
„Oh, das wird ihr aber nicht gefallen!"
Mirijam war bewusst, dass die vier Kinder an diesem Nachmittag ankommen sollten. Deshalb konnte sie sich nicht wirklich auf das Buch konzentrieren, welches sie gerade laß. Sie lag queer auf einem alten Sessel, der auf dem Dachboden über ihrem Zimmer lag. Alle ihre Lieblingsbücher hatte sie schon vor ein paar Jahren aus der Bibliothek des Professors entfernt und immer wieder kam sie ihm entgegen gelaufen mit einem neuen Stapel auf den Armen, über den sie nicht einmal hinüberschauen konnte. Die Dachbodenkammer war aus dunklem Holz, das einzig farbige war der Sessel, er war grün mit einem Blumenmuster. Über dem Sessel war ein Dachfenster, welches ihr Licht gab. Ein oder zwei Meter weiter war eine Luke im Boden in der eine Leiter stand. Über diese Leiter konnte man in ihr eigentliches Zimmer.
Seufzend schaute sie auf. Ihr Kopf war einfach zu voll um den zusätzlichen Stoff aufzunehmen. Dabei war das ja eigentlich der richtige Schulstoff und alles andere war zusätzlich. Wie zum Beispiel die vielen Sprachen, die sie konnte. Oder die vielen Instrumente, die sie spielte. Oder das Wissen, dass sie an diesem Nachmittag das erste Mal andere Leute treffen würde. In die Schule war sie nie gegangen, Mrs Macready, die Haushälterin des Professors hätte ihr Hausunterricht erteilt. Deswegen laß sie auch das Buch.
Als der Professor, der Besitzer des Anwesens, der mit ganzem Namen Diggory Kirke hieß, ihr und den Dienstmädchen vor zwei Wochen mitgeteilt hatte, dass er vier Kinder hier aufnehmen würde, damit sie sicher vor den Bombenangriffen wären, hatte sie sich entsprechend gefreut. Vielleicht war unter den vier Kindern, die Geschwister waren, ja sogar ein Mädchen in ihrem Alter dabei! Freunde hatte sie nie wirklich gehabt, außer dem Pferd, welches nicht viel redete, und den Dienstmädchen, aber als Freunde konnte man diese auch nicht ganz bezeichnen. Mirijam fuhr sich durch ihre langen Haare. Noch vor ein paar Wochen waren sie kurz, glatt und dunkelbraun gewesen, jetzt waren sie lang, wellig und hellbraun. Wie das passieren konnte, wusste keiner, aber alle schoben es auf die Entwicklung des Körpers und soetwas. Sie öffnete das kleine Dachfenster und schaute hinaus. Im Hof vor dem Anwesen des Professors war Mrs Macready, die Haushälterin des Professors, die das Pferd aus dem Stall holte und an die Kutsche spannte.
Mirijam war so in Gedanken versunken, dass sie erst nach ein paar Minuten bemerkte, dass Mrs Macready nicht mehr da war. Unter ihr öffnete sich ihre Zimmertür. Außer dem Professor, Mrs Macready und Mirijam lebten hier auch drei Dienstmädchen: Die braunhaarige, junge Ivy, die alte, weißhaarige Margaret und die blonde Betty. Mirijam mochte Ivy am liebsten, denn Betty war ein wenig dümmlich und Margaret sehr ernst. Ivy hingegen war immer freundlich und auch manchmal sarkastisch. Es war auch Ivy, die die Tür einen Spalt geöffnet hatte. „Mirijam? Mrs Macready möchte dich sprechen", sagte sie. Ihre Stimme klang warm, als würde man am ersten Sommertag die Augen öffnen, weil die Sonne einen gekitzelt hatte. Mirijam kletterte schnell die Leiter hinunter und riss die Tür auf.
„Oh, das wird ihr aber gar nicht gefallen", sagte Ivy skeptisch, während sie Mirijam musterte. Damit bezog sie sich auf Mirijams Kleidung. Sie trug ein altes weißes Hemd des Professors, welches sie in einen grauen Rock gesteckt hatte, sodass es sehr unaufmerksam und schlampig aussah. Aus Mrs Macreadys Sicht zumindest, Ivy und Mirijam fanden es sogar sehr schick. „Ich weiß", sagte Mirijam. „Nun gut, dann Versuch das Mal dem Drachen zu erklären. Viel Glück", sagte Ivy. Der Drache war ein Geheimname für Mrs Macready zwischen Ivy und Mirijam. Dann drehte Ivy sich um und trippelte die Treppe hinunter.
Mirijam rannte ihr beinahe hinterher, war aber dennoch nicht schneller als sie. Als sie jedoch unten in der Eingangshalle eintrafen, war Mrs Macready nirgendwo zu sehen. Mirijam lief nach draußen. Mrs Macready stand bei der Kutsche und legte ein paar Taschen hinein. Auch Ivy, Betty und Margaret kamen nach draußen.
Mrs Macready drehte sich nun um und ging auf die vier zu. „Ich werde jetzt losfahren, um noch ein paar Einkäufe zu tätigen und dann werde ich zum Bahnhof fahren. Mirijam, du wirst aufpassen, wann ich wieder komme, und sobald du die Kutsche siehst, holst du Margaret, Betty und Ivy. Ihr drei bringt die Einkäufe ins Haus, Mirijam, du wirst die Gäste mit den Regeln vertraut machen und ihnen ihre Zimmer zeigen. Ich werde für den Rest des Tages nicht hier sein und erst spät in der Nacht zurückkommen, wenn nicht sogar erst Morgen." Mirijam und die Dienstmädchen nickten brav und verabschiedeten sich von Mrs Macready, die davonfuhr.
Die Dienstmädchen drehten sich um und gingen wieder ins Haus. „Was macht ihr noch bevor sie ankommen?", fragte Mirijam fröhlich. „Alles was wir gestern nicht geschafft haben", sagte Ivy. Das Haus war so groß, dass die Dienstmädchen es erst nach einer Woche durchgeputzt hatten und dann gleich wieder von vorn anfangen konnten. In der Eingangshalle trennten sich die Wege. Mirijam lief die Treppe rechts hinauf, die Dienstmädchen nach links. Ein paar Stockwerke später saß Mirijam in ihrem Zimmer auf dem Klavierstuhl. An der Wand rechts von der Tür stand ihr Kleiderschrank und eine Kiste mit Sachen, die ihr zu klein waren. An der Wand gegenüber der Tür stand ein Klavier, dann war ein wenig weiter links ein Fenster, dann kam ihr Schreibtisch und links von der Tür war ihr Bett. An der Türwand standen ihre anderen Instrumente. Sie setzte sich auf den Klavierstuhl, der einzige Stuhl den sie hatte. Sie fing an, darauf zu spielen. Die ersten Noten kamen ihr bekannt vor, bis sie bemerkte, dass sie eines ihrer Lieblingsstücke spielte, ein fröhlicher Walzer, auf den sie gerade aber eigentlich keine Lust hatte.
Sie stöhnte auf. Es war so langweilig! Sie schaute aus dem Fenster. Keine Spur von einer Kutsche. Das konnte ja ein spaßiger Tag werden...
Ja, das Kapitel ist ein wenig kürzer xD
Jetzt habt ihr das erste Mal von meinem eigenen Charakter gehört, Mirijam Kirke. Wie findet ihr sie bisher?
Aisling leis na réaltaí,
HimmelsHueter ✨
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro