
𝐂𝐡𝐚𝐩𝐭𝐞𝐫 𝟏
Der Duft eines herben Parfums steigt mir in die Nase. Ich wusste sofort, dass es nicht das Parfum von Alexander ist. Ich wusste, wie er riecht. Selbst wenn er aus einem Puff oder dergleichen kommt. Wir waren vier Jahre verheiratet.
Vier Jahre.
Die Erinnerung des letzten Abends kommt mir in den Sinn und sogleich zieht sich mein Magen zusammen, was mich übel werden lässt. Ich rolle mich in den dunklen Lacken zu einer kleinen Kugel zusammen und schiebe die Decke von meinem Körper. Ich konnte nicht sagen, ob es schwarz oder dunkelblau ist.
Jemand hatte die Gardinen des Zimmers zusammen gezogen und nur ein kleiner Spalt Licht kommt zu mir herüber. In meiner zusammengerollten Position nehme ich durch meinen Gedankennebel das Zimmer wahr. Definitiv lag ich auf einem großen Bett, mit einer weichen Matratze. Gegenüber von mir steht eine Kommode, über welcher ein Spiegel hängt. Meine Augen bleiben an meinem Spiegelbild hängen. Durch das spärliche Licht erkenne ich, dass mir jemand das Blut von meinem Gesicht gewaschen haben muss. Auch habe ich etwas anderes an. Ein weißes Shirt und eine graue Jogginghose. Es waren definitiv nicht meine Sachen, die ich besitze.
Mein Kopf beginnt zu rattern und ich überlege, wer mich umgezogen hat. Vage erinnere ich mich an den Mann, der mich gestern gefunden hat. Er hat etwas gesagt, von wegen, dass ich nun sicher sei. Was hatte er damit gemeint? Immerhin war ich gestern getränkt in dem Blut meines Ex-Mannes und es würde mich nicht wundern, dass er mich bald bei der Polizei verpfeifen würde. Letztendlich war ich eine Mörderin, weswegen dieser Gedanke nicht einmal verwerflich ist. Und wahrscheinlich wäre meine zertrümmerte Seele diesem Mann nicht einmal böse. Ich schließe meine Augen und augenblicklich fühle ich mich schmutzig, verdreckt und schuldig. Letztes sollte ich mich auch fühlen. Oder wäre es seltsam, sich nicht schuldig zu fühlen? Bin ich kaputt, wenn ich es nicht machen würde? Eventuell sollte ich auch keine Schuldgefühle haben. Aber mein Körper fühlt sich schuldig, mein Kopf fühlt sich schuldig. Und erneut sage ich mir, dass ich es eben auch bin.
Ich bin eine Mörderin.
Tief in meinen Gedanken höre ich auf einmal Geräusche vor meinem Zimmer, in dem ich liege. Langsam hebe ich meinen Kopf und sehe auf die Zimmertür. Mein Herz beginnt schneller zu schlagen, Panik macht sich in meinem Körper breit. War das die Polizei? War es das FBI? Haben sie mich gefunden? Mein Kopf scheint zu explodieren und ich beginne unregelmäßig zu atmen. Meine Finger krallen sich in meine Beine und wie erstarrt, sehe ich auf die Tür. Minuten vergehen oder waren es Stunden? Ich kann es einfach nicht sagen. Jedoch scheint keiner in mein Zimmer zu kommen und mich festzunehmen. Die Panik verschwindet langsam aus meinem Körper und ich beginne mich zu entspannen. Ich war sicher. Das sage ich mir zumindest die ganze Zeit selbst, auch wenn es wahrscheinlich das dümmste ist, was ich mir denken kann.
Sicherheit? In einem Moment, wo man selbst als freilaufende Mörderin durch die Gegend wandert. Wäre ich nicht ich, dann würde ich denken, dass ich frisch aus einer Klapse entkommen bin. Eine Psychopathin, die auf freiem Fuß ist und ihren Mann umgebracht hat.
