
„Was ist hier bloß passiert?"
Nur wenige Meter vor dem Bieberdamm hörten die Kinder und Herr Bieber ein weit entferntes Heulen. Alle starrten erschrocken in die Richtung aus der das Heulen kam. Die Angst gab ihnen allen einen Adrenalinschub und sie rannten den restlichen Weg zum Eingang. „Schnell mein Herz, sie sind uns auf den Fersen!", rief Herr Bieber, während er in den Damm stürzte. „Oh, also gut", meinte Frau Bieber abgelenkt, während sie anfing, im ganzen Damm herumzulaufen und Lebensmittel in kleine Beutel zu packen. „Was macht sie da?", fragte Peter den Bieber panisch. Mirijam ging es genauso. Ihr klopfte das Herz bis zum Hals und wenn sie sich nicht beeilten, könnten die Wölfe sie schnappen! „Ihr werdet mir noch dankbar sein!", entgegnete Frau Bieber. „Es ist ein weiter Weg und Herr Bieber bekommt immer so richtig schlechte Laune wenn er hungrig ist!" „Ich hab jetzt schon schlechte Laune!", schrie der Bieber. Mirijam allerdings auch. Peter starrte mit geöffnetem Mund auf Susan, die begann Frau Bieber zu helfen. Auch Mirijam beschloss, mitzuhelfen, da Frau Bieber sich nicht umstimmen ließ und es zu dritt einfach schneller ging.
Draußen hatte sich das Rudel Wölfe schon im Wald vor dem Damm versammelt und wartete auf Anweisungen ihres Anführers. Ein paar Sekunden war es still. „Schnappt sie euch", sagte Maugrim schließlich mit kalter Stimme. Mit einem Knurren stürzten die Wölfe los und suchten sogleich um den Damm herum nach einem Eingang.
Im Damm fragte Susan gerade:„Brauchen wir Marmelade?" Peter antwortete gereizt:„Nur wenn die Hexe uns Toast serviert!" Mirijam konnte seine Verzweiflung ja verstehen. Jeden Moment konnten die Wölfe hier sein. Und auf einmal hörten alle von draußen ein Knurren und ein Scharren. Alle hielten inne. Mirijam starrte zu Susan und Susan starrte zu Mirijam. Mirijams Hände zitterten so stark, dass sie das Glas mit Marmelade fallen ließ, welches sie in der Hand gehalten hatte. Auf einmal waren Löcher und Pfoten in den Wänden zu sehen. „Schnell, hier lang!", sagte Herr Bieber, öffnete eine Luke im Boden und sprang hinein. Dann kam Frau Bieber mit einem Beutel, dann Susan mit einem, dann Lucy, dann Mirijam mit einem Beutel und zuletzt Peter, der die Türe schloss. Das würde die Wölfe hoffentlich eine Zeit lang beschäftigen. Peter bekam eine Fackel in die Hand gedrückt und lief vorn bei den Biebern um ihnen den Weg zu leuchten, Mirijam bildete nun das Schlusslicht. Der Tunnel war natürlich aus Erde und so hoch, dass Susan, Mirijam und Peter nur gebückt laufen konnten.
Die Wölfe waren unterdessen in den Damm gelangt, wo natürlich keiner mehr war. Sie räumten das Geschirr aus den Regalen, dass auf dem Boden zerbrach. Sie warfen Möbel um und zerbrachen andere Sachen, bis der Damm schließlich der Höhle von Herrn Tumnus glich. Einer der Wölfe scharrte an der Luke, durch die die Kinder und die Bieber verschwunden waren. Als sie sich endlich öffnete schaute er nach unten und winselte. Ohne eine weitere Sekunde zu zögern sprang er hinunter und die anderen sprangen hinterher.
