietro hatte meine Haare bis zum Anfang meiner Hüften gekürzt und leichte Stufen hineingeschnitten. Zudem hat er mir ein Shampoo gegeben, welches meine Wellen wieder aktiviert. Diese liegen nun auf meinen Schulter und lassen mich reifer wirken. Ebenfalls hatte er mir etwas Make-up aufgetragen. Der dunkle Lidschatten betont meine Augen und lassen diese strahlen.
»Wow. Es ist wunderschön.« Hauche ich leise und fahre mit meinen Händen durch die Haare. Ich bin sprachlos und mir fehlen jegliche Worte, die mein Aussehen beschreiben könnten.
Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Ezra den Friseur betritt. Er bleibt unmittelbar in unserer Nähe, hinter uns stehen. Seine Augen mustern mich durch den Spiegel und ich setzte ein zögerliches Lächeln auf.
»Du hast hervorragende Arbeit geleistet, Pietro. Danke dir. Das Geld überweise ich dir morgen. Valerie und ich haben noch Arbeit vor uns.«
»Natürlich Mister Knight. Es ist mir ebenfalls eine Ehre gewesen.« Pietro zieht mir den Umhang aus und ich stehe von dem Stuhl auf.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll, aber ich danke dir von ganzem Herzen.« ohne darüber nachzudenken gehe ich zu dem Friseur hin und umarme diesen, bevor ich mich löse und zu Ezra gehe. Dieser dreht sich um und öffnet mir stumm die Tür.
»Unser nächster Stopp wird bei einer alten Freundin sein. Du brauchst was Passendes zum Anziehen für heute Abend. Und vielleicht auch was für später.« erzählt mir Ezra, als ich ihm zum Auto folge.
»Die Party ist heute Abend schon? Das hast du gar nicht erzählt.«
»Brauche ich auch nicht. Immerhin bist du nur die Begleitung.«
Richtig. Ich war nur die Begleitung, welche ihre Schulden bezahlen muss.
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