Es kommt der Moment, in dem ich mich endlich dazu beschließe, den Geräuschen auf die Spur zu kommen. Herauszufinden, wer sie verursacht und was sie sind. Ich setzte mich auf und rutschte zur Kante des Bettes und stelle meine Füße auf den Boden ab. Einen weichen Teppich kann ich unter diesen erspüren, ehe ich mich aufstelle und vorsichtig in Richtung Tür gehe. Meine Hand ergreift das kühle Metall der Klinke und leise öffne ich die Tür und spähe heraus. Ein breiter Flur ist vor meiner Tür und wieder ertönen die Geräusche. Dieses Mal lauter und deutlicher. Ich erkenne, dass es das Klappern von Geschirr ist. Einmal atme ich tief durch und trete aus dem Zimmer heraus. Ich folge den Geräuschen bis in die Küche und sehe mich dabei um.
Das Apartment ist groß. Größer als das von Alexander und mir. Im Wohnzimmer erspähe ich eine Treppe, die in einen zweiten Stock führt. Allgemein war mir diese Wohnung viel sympathischer als meine eigene. Cremefarbene Möbel, grüne Kontraste mit kleinen Pflanzen oder passende Deko in sanften Tönen.
»Scheint, als wäre jemand endlich aufgewacht.« höre ich die tiefe Stimme von gestern sagen. Ich drehe mich um meine eigene Achse, bis ich mich vor einem Mann wiederfinde. Meine Augen mustern meinen gegenüber. Hochgewachsen und zu meiner Schande, muss ich gestehen, dass er sehr attraktiv ist. Kurze silberblonde Haare, haselnussbraune Augen und Muskeln wie ein Gott. Glatt könnte ich meinen, er wäre die lebende Version von Geralt von Rivia aus the Witcher. Nur mit braunen Augen anstatt den goldenen und kürzeren Haaren. Aber seine Statur kam dem Witcher schon sehr nahe. Nicht zu vergessen das sein schwarzer Rollkragenpullover seinen breiten Oberkörper betont.
»J-ja. Ich... danke?« bringe ich spärlich heraus und räusper mich. Danke, wirklich jetzt? Habe ich mich bei einem Fremden dafür bedankt, dass er mich bei sich aufgenommen und nicht bei der Polizei ausgeliefert hat? Was ist nur falsch mit mir?
Mein Gegenüber schnaubt, was nicht wirklich amüsiert klingt. Er greift nach einem Geschirrtuch und wischt seine Hände an diesem sauber, ehe er dieses weglegt und sich an dem Tresen vor sich abstützt.
»Danke.«, seine Miene wird kühler, während er seine braunen Augen auf meine heftet. »Ich habe das nicht aus Dankbarkeit getan. Wäre ich nicht ich, dann würdest du mit Sicherheit nicht nur in einer Zelle, sondern auch auf dem Todesstuhl sitzen.«
Ich schlucke und wende meinen Blick ab. Warum hat er es dann getan, wenn nicht aus Dankbarkeit? Ich kenne diesen Mann nicht, ich habe ihn noch nie zuvor gesehen. Aber so wie er lebt, scheint er keine unbekannte Seele in der New Yorker High Society zu sein. Jedes Möbelstück in diesem Apartment schreit nach Geld und zeigt mir, dass er nicht hungern muss, um sich so etwas leisten zu können. Vor allem, wenn man einen Blick auf die Skyline hat, ohne andere Hochhäuser vor seinem Fenster zu haben.
»Warum hast du es dann getan? Ich kenne dich nicht, du kennst mich nicht. Es ist nett, dass du mich bei dir aufgenommen hast. Aber warum?« Frage ich und sehe wieder zu dem Mann vor mir. Es wurde mir einfach nicht klar, wieso er mich von der Straße mitgenommen hat. Vor allem mitten in der Nacht, Blut verschmiert und alleine.
»Nur weil du mich nicht kennst, heißt es nicht, dass ich dich nicht kenne, Valerie Dawson.« bei der Erwähnung meines Namens schlucke ich. Der Unbekannte drückt sich vom Tresen weg und ich erkenne das Spiel seiner Muskeln unter seinem schwarzen Shirt. Gerade so kann ich mich halten nicht zu sabbern bei diesem Anblick, der sich mir bietet. Himmel, Boden, mach dich unter mir auf. Verschlinge mich und lasse mich nie wieder heraus. Ich war definitiv kaputt.