Im Tunnel war die Stimmung deutlich angespannt. „Den haben Dachs und ich gegraben", sagte Herr Bieber. „Der Tunnel führt direkt zu seinem Bau!" „Du hast mir doch gesagt, er führt zur Kirche!", sagte Frau Bieber schockiert. Mirijam hätte unter anderen Umständen angefangen zu kichern, aber jetzt war sie so nervös, dass sie das gesagte nur halb verstand. Auf einmal stolperte Lucy. „Lucy!", schrien Susan und Mirijam, die beide zu ihr stürzten. Allerdings fiel Mirijam über die selbe Wurzel und lag auf einmal neben dem kleinen Mädchen. Ein scharfes Gefühl zuckte durch ihr rechtes Bein. Lucy wollte etwas sagen, doch auf einmal hörten sie alle das unheimliche Scharren und starrten den Gang entlang. „Sie sind im Tunnel", flüsterte Lucy voller Angst. „Schnell, hier lang!", rief Herr Bieber. Lucy rappelte sich auf und rannte Susan hinterher. Mirijam stand auch hastig auf und ignorierte das schmerzhafte Pochen in ihrem Knöchel. Allerdings ging das nicht lange gut und sie fing an zu taumeln. Die anderen drehten sich erschrocken zu ihr um. „Was ist?", fragte Susan panisch. „Ich glaube, irgendwas ist mit meinem Knöchel", japste Mirijam. Peter drückte Susan die Fackel in die Hand und rannte zu ihr zurück um ihr zu helfen. „Danke", keuchte Mirijam. „Beeilt euch!", rief Frau Bieber sorgenvoll als sie weiterhasteten, Mirijam gestützt von Peter.
Mirijam fühlte sich wie eine große Last. Es waren immer noch vier statt fünf Throne in Cair Paravel und sie hielt die Pevensies mit ihrem Knöchel auf. Der Marsch durch den Tunnel kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Herr und Frau Bieber trieben immer wieder zur Eile an, ihr Knöchel pochte unangenehm und ihr tat das Denken weh. Auf einmal hielt Peter an. Mirijam schaute auf. Auch die anderen hatten angehalten und das hatte einen Grund. Vor ihnen war eine Wand. Eine Sackgasse. Sie hatten sich verlaufen! Und die Wölfe kamen näher und näher. „Warum hast du keine Karte mitgebracht?", fragte Frau Bieber ihren Mann hektisch. „Da war kein Platz mehr, neben der Marmelade!", fauchte dieser. Er sprang nach oben, in ein Loch, das nach oben führte. Es war ein weiterer Tunnel, obwohl Tunnel wohl etwas übertrieben war. Der Gang glich eher einem Loch nach oben, dem Ausgang.
Frau Bieber kletterte hinter ihm her. Peter stieß Susan mit seiner Schulter an, da er Mirijam allein nicht hinaufhelfen konnte. Susan verstand seinen Blick und trat einen Schritt zurück, um Mirijam nach oben zu helfen. „Ihr müsst nicht-", wollte diese sagen, da sie sich noch blöder vorkam, doch Peter schaute sie mit einem Blick an, der sagte: Halt verdammt nochmal die Klappe!
Als Mirijam sich schließlich halbwegs aus dem Loch in die Freiheit gekämpft hatte, zog sie sich mit letzter Kraft vollständig hinaus, fiel in den Schnee und blieb so liegen. Ihr Atem ging schwer. Der Schnee war kühl und half ihr, sich zu konzentrieren. Sie erinnerte sich, dass sie das einmal gelernt hatte, sich in schwierigen Situationen zu konzentrieren. Warum hatte sie sich früher nicht erinnern können? Dann wäre es ihr jetzt vielleicht besser gegangen...
Nach ihr kam Susan, die Lucy hinaufzog, dann kam auch Peter aus dem Loch. Zusammen mit Herr Biebers Hilfe rollte er ein Fass vor das Loch, das die Wölfe aufhalten sollte. Mirijam konnte wieder klarer denken und ihr ging es deutlich besser. Sie setzte sich auf, als Lucy einen Schritt nach hinten ging und stolperte. Alle blickten erschrocken zur jüngsten Pevensie. Doch aus den Augen wich jede Erschrockenheit dem Entsetzen und Bestürztheit, als sie sahen, was links neben Lucys Füßen lag.
Dort waren ein paar Hasen und ein Eichhörnchen, aus Stein, mit einem Ausdruck von Entsetzen und Angst auf dem Gesicht, die einem den Atem nahm. Lucy schaute mit Angst in den Augen zu ihren Geschwistern. Noch vor ein paar Stunden war sie so froh gewesen, dass sie alle hier waren. Jetzt glich Narnia eher einem Albtraum. Einem Albtraum dem man nicht entkommen konnte.
