𝐂𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫 𝟒
Ich liege im Bett und starre die Wand an. In meinem Kopf gehe ich nochmal das Gespräch durch, dass ich vor zwei Tagen mit Ezra hatte. Etwas, was nicht noch seltsamer sein könnte. Man könnte meinen, ich entstamme aus einem Film. Oder aus einem Buch.
Eindeutig stimmt etwas nicht mit mir. Alleine diese Gedanken scheinen doch schon zu sagen, dass ich nicht mehr alle Tassen im Schrank habe. Oder wie ich so oft denke, meine Psyche war kurz gesagt am Arsch.
Ich drehe mich auf die Seite und sehe aus dem Fenster heraus. Die Sonne hängt mittlerweile auf den Hausdächern von New York und taucht die Stadt in ein helles Rot. Ich seufze leise auf. Die Stadt scheint mich sogar mit ihrem Aussehen aus zu lachen, fast schon so, als wüsste sie, was ich getan habe. Ich bin eine Mörderin, das kann man nicht leugnen.
Irgendwann kann ich nicht mehr liegen und stehe auf. Meine Füße tragen mich zu dem Fenster, aus dem ich vorher heraus geschaut habe. Ich öffne dieses und lehne mich an den Fensterrahmen. Leise kommen die Geräusche der Stadt zu mir hoch. Das Hupen der Autos, das leise Bellen eines Hundes oder das Pfeifen eines Polizisten. Die Luft ist hier oben um einiges besser als unten. Dennoch war es stickig und es riecht nach Abgasen. Ich lege meinen Kopf an den Rahmen und sehe auf die rot getauchten Dächer.
Was wohl normale Menschen gerade machen? Menschen mit einem Leben, einem Job und Freunden. Leute, die kaum Sorgen haben und einfach so sein können wie sie eben sind. Sofort wandern meine Gedanken zu meiner besten Freundin.
Charlie. Verdammt.
Ich habe mich Ewigkeiten nicht mehr bei ihr gemeldet. Es wäre nicht verwerflich, wenn sie sich mittlerweile Sorgen um mich machen würde. Sucht sie schon nach mir? Das würde ich der Blonden mehr als zutrauen. Vor allem, wenn nicht irgendwann mal wirklich das FBI in diese Wohnung eindringt. Charlie war einfach eine kleine Chaotin, die mit dem Kopf durch die Wand rennt. Sie war jemand, die sich nicht wirklich Gedanken darum machte, was andere über sie denken. Charlie war die Definition eines Freigeistes. Sie macht was sie will, wann sie es will und wie sie es will.
Auf einmal merke ich, wie sehr ich meine beste Freundin eigentlich vermisse. Sie war immer mein Anker in den schwersten Stunden. Immer wenn ich nicht mehr weiter wusste, war sie für mich da. Hatte mich aufgebaut oder hat mich auf andere Gedanken gebracht. Selbst wenn ich ihr nie gesagt habe, was wirklich los war.
Ich habe mich nie getraut.
Etwas in mir hat sich geweigert, ihr zu sagen, was los ist. Vielleicht weil ich Angst hatte, dass sie mich nicht versteht. Oder dass sie Dinge macht, die sie ebenfalls in Gefahr bringen könnte. Was bei ihr nicht zu verdenken gewesen wäre. Ich wollte einfach nicht noch mehr Sorgen haben, als ich sie ohnehin schon hatte. Vor allem wenn diese Sorgen meine beste Freundin beinhalten, für die ich mehr als nur eine Hand ins Feuer legen würde.
Ich kneife meine Augen zusammen, als mich die Sonne durch eines der gegenüberliegenden Fenster blendet und wende der Stadt den Rücken zu. Die letzten Tage konnte ich nur mit dem Wort verrückt betiteln. Denn das waren diese auch.
Der Mord, Ezra und dieses Gespräch.
Was hätte er wohl gemacht, hätte ich mich nicht seinen Worten gebeugt? Ich kann diesen Mann nicht einschätzen. Alles an seiner Art und Weise ist nicht vorhersehbar. Einerseits scheint er mir zu helfen und auf der anderen Seite war er... Ja, was war er? Er war nicht wirklich nett oder auch hilfsbereit. Er schützt mich auch nicht oder scheint Interesse an mir zu haben. Ezra war einfach Ezra. Anders kann ich diesen Mann nicht beschreiben. Jedoch sagt mir etwas in meinem Inneren, dass es einen Grund geben muss, wieso er mich immer noch bei sich hält und nicht schon längst der Polizei ausgeliefert hat. Doch was es sein könnte, konnte ich mir bei Gott nicht vorstellen.
Ein Seufzen verlässt meinen Mund und ich gehe erneut auf das Bett zu. Diese vier Wände waren in den letzten Tagen mein neues Zuhause geworden. Ezra hatte mir irgendwann neue Klamotten gegeben, die mir besser passen als die, die ich in der Kommode gefunden habe. Es waren sicher keine teuren Klamotten, aber dennoch war es besser als nichts.
Ein Luftzug erreicht mich durch das Fenster und weht durch meine Haare. Wie gerne würde ich wieder einmal nach draußen gehen. Eine Runde durch den Central Park spazieren und einfach alles vergessen. Doch kommen mir die Regeln von Ezra in den Sinn. Rausgehen ist verboten. Auch wenn ich frei von Alexander bin, wurde ich hier erneut eingesperrt. Wieso um alles in der Welt hatte ich nur so etwas verdient? War das gerechtfertigt? Ich habe nie einer Seele auch nur etwas getan. Ich war immer freundlich gewesen. Natürlich bin ich nicht perfekt und habe meine Macken und Ecken. Dennoch. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich immer gut gehandelt. Ich habe mich nie beschwert, wenn Alexander erneut spät nachts von einem seiner One-Night-Stands nach Hause gekommen ist. Ich habe immer brav seine Sachen gewaschen und das gemacht, was er mir gesagt hat. Nie habe ich mich beschwert. Sogar, wenn er mir die Seele aus dem Leib geprügelt hat, war ich stets leise und habe es über mich ergehen lassen. Nie habe ich auch nur ein Wort dagegen gesagt.
Ein schrilles Klingeln lässt mich zusammenzucken. Einen Moment später ertönen schwere Schritte, was mich vermuten lässt, dass Ezra zu seiner Wohnungstür gegangen ist. Dann herrscht Stille. Bis zu jenem Zeitpunkt, an dem Ezra die Tür öffnet.
»Ezra, mein Lieber. Warum meldest du dich nicht mehr?« durchbricht eine hohe Stimme die Stille. Ich schlucke. Er hatte einen Frauenbesuch.
»Stella. Ich habe zu tun.« erwidert der angesprochene kalt. Ich höre ein gekünsteltes Lachen, das mir eine Gänsehaut beschert.
»Unsinn. Du bist nie zu beschäftigt. Vor allem nicht, wenn ich da bin.« flirtet die Unbekannte aus dem Nichts. Mir wird schlecht, denn mir wird sofort klar, um was für eine Art Frau es sich vor dieser Tür handelt. Auch wenn ich diese Stella nicht kenne, wusste ich, dass sie ein Flittchen ist.
»Stella, ich bitte dich. Gehe einfach. Ich habe keinen Nerven für deine Probleme, noch bin ich in der Stimmung dich zu ficken.« weist Ezra sie ab. Ich höre, wie sie schnaubt und mit Sicherheit verdreht sie auch ihre Augen.
»Was ist denn heute mit dir los? Tagelang meldest du dich nicht und wenn ich denke dir eine Überraschung bieten zu können weist du mich ab, als wäre ich eine Straßennutte.«
Ich konnte mir ein leises Lachen nicht verkneifen. Ihr Ego tat mir etwas leid. Aber auch nur etwas. Frauen wie sie konnten oder wollten einfach nicht mit Abweisungen umgehen. Es verletzt sie bis auf das Mark, dass man sie nicht wollte. Ein Jammer, wenn man ehrlich ist. Das nächste, was Ezra antwortet, konnte ich nicht mehr verstehen. Am liebsten würde ich mich für meine nächste Aktion verfluchen, jedoch stehe ich von dem Bett auf und schleiche langsam in Richtung Tür. Leise öffne ich diesen einen kleinen Spalt und gucke durch diesen hindurch.