»Woher kennst du meinen Namen?«
»Dein Ehemann... dein toter Ehemann und du waren oft auf dem Coverbild, von so jedem Klatschblatt der Welt.« er sagt es mit so einer Selbstsicherheit, dass ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Wie hatte er herausgefunden, dass Alexander tot ist?
»Man hat seine Leiche heute morgen gefunden. Nachbarn haben die offene Wohnungstür gesehen und den Rest kannst du dir denken.«
Jegliche Farbe verschwindet aus meinem Gesicht, sodass ich sicher den Wänden meiner Wohnung Konkurrenz bieten kann. Wenn Alexander gefunden worden ist, dann muss es auch heißen, dass man die Tatwaffe gefunden hat. Und das muss bedeuten, die Polizei war mir bereits auf der Spur. Ich taumle leicht zurück und fahre mir durch die Haare. Erneut überrennen mich die Erinnerungen an meine Tat. Wie konnte ich einfach so blind aus der Wohnung rennen? Ohne an meine Konsequenzen zu denken?
»An deinem Gesichtsausdruck kann ich feststellen, dass du dir Sorgen machst. Brauchst du nicht. Es wurde keine Tatwaffe gefunden. Jedenfalls bis jetzt noch nicht.« der Namenlose erzählt mir diese Tatsache, so als würden wir beide gerade beim Kaffee sitzen und über alte Zeiten plaudern. Ein kalter Schauer rennt meinen Rücken herunter. Wie konnte er nur solche Tatsachen so gefühlskalt sagen? War er überhaupt ein Mensch?
Unsere Augen finden sich erneut und ich erkenne keine einzige Emotion in diesen. Sein Braun war so kalt, dass mein Inneres zu gefrieren beginnt. Mein Herz schlägt schneller und ich konnte nur noch schwer atmen.
»Was ist los? Sprachlos? Keine Sorge, ich wäre es ebenso, wenn ich du wäre. Vor allem nach allen was passiert ist. Nicht wahr?« der Mann kommt um den Tresen herum und läuft auf mich zu. Bis er nur noch wenige Schritte vor mir steht. Er ist groß. Sicher ein oder zwei Köpfen größer als ich. Meine Kehle wird trocken, mein Kopf beginnt sich zu drehen. »Ich kann in deinen Augen sehen, dass du Fragen hast. Viele Fragen. Ich werde sie dir irgendwann alle beantworten. Aber bis dahin, sei mein Gast, fühle dich wie zuhause. Du bist hier sicher.«
Ich versuche zu nicken, wobei es eher eine abgehackte Bewegung meines Kopfes ist. Ich verstehe es immer noch nicht. Nein, eigentlich waren es nur herumfliegende Fragezeichen in meinem Kopf, die sich nicht klären wollten. Es war zu verwirrend, als dass mein Kopf es verarbeiten wollte. Erst musste ich damit klar kommen, dass ich jemanden umgebracht habe. Dann, dass ich nun bei einem Fremden bin, der mich einfach aufnimmt, ohne mit der Wimper zu zucken. Es war zu viel, dass ich nicht verstehe. Das für mich einfach keinen Sinn ergibt. Und diese Sachen lassen mich immer mehr wie in einem Krimi fühlen, der nicht zu enden scheint.
»Kann ich eine Frage stellen?« bringe ich in meinem Gedankenchaos hervor.
»Nur eine Frage.«
»Wie ist dein Name?« der Mann vor mir lacht trocken auf, ehe er mit seiner Hand nach meinem Kinn greift und meinen Kopf nach oben zieht. Seine Augen scheinen in meine Seele zu starren.
»Warum willst du diesen wissen?«
»Weil du auch meinen kennst.« flüstere ich leise. Er zieht mich an meinem Kinn näher zu sich heran. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut, was mich unwohl werden lässt. Ein unerkennbares Lächeln bildet sich auf seinen Lippen.
»Ich heiße Ezra. Ezra Knight, Liebes.«
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