Der Blick der Kinder fiel nun auf den Bieber, der sich langsam einer Statue näherte, die zum Schutz die Hände vor's Gesicht gehoben hatte. Es war ein Dachs. „Es tut mir so leid mein Lieber!", sagte Frau Bieber und legte ihrem Mann eine Hand auf die Schulter. „Er war mein bester Freund", sagte Herr Bieber traurig. Lucy war wieder aufgestanden und sah sich mit ihren Geschwistern bestürzt um. Mirijam wollte nicht aufstehen. Zu Groß war die Angst vor dem, was sie sehen würde. Aber sie konnte Tische entdecken und Stühle. Diese armen Tiere hatten wohl gefeiert, als sie versteinert wurden. An die Wölfe oder an die Flucht dachte gerade keiner mehr.
„Was ist hier bloß passiert?", fragte Peter nach langem Schweigen. „Genau das was passiert, wenn man der Hexe in die Quere kommt!", sagte eine Stimme hinter ihnen. Alle drehten sich erschrocken zu der Stimme um. Peter stellte sich instinktiv vor seine Schwestern und schaute panisch zu Mirijam. „Einen Schritt weiter du Verräter und ich werd Späne aus dir machen!", rief Herr Bieber wütend und marschierte dem Fuchs entgegen. Seine Frau versuchte, ihn zurückzuhalten. „Ruhig Blut!", sagte der Fuchs mit einem leichten Lachen. „Ich bin einer von den Guten!" Er näherte sich den Kindern, die zunehmend nervöser wurden. „Ach ja? Für mich siehst du aber eher wie einer von den Bösen aus!", rief Herr Bieber aufgebracht. „Bedauerliche Familienähnlichkeit", sagte der Fuchs. „Aber über Artenverwandtschaft reden wir später. Jetzt sollten wir schleunigst von hier verschwinden!"
Als hätten sie nur auf diesen Satz gewartet, hörten die Kinder ein Heulen aus dem Tunnel. Mirijam rutschte ein Stück vom Tunnelausgang weg, aber das war alles, was sie tun konnte. Wäre sie die Mirijam aus ihrem ersten Leben hier in Narnia gewesen, hätte sie den anderen Mut gemacht und ihnen geholfen, aber diese Mirijam war sie nicht mehr. Peter schaute den Fuchs verzweifelt an und fragte:„Wie lautet der Plan?"
Der Plan war, dass die Pevensies, Mirijam und die Bieber auf einen Baum steigen und sich dort vor den Wölfen verstecken sollten. In der Theorie war es ein perfekter Plan. In der Praxis eher nicht.
Die Bieber waren fast sofort oben, Peter half Susan und Lucy auf den ersten Ast und wollte auch Mirijam helfen, aber die saß immer noch im Schnee und starrte voller Angst auf den Baum. „Was ist?", fragte Peter panisch und lief zu ihr. „Ich hab... Höhenangst", presste sie heraus. „Verdammt", murmelte Peter. Aus dem Tunnel war ein Heulen zu hören. Es war schon sehr nah. Peter griff nach Mirijams Arm und zog sie auf die Beine. „Bitte", flüsterte er. Dann half er Mirijam auf den Baum. Es war zwar äußerst schwer, aber irgendwann hatten sie es geschafft. Die Kinder saßen alle keuchend auf einem Ast im Baum und schauten hinunter. Mirijam schaute nicht hinunter. Sie klammerte sich überall fest, wo sie hinkam. Das war unteranderem Peters Arm. Als dieser sie fragend anschaute, bemerkte er ihren panischen Blick und legte einen Arm um sie, um sie um beruhigen. Das half allerdings überhaupt nicht weiter und Mirijam hatte fast noch größere Angst vor den Heruterfallen als vorher. Ihre Haare fielen nach vorne und sie hatte nicht die Überwindungskraft eine ihrer Hände zu lösen, sodass keiner bemerkte, wie Tränen über ihre Wangen liefen.
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