Ezra steht mit seinem Rücken zu mir. Heute hatte er ganz entgegen meiner Erwartungen ein schwarzes Poloshirt und einfach Jeans an. Vor ihm steht mit Abstand die schönste Frau, der ich jemals begegnet bin. Stella ist recht groß, ich würde sie auf bestimmte 1,75 Meter schätzen. Blassblaue Augen, die ihren pfirsichfarbenen Teint schmeicheln und dann diese Haare. Brustlange erdbeerblonde Haare, welche in sanften Wellen um ihr Gesicht fallen. Selbst einer Disney-Prinzessin könnte diese Frau Konkurrenz bereiten. Ich weiß nicht, auf welchen Typ Frau Ezra steht, aber ich konnte mit Sicherheit sagen, dass sie in sein Beuteschema passt.
»Ezra komm schon. Jetzt habe ich dich doch nicht so.« murrt Stella und legt eine ihrer manikürten Hände auf seinen Arm. »Du brauchst nur wieder jemanden, der dich auf andere Gedanken bringen kann. Wir beide harmonieren einfach perfekt miteinander.«
»Das ist zwischen und ist schon lange vorbei. Schon ab dem Moment, als du Felix in meinem Büro gefickt hast.«
»Da war ich doch mega besoffen Baby. Ich habe dir schon so oft gesagt, dass es nur ein Unfall war.«
»Wie ein Unfall hat es sich aber nicht angehört, so sehr hast du die Wohnung zusammen geschrien.« Ezra schüttelt ihre Hand von seinem Arm ab. Wäre ich er, dann wäre meine Stimmung sicher jetzt schon am Nullpunkt und ich hätte sie schon längst rausgeschmissen. Ich lehne mich weiter nach vorne und knalle unabsichtlich mit dem Kopf gegen die Wand.
»Scheiße.« fluche ich und reibe mir direkt die Stirn, welche zu pochen beginnt. Warum zum Teufel passiert mir immer so einen Mist, wenn man diesen am wenigsten braucht?
»Was war das?« fragt Stella sofort und sieht an Ezras Seite vorbei in die Wohnung. Ein Wunder, dass sie meine leicht offene Tür nicht erkannt hat.
»Das war sicher nur ein Vogel, der gegen eine Scheibe geflogen ist.« wirkt Ezra ab. Doch Stella lässt sich nicht abwimmeln. Stattdessen geht sie an ihn vorbei und weiter in Richtung Wohnbereich. Anscheinend musste es wirklich sehr an ihrem Ego kratzen, wenn sie glaubt, was besonderes für Ezra zu sein.
»Wenn das nichts war, warum liegen dann hier Kassenbons für gekaufte Frauenkleider?« fragt Stella laut. Ich runzle die Stirn. Gott, was war sie denn? Eine vom FBI? Hatte sie überhaupt ein Recht dazu, in Ezra's Sachen herum zu wühlen? Ein Jammer, dass ich nicht sehen kann, was im Wohnbereich vor sich geht. Dafür wollte ich meine Position nicht aufgeben.
»Was interessiert es dich? Es ist meine Sache, was ich mit diesen Klamotten mache.«
»Ach, ist das so? Du bist echt das letzte Ezra.« knurrt Stella. Ich höre, wie sie erneut zur Haustür geht. Ich stelle mich von dem Spalt weg. Gerade als ich hoffe, dass die Frau die Wohnung verlässt, knallt die Tür zu meinem Zimmer auf. Die Blonde steht direkt vor mir und geschockt reiße ich die Augen auf.
»Sieh einer an. Von wegen nichts. Willst du mich nicht deinem kleinen Flittchen vorstellen, dass nichts besseres zu tun hat als fremde Gespräche zu lauschen?«
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